Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

Bild:
<< vorherige Seite

das allerangenehmste zu seyn, derowegen war so
gleich bereit darzu, mein Herr ließ sich von dem
Gast-Wirthe einen guten Schlösser zuweisen, mit
welchem er wegen des Lehr-Geldes, und jährlich be-
nöthigter Kleidung so gleich einig wurde, die Helffte
von den veraccordirten Geldern voraus bezahlete,
mich aufdingen ließ, und wenig Tage herhnach fort-
reisete, mit dem Versprechen, in wenig Wochen
wieder zu kommen und zu vernehmen, wie ich mich
bey diesem Handwerck aufführete.

Mein Meister fand an mir einen Jungen, der
recht nach seinem Kopfe und Wunsche war, denn
weil er so wohl als seine gantze Familie sehr selten an
das Beten, Singen, Kirchen-gehen und andere
christliche Ubungen gedachte, so kekümmerte ich mich
auch wenig oder gar nichts drum, und verlernete so
gar die schönen Gebete und Lieder, die ich vor diesen,
um mein Brod damit heraus zu pressen, nicht aus
Vorsorge meiner Eltern, sondern aus dringender
Noth auswendig lernen müssen. Etwa ein halbes
Jahr nach meinem Aufdingen kam mein Herr wie-
der nach Ulm, und vernahm von dem Meister mit
grossen Vergnügen, daß ich mich ungewöhnlich wohl
beym Handwercke gebrauchen liesse, und ein Ding
nachzumachen nur ein oder zweymahlige Unterwei-
sung bedürffte. Jch wußte dazumahl nicht wie es
kam, daß mein Herr, der dieses mahl nur gantz allein
auf der Post angekommen war, mit meinem Meister
ungemein vertraut umzugehen anfieng, sich auch in
dessen Hause mit einer gar schlecht ausgezierten
Stube behalff und von der Meisterin, so gut als
dieselben konte, beköstigen ließ, da ich doch eine gros-

se

das allerangenehmſte zu ſeyn, derowegen war ſo
gleich bereit darzu, mein Herr ließ ſich von dem
Gaſt-Wirthe einen guten Schloͤſſer zuweiſen, mit
welchem er wegen des Lehr-Geldes, und jaͤhrlich be-
noͤthigter Kleidung ſo gleich einig wurde, die Helffte
von den veraccordirten Geldern voraus bezahlete,
mich aufdingen ließ, und wenig Tage herhnach fort-
reiſete, mit dem Verſprechen, in wenig Wochen
wieder zu kommen und zu vernehmen, wie ich mich
bey dieſem Handwerck auffuͤhrete.

Mein Meiſter fand an mir einen Jungen, der
recht nach ſeinem Kopfe und Wunſche war, denn
weil er ſo wohl als ſeine gantze Familie ſehr ſelten an
das Beten, Singen, Kirchen-gehen und andere
chriſtliche Ubungen gedachte, ſo kekuͤmmerte ich mich
auch wenig oder gar nichts drum, und verlernete ſo
gar die ſchoͤnen Gebete und Lieder, die ich vor dieſen,
um mein Brod damit heraus zu preſſen, nicht aus
Vorſorge meiner Eltern, ſondern aus dringender
Noth auswendig lernen muͤſſen. Etwa ein halbes
Jahr nach meinem Aufdingen kam mein Herr wie-
der nach Ulm, und vernahm von dem Meiſter mit
groſſen Vergnuͤgen, daß ich mich ungewoͤhnlich wohl
beym Handwercke gebrauchen lieſſe, und ein Ding
nachzumachen nur ein oder zweymahlige Unterwei-
ſung beduͤrffte. Jch wußte dazumahl nicht wie es
kam, daß mein Herr, der dieſes mahl nur gantz allein
auf der Poſt angekommen war, mit meinem Meiſter
ungemein vertraut umzugehen anfieng, ſich auch in
deſſen Hauſe mit einer gar ſchlecht ausgezierten
Stube behalff und von der Meiſterin, ſo gut als
dieſelben konte, bekoͤſtigen ließ, da ich doch eine groſ-

