Tage hernach die fernere Reise fort setzte. Auf selbiger bekam ich weit vortrefflichere Oerter als bishero zu sehen, endlich aber blieben wir in Ulm hafften, um daselbst eine Zeitlang auszuruhen. Allhier fragte mich nun mein Herr, ob ich bereit sey ein Handwerck anzutreten? Meine Antwort war, daß ich, in so ferne es ihm beliebig, gleich diese Stun- de bereit darzu wäre. Was hast du dir, sprach er, vor ein Handwerck ausgesonnen? Noch keins, er- klärte ich mich, sondern ich |erwarte worzu mich Ew. Gn. bestimmet haben. Jch will, fragte er ferner, doch erstlich wissen, worzu du am meisten Lust hast? derowegen sage deine Meinung nur ohne Scheu. Wenn es bey mir allein stünde, versetzte ich dem- nach, so erwehlete ich das Zimmer-Handwerck, weil mein Vater ein Zimmermann gewesen ist. Hier- über fieng mein Herr hertzlich an zu lachen und mir vorzustellen, warum ich so ein einfältiger Tropf sey, und dergleichen beschwerliche und verdrießliche Profession erwehlet, die ausserdem nicht das gan- tze Jahr hindurch gangbar sey, endlich sprach er: Höre mein Sohn, meine eigenthümlichen Güther, die ich an den Böhmischen Gräntzen liegen habe, sind etwas weit von der Stadt abgelegen, derowe- gen macht es mir und den Meinigen viel Verdruß, wenn etwa ein Schlüssel verlohren oder sonsten ein oder andere Schlösser-Arbeit nöthig ist, also halte vors rathsamste, daß du das Schlösser-Hand- Werck erwehlest, und dasselbe recht wohl erlernest, solchergestalt will ich dir dein gutes Auskommen bis in den Tod versprechen. Jn Wahrheit es schien mir diesen Augenblick das Schlösser-Handwerck
das
II.Theil. h h
Tage hernach die fernere Reiſe fort ſetzte. Auf ſelbiger bekam ich weit vortrefflichere Oerter als bishero zu ſehen, endlich aber blieben wir in Ulm hafften, um daſelbſt eine Zeitlang auszuruhen. Allhier fragte mich nun mein Herr, ob ich bereit ſey ein Handwerck anzutreten? Meine Antwort war, daß ich, in ſo ferne es ihm beliebig, gleich dieſe Stun- de bereit darzu waͤre. Was haſt du dir, ſprach er, vor ein Handwerck ausgeſonnen? Noch keins, er- klaͤrte ich mich, ſondern ich |erwarte worzu mich Ew. Gn. beſtimmet haben. Jch will, fragte er ferner, doch erſtlich wiſſen, worzu du am meiſten Luſt haſt? derowegen ſage deine Meinung nur ohne Scheu. Wenn es bey mir allein ſtuͤnde, verſetzte ich dem- nach, ſo erwehlete ich das Zimmer-Handwerck, weil mein Vater ein Zimmermann geweſen iſt. Hier- uͤber fieng mein Herr hertzlich an zu lachen und mir vorzuſtellen, warum ich ſo ein einfaͤltiger Tropf ſey, und dergleichen beſchwerliche und verdrießliche Profeſſion erwehlet, die auſſerdem nicht das gan- tze Jahr hindurch gangbar ſey, endlich ſprach er: Hoͤre mein Sohn, meine eigenthuͤmlichen Guͤther, die ich an den Boͤhmiſchen Graͤntzen liegen habe, ſind etwas weit von der Stadt abgelegen, derowe- gen macht es mir und den Meinigen viel Verdruß, wenn etwa ein Schluͤſſel verlohren oder ſonſten ein oder andere Schloͤſſer-Arbeit noͤthig iſt, alſo halte vors rathſamſte, daß du das Schloͤſſer-Hand- Werck erwehleſt, und daſſelbe recht wohl erlerneſt, ſolchergeſtalt will ich dir dein gutes Auskommen bis in den Tod verſprechen. Jn Wahrheit es ſchien mir dieſen Augenblick das Schloͤſſer-Handwerck
das
II.Theil. h h
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0497"n="481"/>
Tage hernach die fernere Reiſe fort ſetzte. Auf<lb/>ſelbiger bekam ich weit vortrefflichere Oerter als<lb/>
bishero zu ſehen, endlich aber blieben wir in Ulm<lb/>
hafften, um daſelbſt eine Zeitlang auszuruhen.<lb/>
