der Kisler-Agasi, (oder der Oberste unter den Verschnittenen, welcher über die Weiber und Con- cubinen des Kaysers, auch deren verschnittene Bediente die Aufsicht hat,) durch einen Bedienten ansagen ließ. Jch aber gab demselbigen gleich zur Antwort, daß ich mich ehe in 1000. Stücken zer- hauen, oder mit den grausamsten Martern bele- gen, als dergleichen mit mir wolte vornehmen las- sen, denn ich wäre völlig resolvirt, meinen Glau- ben niemahls zu verläugnen, sondern als ein Christ zu leben und zu sterben, auch stünde mir nicht an, ein Verschnittner zu seyn, sondern wolte, wie gesagt, lieber sterben. Diese kurtze Abfertigung des Be- dienten hatte unser bisheriger Hof-Meister in sei- nem Cabinet gehöret, kam derowegen heraus, und sagte: Wisset ihr auch, daß euch diese Worte noch diesen Abend das Leben kosten können? Denn der Kisler-Agasi ist ein gewaltiger Mann, in dessen Händen vieler Menschen Leben und Todt stehet; aber das will ich euch zum Vortheil sagen, wenn diejenigen ankommen solten, die euch etwa zu stran- guliren oder auf andere Art zu ermorden befeh- ligt wären, so rufft nur den Nahmen unsers Kay- sers Muley Ismael etliche mahl aus, denn solcher- gestalt könnet ihr euer Leben so lange erretten, biß ihr den Kayser erstlich selbsten gesprochen, und er hernach Befehl gegeben, daß man seinen Nahmen eurentwegen nicht ferner mehr respctiren, son- dern Gewalt brauchen soll.
Jch fassete dieses zu Ohren, es kam aber die- sen Tag niemand weiter zu mir, hergegen that ich in künfftiger Nacht vor Kummer und Sorgen
kein
der Kisler-Agaſi, (oder der Oberſte unter den Verſchnittenen, welcher uͤber die Weiber und Con- cubinen des Kayſers, auch deren verſchnittene Bediente die Aufſicht hat,) durch einen Bedienten anſagen ließ. Jch aber gab demſelbigen gleich zur Antwort, daß ich mich ehe in 1000. Stuͤcken zer- hauen, oder mit den grauſamſten Martern bele- gen, als dergleichen mit mir wolte vornehmen laſ- ſen, denn ich waͤre voͤllig reſolvirt, meinen Glau- ben niemahls zu verlaͤugnen, ſondern als ein Chriſt zu leben und zu ſterben, auch ſtuͤnde mir nicht an, ein Verſchnittner zu ſeyn, ſondern wolte, wie geſagt, lieber ſterben. Dieſe kurtze Abfertigung des Be- dienten hatte unſer bisheriger Hof-Meiſter in ſei- nem Cabinet gehoͤret, kam derowegen heraus, und ſagte: Wiſſet ihr auch, daß euch dieſe Worte noch dieſen Abend das Leben koſten koͤnnen? Denn der Kisler-Agaſi iſt ein gewaltiger Mann, in deſſen Haͤnden vieler Menſchen Leben und Todt ſtehet; aber das will ich euch zum Vortheil ſagen, wenn diejenigen ankommen ſolten, die euch etwa zu ſtran- guliren oder auf andere Art zu ermorden befeh- ligt waͤren, ſo rufft nur den Nahmen unſers Kay- ſers Muley Iſmaël etliche mahl aus, denn ſolcher- geſtalt koͤnnet ihr euer Leben ſo lange erretten, biß ihr den Kayſer erſtlich ſelbſten geſprochen, und er hernach Befehl gegeben, daß man ſeinen Nahmen eurentwegen nicht ferner mehr reſpctiren, ſon- dern Gewalt brauchen ſoll.
Jch faſſete dieſes zu Ohren, es kam aber die- ſen Tag niemand weiter zu mir, hergegen that ich in kuͤnfftiger Nacht vor Kummer und Sorgen
kein
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[102/0110]
der Kisler-Agaſi, (oder der Oberſte unter den
Verſchnittenen, welcher uͤber die Weiber und Con-
cubinen des Kayſers, auch deren verſchnittene
Bediente die Aufſicht hat,) durch einen Bedienten
anſagen ließ. Jch aber gab demſelbigen gleich zur
Antwort, daß ich mich ehe in 1000. Stuͤcken zer-
hauen, oder mit den grauſamſten Martern bele-
gen, als dergleichen mit mir wolte vornehmen laſ-
ſen, denn ich waͤre voͤllig reſolvirt, meinen Glau-
ben niemahls zu verlaͤugnen, ſondern als ein Chriſt
zu leben und zu ſterben, auch ſtuͤnde mir nicht an,
ein Verſchnittner zu ſeyn, ſondern wolte, wie geſagt,
lieber ſterben. Dieſe kurtze Abfertigung des Be-
dienten hatte unſer bisheriger Hof-Meiſter in ſei-
nem Cabinet gehoͤret, kam derowegen heraus, und
ſagte: Wiſſet ihr auch, daß euch dieſe Worte noch
dieſen Abend das Leben koſten koͤnnen? Denn der
Kisler-Agaſi iſt ein gewaltiger Mann, in deſſen
Haͤnden vieler Menſchen Leben und Todt ſtehet;
aber das will ich euch zum Vortheil ſagen, wenn
diejenigen ankommen ſolten, die euch etwa zu ſtran-
guliren oder auf andere Art zu ermorden befeh-
ligt waͤren, ſo rufft nur den Nahmen unſers Kay-
ſers Muley Iſmaël etliche mahl aus, denn ſolcher-
geſtalt koͤnnet ihr euer Leben ſo lange erretten, biß
ihr den Kayſer erſtlich ſelbſten geſprochen, und er
hernach Befehl gegeben, daß man ſeinen Nahmen
eurentwegen nicht ferner mehr reſpctiren, ſon-
dern Gewalt brauchen ſoll.
Jch faſſete dieſes zu Ohren, es kam aber die-
ſen Tag niemand weiter zu mir, hergegen that ich
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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/110>, abgerufen am 22.11.2024.
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