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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

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kein Auge zu, besann mich jedoch auf allerhand
Streiche, die ich im Fall der Noth spielen, und da-
mit, wo möglich, nicht nur mein Leben retten, son-
dern auch der schändlichen Ver- und Beschneidung
entgehen wolte.

Früh Morgens, etwa 2. Stunden nach Auf-
gang der Sonnen, kam der zweyte Abgesandte, und
trug mir vor, welchergestallt der Kisler-Agasi mei-
ne gestrige trotzige Antwort sehr übel empfunden,
jedoch weil ihm bewust, daß der Kayser eine gantz
besondere Gnade auf mich geworffen, hätte er sei-
nen Zorn gemäßiget, von dem Kayser aber Be-
fehl erhalten, mich heute verschneiden zu lassen, wolte
ich nun die Gnade des Kaysers nebst meinem zu-
künfftigen Glücke nicht muthwillig verschertzen, so
solte mich nicht ferner widerspenstig erzeigen, son-
dern die wenigen Schmertzen mit frölichen Hertzen
ausstehen, indem ich solchergestalt die Hoffnung er-
langte, vielleicht in wenig Jahren ein grosser Mann
zu werden, etc. und was dergleichen tröstliche Wor-
te mehr waren. Allein, ich blieb bey meiner ersten
Resolution, lieber zu sterben, als meine Religion
zu verändern, und als ein Verschnittener zu leben.
Der abgeschickte gab sich hierauf nebst meinem
bißherigen Hofmeister und Informator viel Mühe,
mich in Güte zu diesem Unheyl zu bewegen, da
aber nichts verfangen wolte, wurde der erstere end-
lich in Harnisch gejagt, und sagte: Nun so muß man,
dem Befehle nach, Gewalt brauchen; ging auch
gleich zum Zimmer hinaus, und ruffte 4. bewaffne-
te Mohren herein, nebst noch 2. andern, welche die
Instrumenta, mich zu castriren und zu beschneiden,

bereits
(G 4)

kein Auge zu, beſann mich jedoch auf allerhand
Streiche, die ich im Fall der Noth ſpielen, und da-
mit, wo moͤglich, nicht nur mein Leben retten, ſon-
dern auch der ſchaͤndlichen Ver- und Beſchneidung
entgehen wolte.

Fruͤh Morgens, etwa 2. Stunden nach Auf-
gang der Sonnen, kam der zweyte Abgeſandte, und
trug mir vor, welchergeſtallt der Kisler-Agaſi mei-
ne geſtrige trotzige Antwort ſehr uͤbel empfunden,
jedoch weil ihm bewuſt, daß der Kayſer eine gantz
beſondere Gnade auf mich geworffen, haͤtte er ſei-
nen Zorn gemaͤßiget, von dem Kayſer aber Be-
fehl erhalten, mich heute verſchneiden zu laſſen, wolte
ich nun die Gnade des Kayſers nebſt meinem zu-
kuͤnfftigen Gluͤcke nicht muthwillig verſchertzen, ſo
ſolte mich nicht ferner widerſpenſtig erzeigen, ſon-
dern die wenigen Schmertzen mit froͤlichen Hertzen
ausſtehen, indem ich ſolchergeſtalt die Hoffnung er-
langte, vielleicht in wenig Jahren ein groſſer Mann
zu werden, ꝛc. und was dergleichen troͤſtliche Wor-
te mehr waren. Allein, ich blieb bey meiner erſten
Reſolution, lieber zu ſterben, als meine Religion
zu veraͤndern, und als ein Verſchnittener zu leben.
Der abgeſchickte gab ſich hierauf nebſt meinem
bißherigen Hofmeiſter und Informator viel Muͤhe,
mich in Guͤte zu dieſem Unheyl zu bewegen, da
aber nichts verfangen wolte, wurde der erſtere end-
lich in Harniſch gejagt, und ſagte: Nun ſo muß man,
dem Befehle nach, Gewalt brauchen; ging auch
gleich zum Zimmer hinaus, und ruffte 4. bewaffne-
te Mohren herein, nebſt noch 2. andern, welche die
Inſtrumenta, mich zu caſtriren und zu beſchneiden,

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[103/0111] kein Auge zu, beſann mich jedoch auf allerhand Streiche, die ich im Fall der Noth ſpielen, und da- mit, wo moͤglich, nicht nur mein Leben retten, ſon- dern auch der ſchaͤndlichen Ver- und Beſchneidung entgehen wolte. Fruͤh Morgens, etwa 2. Stunden nach Auf- gang der Sonnen, kam der zweyte Abgeſandte, und trug mir vor, welchergeſtallt der Kisler-Agaſi mei- ne geſtrige trotzige Antwort ſehr uͤbel empfunden, jedoch weil ihm bewuſt, daß der Kayſer eine gantz beſondere Gnade auf mich geworffen, haͤtte er ſei- nen Zorn gemaͤßiget, von dem Kayſer aber Be- fehl erhalten, mich heute verſchneiden zu laſſen, wolte ich nun die Gnade des Kayſers nebſt meinem zu- kuͤnfftigen Gluͤcke nicht muthwillig verſchertzen, ſo ſolte mich nicht ferner widerſpenſtig erzeigen, ſon- dern die wenigen Schmertzen mit froͤlichen Hertzen ausſtehen, indem ich ſolchergeſtalt die Hoffnung er- langte, vielleicht in wenig Jahren ein groſſer Mann zu werden, ꝛc. und was dergleichen troͤſtliche Wor- te mehr waren. Allein, ich blieb bey meiner erſten Reſolution, lieber zu ſterben, als meine Religion zu veraͤndern, und als ein Verſchnittener zu leben. Der abgeſchickte gab ſich hierauf nebſt meinem bißherigen Hofmeiſter und Informator viel Muͤhe, mich in Guͤte zu dieſem Unheyl zu bewegen, da aber nichts verfangen wolte, wurde der erſtere end- lich in Harniſch gejagt, und ſagte: Nun ſo muß man, dem Befehle nach, Gewalt brauchen; ging auch gleich zum Zimmer hinaus, und ruffte 4. bewaffne- te Mohren herein, nebſt noch 2. andern, welche die Inſtrumenta, mich zu caſtriren und zu beſchneiden, bereits (G 4)

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/111>, abgerufen am 22.11.2024.