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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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um seine Tochter anzusprechen. Sein voriger
Herr roch den Braten gar balde, suchte derowegen
zum Scheine, unter diesen und jenen Vorschlägen,
gantz genaue Freundschafft zu stifften, ließ aber auch
unter der Hand meinem Vetter die Wahl anbie-
ten, sich eine von den Töchtern zur Frauen auszu-
lesen, allein derselbe war, ohngeacht der zu hoffen
habenden starcken Mitgifft, so capricieus, daß er
zur Antwort gab, wer seine redliche Affection, zu der
Zeit nicht aestimirt hätte, da er kaum etliche 100.
Thlr im Vermögen gehabt, dessen Schwieger-
schafft achtete er nunmehro auch nicht, da ihm der
Himmel durch die Generosite redlicher Bluts-
Freunde in den Stand gesetzt, daß er nicht die ge-
ringste Ursache hätte, sich nach einer bemittelten,
wohl aber tugendhafften Braut umzusehen.

Diese Resolution gefiel uns ungemein, indem er
aber zu vernehmen gab, wie er eine besondere Af-
fection
auf die tugendhaffte jüngste Tochter des
Herrn Senioris geworffen hätte, ohngeacht er wohl
wisse, daß wegen der vielen Kinder von dem Ehr-
würdigen Herrn kein starckes Heyraths-Guth zuhof-
fen sey, als ließ sich mein Vater dieses von Hertzen
angenehm seyn, begab sich selbst zum Herrn Seniori,
und brachte anf einmahl das Ja-Wort, so wohl von
dem Herrn Schwieger-Vater, als der Jungfer
Braut mit nach Hause.

Jndem aber ich von dem Capitain Horn
aus Amsterdam immer Briefe über Briefe be-
kam, meine Zurückkunfft zu beschleunigen, damit
uns nicht die verdrießliche Witterung vor völliger
Einrichtung unserer Sachen über den Hals kom-

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II. Theil. q q

um ſeine Tochter anzuſprechen. Sein voriger
Herr roch den Braten gar balde, ſuchte derowegen
zum Scheine, unter dieſen und jenen Vorſchlaͤgen,
gantz genaue Freundſchafft zu ſtifften, ließ aber auch
unter der Hand meinem Vetter die Wahl anbie-
ten, ſich eine von den Toͤchtern zur Frauen auszu-
leſen, allein derſelbe war, ohngeacht der zu hoffen
habenden ſtarcken Mitgifft, ſo capricieus, daß er
zur Antwort gab, wer ſeine redliche Affection, zu der
Zeit nicht æſtimirt haͤtte, da er kaum etliche 100.
Thlr im Vermoͤgen gehabt, deſſen Schwieger-
ſchafft achtete er nunmehro auch nicht, da ihm der
Himmel durch die Generoſité redlicher Bluts-
Freunde in den Stand geſetzt, daß er nicht die ge-
ringſte Urſache haͤtte, ſich nach einer bemittelten,
wohl aber tugendhafften Braut umzuſehen.

Dieſe Reſolution gefiel uns ungemein, indem er
aber zu vernehmen gab, wie er eine beſondere Af-
fection
auf die tugendhaffte juͤngſte Tochter des
Herrn Senioris geworffen haͤtte, ohngeacht er wohl
wiſſe, daß wegen der vielen Kinder von dem Ehr-
wuͤꝛdigen Herꝛn kein ſtarckes Heyraths-Guth zuhof-
fen ſey, als ließ ſich mein Vater dieſes von Hertzen
angenehm ſeyn, begab ſich ſelbſt zum Herrn Seniori,
und brachte anf einmahl das Ja-Wort, ſo wohl von
dem Herrn Schwieger-Vater, als der Jungfer
Braut mit nach Hauſe.

Jndem aber ich von dem Capitain Horn
aus Amſterdam immer Briefe uͤber Briefe be-
kam, meine Zuruͤckkunfft zu beſchleunigen, damit
uns nicht die verdrießliche Witterung vor voͤlliger
Einrichtung unſerer Sachen uͤber den Hals kom-

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II. Theil. q q
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[609/0625] um ſeine Tochter anzuſprechen. Sein voriger Herr roch den Braten gar balde, ſuchte derowegen zum Scheine, unter dieſen und jenen Vorſchlaͤgen, gantz genaue Freundſchafft zu ſtifften, ließ aber auch unter der Hand meinem Vetter die Wahl anbie- ten, ſich eine von den Toͤchtern zur Frauen auszu- leſen, allein derſelbe war, ohngeacht der zu hoffen habenden ſtarcken Mitgifft, ſo capricieus, daß er zur Antwort gab, wer ſeine redliche Affection, zu der Zeit nicht æſtimirt haͤtte, da er kaum etliche 100. Thlr im Vermoͤgen gehabt, deſſen Schwieger- ſchafft achtete er nunmehro auch nicht, da ihm der Himmel durch die Generoſité redlicher Bluts- Freunde in den Stand geſetzt, daß er nicht die ge- ringſte Urſache haͤtte, ſich nach einer bemittelten, wohl aber tugendhafften Braut umzuſehen. Dieſe Reſolution gefiel uns ungemein, indem er aber zu vernehmen gab, wie er eine beſondere Af- fection auf die tugendhaffte juͤngſte Tochter des Herrn Senioris geworffen haͤtte, ohngeacht er wohl wiſſe, daß wegen der vielen Kinder von dem Ehr- wuͤꝛdigen Herꝛn kein ſtarckes Heyraths-Guth zuhof- fen ſey, als ließ ſich mein Vater dieſes von Hertzen angenehm ſeyn, begab ſich ſelbſt zum Herrn Seniori, und brachte anf einmahl das Ja-Wort, ſo wohl von dem Herrn Schwieger-Vater, als der Jungfer Braut mit nach Hauſe. Jndem aber ich von dem Capitain Horn aus Amſterdam immer Briefe uͤber Briefe be- kam, meine Zuruͤckkunfft zu beſchleunigen, damit uns nicht die verdrießliche Witterung vor voͤlliger Einrichtung unſerer Sachen uͤber den Hals kom- men II. Theil. q q

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 609. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/625>, abgerufen am 03.05.2024.