Allhier fragte mich nun mein Herr, ob ich bereit ſey<lb/>
ein Handwerck anzutreten? Meine Antwort war,<lb/>
daß ich, in ſo ferne es ihm beliebig, gleich dieſe Stun-<lb/>
de bereit darzu waͤre. Was haſt du dir, ſprach er,<lb/>
vor ein Handwerck ausgeſonnen? Noch keins, er-<lb/>
klaͤrte ich mich, ſondern ich |erwarte worzu mich Ew.<lb/>
Gn. beſtimmet haben. Jch will, fragte er ferner,<lb/>
doch erſtlich wiſſen, worzu du am meiſten Luſt haſt?<lb/>
derowegen ſage deine Meinung nur ohne Scheu.<lb/>
Wenn es bey mir allein ſtuͤnde, verſetzte ich dem-<lb/>
nach, ſo erwehlete ich das Zimmer-Handwerck, weil<lb/>
mein Vater ein Zimmermann geweſen iſt. Hier-<lb/>
uͤber fieng mein Herr hertzlich an zu lachen und mir<lb/>
vorzuſtellen, warum ich ſo ein einfaͤltiger Tropf<lb/>ſey, und dergleichen beſchwerliche und verdrießliche<lb/><hirendition="#aq">Profeſſion</hi> erwehlet, die auſſerdem nicht das gan-<lb/>
tze Jahr hindurch gangbar ſey, endlich ſprach er:<lb/>
Hoͤre mein Sohn, meine eigenthuͤmlichen Guͤther,<lb/>
die ich an den Boͤhmiſchen Graͤntzen liegen habe,<lb/>ſind etwas weit von der Stadt abgelegen, derowe-<lb/>
gen macht es mir und den Meinigen viel Verdruß,<lb/>
wenn etwa ein Schluͤſſel verlohren oder ſonſten ein<lb/>
oder andere Schloͤſſer-Arbeit noͤthig iſt, alſo halte<lb/>
vors rathſamſte, daß du das Schloͤſſer-Hand-<lb/>
Werck erwehleſt, und daſſelbe recht wohl erlerneſt,<lb/>ſolchergeſtalt will ich dir dein gutes Auskommen<lb/>
bis in den Tod verſprechen. Jn Wahrheit es ſchien<lb/>
mir dieſen Augenblick das Schloͤſſer-Handwerck<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#aq">II.</hi><hirendition="#fr">Theil.</hi> h h</fw><fwplace="bottom"type="catch">das</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[481/0497]
Tage hernach die fernere Reiſe fort ſetzte. Auf
ſelbiger bekam ich weit vortrefflichere Oerter als
bishero zu ſehen, endlich aber blieben wir in Ulm
hafften, um daſelbſt eine Zeitlang auszuruhen.
Allhier fragte mich nun mein Herr, ob ich bereit ſey
ein Handwerck anzutreten? Meine Antwort war,
daß ich, in ſo ferne es ihm beliebig, gleich dieſe Stun-
de bereit darzu waͤre. Was haſt du dir, ſprach er,
vor ein Handwerck ausgeſonnen? Noch keins, er-
klaͤrte ich mich, ſondern ich |erwarte worzu mich Ew.
Gn. beſtimmet haben. Jch will, fragte er ferner,
doch erſtlich wiſſen, worzu du am meiſten Luſt haſt?
derowegen ſage deine Meinung nur ohne Scheu.
Wenn es bey mir allein ſtuͤnde, verſetzte ich dem-
nach, ſo erwehlete ich das Zimmer-Handwerck, weil
mein Vater ein Zimmermann geweſen iſt. Hier-
uͤber fieng mein Herr hertzlich an zu lachen und mir
vorzuſtellen, warum ich ſo ein einfaͤltiger Tropf
ſey, und dergleichen beſchwerliche und verdrießliche
Profeſſion erwehlet, die auſſerdem nicht das gan-
tze Jahr hindurch gangbar ſey, endlich ſprach er:
Hoͤre mein Sohn, meine eigenthuͤmlichen Guͤther,
die ich an den Boͤhmiſchen Graͤntzen liegen habe,
ſind etwas weit von der Stadt abgelegen, derowe-
gen macht es mir und den Meinigen viel Verdruß,
wenn etwa ein Schluͤſſel verlohren oder ſonſten ein
oder andere Schloͤſſer-Arbeit noͤthig iſt, alſo halte
vors rathſamſte, daß du das Schloͤſſer-Hand-
Werck erwehleſt, und daſſelbe recht wohl erlerneſt,
ſolchergeſtalt will ich dir dein gutes Auskommen
bis in den Tod verſprechen. Jn Wahrheit es ſchien
mir dieſen Augenblick das Schloͤſſer-Handwerck
das
II. Theil. h h
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 481. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/497>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.