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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

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biß an die Thür gelauffen war, konte sich auch vor
Mattigkeit nicht aufrichten, weßwegen ich ihm auf-
halff, und in den Schlaff-Stuhl setzte, allwo er kurtz
vohero seine Lust zu büssen gedachte. Der
Magd hatte ich sogleich befohlen, nach einem Chi-
rurgo
zu gehen, welcher, indem er da war, ihm das
Blut stillete, die Wunden verband, und mir berichte-
te, daß dieselben eben so gefährlich nicht wären, son-
dern in 3. biß 4. Woche geheilet werden könten.
Jch ließ ihn in unserm Gast Hofe auf eine beson-
dere Stube bringen, bath den Chirurgum, bey
ihm zu bleiben, weil ihm seine Mühe wohl bezahlt
werden solte, bestellete auch sonsten noch jemand zu
seiner Aufwartung, und ging hernach etwas im Gar-
ten spatziren herum. Etwa eine Stnnde hernach
schickte Rackhuysen, und ließ mich bitten, zu ihm zu
kommen; derowegen nahm kein bedencken, solches
zu thun. Er lag im Bette, sahe sehr blaß aus, reich-
te mir aber doch die Hand, und sagte: Monsieur,
ihr habt mich heute so gezeichnet, daß ich mein Lebe-
tage daran dencken kan, aber ich werde dergleichen
Thorheiten Zeit-Lebens nicht wieder begehen, würde
auch heute nicht darein verfallen seyn, wenn ich nicht
ein Glaß Wein zu viel im Kopffe gehabt hätte, ver-
gebet mir meinen Fehler, denn ich will mich davor
erkäntlich erzeigen, und bittet eure Liebste, daß sie
mir denselben nur auch vergeben möge, denn ich will
gern Zeit-Lebens nicht wieder vor ihre Augen kom-
men, ohngeacht ich sie von Jugend auf mehr als mei-
ne Seele geliebt, ihrer Gegen-Gunst aber niemahls
habe theilhafftig werden können. Vielleicht hätte
ich itzo ihre Person mit Güte gantz und gar gewin-

nen

biß an die Thuͤr gelauffen war, konte ſich auch vor
Mattigkeit nicht aufrichten, weßwegen ich ihm auf-
halff, und in den Schlaff-Stuhl ſetzte, allwo er kurtz
vohero ſeine Luſt zu buͤſſen gedachte. Der
Magd hatte ich ſogleich befohlen, nach einem Chi-
rurgo
zu gehen, welcher, indem er da war, ihm das
Blut ſtillete, die Wunden verband, und mir berichte-
te, daß dieſelben eben ſo gefaͤhrlich nicht waͤren, ſon-
dern in 3. biß 4. Woche geheilet werden koͤnten.
Jch ließ ihn in unſerm Gaſt Hofe auf eine beſon-
dere Stube bringen, bath den Chirurgum, bey
ihm zu bleiben, weil ihm ſeine Muͤhe wohl bezahlt
werden ſolte, beſtellete auch ſonſten noch jemand zu
ſeiner Aufwartung, und ging hernach etwas im Gar-
ten ſpatziren herum. Etwa eine Stnnde hernach
ſchickte Rackhuyſen, und ließ mich bitten, zu ihm zu
kommen; derowegen nahm kein bedencken, ſolches
zu thun. Er lag im Bette, ſahe ſehr blaß aus, reich-
te mir aber doch die Hand, und ſagte: Monſieur,
ihr habt mich heute ſo gezeichnet, daß ich mein Lebe-
tage daran dencken kan, aber ich werde dergleichen
Thorheiten Zeit-Lebens nicht wieder begehen, wuͤrde
auch heute nicht darein verfallen ſeyn, wenn ich nicht
ein Glaß Wein zu viel im Kopffe gehabt haͤtte, ver-
gebet mir meinen Fehler, denn ich will mich davor
erkaͤntlich erzeigen, und bittet eure Liebſte, daß ſie
mir denſelben nur auch vergeben moͤge, denn ich will
gern Zeit-Lebens nicht wieder vor ihre Augen kom-
men, ohngeacht ich ſie von Jugend auf mehr als mei-
ne Seele geliebt, ihrer Gegen-Gunſt aber niemahls
habe theilhafftig werden koͤnnen. Vielleicht haͤtte
ich itzo ihre Perſon mit Guͤte gantz und gar gewin-

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[184/0192] biß an die Thuͤr gelauffen war, konte ſich auch vor Mattigkeit nicht aufrichten, weßwegen ich ihm auf- halff, und in den Schlaff-Stuhl ſetzte, allwo er kurtz vohero ſeine Luſt zu buͤſſen gedachte. Der Magd hatte ich ſogleich befohlen, nach einem Chi- rurgo zu gehen, welcher, indem er da war, ihm das Blut ſtillete, die Wunden verband, und mir berichte- te, daß dieſelben eben ſo gefaͤhrlich nicht waͤren, ſon- dern in 3. biß 4. Woche geheilet werden koͤnten. Jch ließ ihn in unſerm Gaſt Hofe auf eine beſon- dere Stube bringen, bath den Chirurgum, bey ihm zu bleiben, weil ihm ſeine Muͤhe wohl bezahlt werden ſolte, beſtellete auch ſonſten noch jemand zu ſeiner Aufwartung, und ging hernach etwas im Gar- ten ſpatziren herum. Etwa eine Stnnde hernach ſchickte Rackhuyſen, und ließ mich bitten, zu ihm zu kommen; derowegen nahm kein bedencken, ſolches zu thun. Er lag im Bette, ſahe ſehr blaß aus, reich- te mir aber doch die Hand, und ſagte: Monſieur, ihr habt mich heute ſo gezeichnet, daß ich mein Lebe- tage daran dencken kan, aber ich werde dergleichen Thorheiten Zeit-Lebens nicht wieder begehen, wuͤrde auch heute nicht darein verfallen ſeyn, wenn ich nicht ein Glaß Wein zu viel im Kopffe gehabt haͤtte, ver- gebet mir meinen Fehler, denn ich will mich davor erkaͤntlich erzeigen, und bittet eure Liebſte, daß ſie mir denſelben nur auch vergeben moͤge, denn ich will gern Zeit-Lebens nicht wieder vor ihre Augen kom- men, ohngeacht ich ſie von Jugend auf mehr als mei- ne Seele geliebt, ihrer Gegen-Gunſt aber niemahls habe theilhafftig werden koͤnnen. Vielleicht haͤtte ich itzo ihre Perſon mit Guͤte gantz und gar gewin- nen

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/192>, abgerufen am 03.05.2024.