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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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reiseter Mensch, der aber kaum tausend Thaler
Erbtheils-Gelder im Vermögen hatte. Jndem er
nun seit etwa zweyen Jahren bey einem der vor-
nehmsten Kauff-Leute meiner Geburts-Stadt,
als Buchhalter in Condition gestanden, mochte
sich der gute Mensch die Rechnung gemacht haben,
seinem Herrn, durch beständige Treue und Red-
lichkeit mit der Zeit eine von seinen dreyen Töchtern
abzuverdienen, deren geschicktes Wesen nebst der
starcken Morgengabe die Schönheit der Gesichter
bey weiten zu übertreffen schien, allein so bald er sich
dieses gegen einen vermeintlichen guten Freund
mercken läßt, dieser aber nicht reinen Mund hält,
wird mein ehrlicher Vetter dergestalt höhnisch und
spröde von seinem Herrn und dessen gantzer Familie
tracti
ret, daß er vor Verdruß und Kummer, eine
ferne Reise anzutreten, den Schluß fasset. Hier-
von hält ihn nun die plötzliche Ankunfft meines
Vaters zurücke, und weilen derselbe bald hernach
seine Handlung von neuen aufzurichten anfängt,
quittiret er die ersten, und gibt sich zu meinem Va-
ter in Dienste. So wohl meines Vaters als mein
eigenes Vorhaben war, dieses Menschen zeitliches
Glück so viel möglich zu befestigen, und ohngeacht
wir ihm nicht gäntzlich zugesagt, daß er unser aller
eintziger Erbe, in Teutschland, seyn und bleiben
solte, indem mein Vater noch nicht völlig resolvirt
war, Zeit Lebens in Felsenburg zu bleiben, so bekam
er doch von uns solche starcke Geschencke und sonder-
bare Vortheile in die Hände, daß er ohngescheut
wagen durffte, auch den vornehmsten Capitalisten

um

reiſeter Menſch, der aber kaum tauſend Thaler
Erbtheils-Gelder im Vermoͤgen hatte. Jndem er
nun ſeit etwa zweyen Jahren bey einem der vor-
nehmſten Kauff-Leute meiner Geburts-Stadt,
als Buchhalter in Condition geſtanden, mochte
ſich der gute Menſch die Rechnung gemacht haben,
ſeinem Herrn, durch beſtaͤndige Treue und Red-
lichkeit mit der Zeit eine von ſeinen dreyen Toͤchtern
abzuverdienen, deren geſchicktes Weſen nebſt der
ſtarcken Morgengabe die Schoͤnheit der Geſichter
bey weiten zu uͤbertreffen ſchien, allein ſo bald er ſich
dieſes gegen einen vermeintlichen guten Freund
mercken laͤßt, dieſer aber nicht reinen Mund haͤlt,
wird mein ehrlicher Vetter dergeſtalt hoͤhniſch und
ſproͤde von ſeinem Herrn und deſſen gantzer Familie
tracti
ret, daß er vor Verdruß und Kummer, eine
ferne Reiſe anzutreten, den Schluß faſſet. Hier-
von haͤlt ihn nun die ploͤtzliche Ankunfft meines
Vaters zuruͤcke, und weilen derſelbe bald hernach
ſeine Handlung von neuen aufzurichten anfaͤngt,
quittiret er die erſten, und gibt ſich zu meinem Va-
ter in Dienſte. So wohl meines Vaters als mein
eigenes Vorhaben war, dieſes Menſchen zeitliches
Gluͤck ſo viel moͤglich zu befeſtigen, und ohngeacht
wir ihm nicht gaͤntzlich zugeſagt, daß er unſer aller
eintziger Erbe, in Teutſchland, ſeyn und bleiben
ſolte, indem mein Vater noch nicht voͤllig reſolvirt
war, Zeit Lebens in Felſenburg zu bleiben, ſo bekam
er doch von uns ſolche ſtarcke Geſchencke und ſonder-
bare Vortheile in die Haͤnde, daß er ohngeſcheut
wagen durffte, auch den vornehmſten Capitaliſten

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[608/0624] reiſeter Menſch, der aber kaum tauſend Thaler Erbtheils-Gelder im Vermoͤgen hatte. Jndem er nun ſeit etwa zweyen Jahren bey einem der vor- nehmſten Kauff-Leute meiner Geburts-Stadt, als Buchhalter in Condition geſtanden, mochte ſich der gute Menſch die Rechnung gemacht haben, ſeinem Herrn, durch beſtaͤndige Treue und Red- lichkeit mit der Zeit eine von ſeinen dreyen Toͤchtern abzuverdienen, deren geſchicktes Weſen nebſt der ſtarcken Morgengabe die Schoͤnheit der Geſichter bey weiten zu uͤbertreffen ſchien, allein ſo bald er ſich dieſes gegen einen vermeintlichen guten Freund mercken laͤßt, dieſer aber nicht reinen Mund haͤlt, wird mein ehrlicher Vetter dergeſtalt hoͤhniſch und ſproͤde von ſeinem Herrn und deſſen gantzer Familie tractiret, daß er vor Verdruß und Kummer, eine ferne Reiſe anzutreten, den Schluß faſſet. Hier- von haͤlt ihn nun die ploͤtzliche Ankunfft meines Vaters zuruͤcke, und weilen derſelbe bald hernach ſeine Handlung von neuen aufzurichten anfaͤngt, quittiret er die erſten, und gibt ſich zu meinem Va- ter in Dienſte. So wohl meines Vaters als mein eigenes Vorhaben war, dieſes Menſchen zeitliches Gluͤck ſo viel moͤglich zu befeſtigen, und ohngeacht wir ihm nicht gaͤntzlich zugeſagt, daß er unſer aller eintziger Erbe, in Teutſchland, ſeyn und bleiben ſolte, indem mein Vater noch nicht voͤllig reſolvirt war, Zeit Lebens in Felſenburg zu bleiben, ſo bekam er doch von uns ſolche ſtarcke Geſchencke und ſonder- bare Vortheile in die Haͤnde, daß er ohngeſcheut wagen durffte, auch den vornehmſten Capitaliſten um

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 608. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/624>, abgerufen am 02.05.2024.