ſe
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0498" n="482"/>
das allerangenehm&#x017F;te zu &#x017F;eyn, derowegen war &#x017F;o<lb/>
gleich bereit darzu, mein Herr ließ &#x017F;ich von dem<lb/>
Ga&#x017F;t-Wirthe einen guten Schlo&#x0364;&#x017F;&#x017F;er zuwei&#x017F;en, mit<lb/>
welchem er wegen des Lehr-Geldes, und ja&#x0364;hrlich be-<lb/>
no&#x0364;thigter Kleidung &#x017F;o gleich einig wurde, die Helffte<lb/>
von den veraccordirten Geldern voraus bezahlete,<lb/>
mich aufdingen ließ, und wenig Tage herhnach fort-<lb/>
rei&#x017F;ete, mit dem Ver&#x017F;prechen, in wenig Wochen<lb/>
wieder zu kommen und zu vernehmen, wie ich mich<lb/>
bey die&#x017F;em Handwerck auffu&#x0364;hrete.</p><lb/>
            <p>Mein Mei&#x017F;ter fand an mir einen Jungen, der<lb/>
recht nach &#x017F;einem Kopfe und Wun&#x017F;che war, denn<lb/>
weil er &#x017F;o wohl als &#x017F;eine gantze <hi rendition="#aq">Familie</hi> &#x017F;ehr &#x017F;elten an<lb/>
das Beten, Singen, Kirchen-gehen und andere<lb/>
chri&#x017F;tliche Ubungen gedachte, &#x017F;o keku&#x0364;mmerte ich mich<lb/>
auch wenig oder gar nichts drum, und verlernete &#x017F;o<lb/>
gar die &#x017F;cho&#x0364;nen Gebete und Lieder, die ich vor die&#x017F;en,<lb/>
um mein Brod damit heraus zu pre&#x017F;&#x017F;en, nicht aus<lb/>
Vor&#x017F;orge meiner Eltern, &#x017F;ondern aus dringender<lb/>
Noth auswendig lernen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Etwa ein halbes<lb/>
Jahr nach meinem Aufdingen kam mein Herr wie-<lb/>
der nach Ulm, und vernahm von dem Mei&#x017F;ter mit<lb/>
gro&#x017F;&#x017F;en Vergnu&#x0364;gen, daß ich mich ungewo&#x0364;hnlich wohl<lb/>
beym Handwercke gebrauchen lie&#x017F;&#x017F;e, und ein Ding<lb/>
nachzumachen nur ein oder zweymahlige Unterwei-<lb/>
&#x017F;ung bedu&#x0364;rffte. Jch wußte dazumahl nicht wie es<lb/>
kam, daß mein Herr, der die&#x017F;es mahl nur gantz allein<lb/>
auf der Po&#x017F;t angekommen war, mit meinem Mei&#x017F;ter<lb/>
ungemein vertraut umzugehen anfieng, &#x017F;ich auch in<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en Hau&#x017F;e mit einer gar &#x017F;chlecht ausgezierten<lb/>
Stube behalff und von der Mei&#x017F;terin, &#x017F;o gut als<lb/>
die&#x017F;elben konte, beko&#x0364;&#x017F;tigen ließ, da ich doch eine gro&#x017F;-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;e</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[482/0498] das allerangenehmſte zu ſeyn, derowegen war ſo gleich bereit darzu, mein Herr ließ ſich von dem Gaſt-Wirthe einen guten Schloͤſſer zuweiſen, mit welchem er wegen des Lehr-Geldes, und jaͤhrlich be- noͤthigter Kleidung ſo gleich einig wurde, die Helffte von den veraccordirten Geldern voraus bezahlete, mich aufdingen ließ, und wenig Tage herhnach fort- reiſete, mit dem Verſprechen, in wenig Wochen wieder zu kommen und zu vernehmen, wie ich mich bey dieſem Handwerck auffuͤhrete. Mein Meiſter fand an mir einen Jungen, der recht nach ſeinem Kopfe und Wunſche war, denn weil er ſo wohl als ſeine gantze Familie ſehr ſelten an das Beten, Singen, Kirchen-gehen und andere chriſtliche Ubungen gedachte, ſo kekuͤmmerte ich mich auch wenig oder gar nichts drum, und verlernete ſo gar die ſchoͤnen Gebete und Lieder, die ich vor dieſen, um mein Brod damit heraus zu preſſen, nicht aus Vorſorge meiner Eltern, ſondern aus dringender Noth auswendig lernen muͤſſen. Etwa ein halbes Jahr nach meinem Aufdingen kam mein Herr wie- der nach Ulm, und vernahm von dem Meiſter mit groſſen Vergnuͤgen, daß ich mich ungewoͤhnlich wohl beym Handwercke gebrauchen lieſſe, und ein Ding nachzumachen nur ein oder zweymahlige Unterwei- ſung beduͤrffte. Jch wußte dazumahl nicht wie es kam, daß mein Herr, der dieſes mahl nur gantz allein auf der Poſt angekommen war, mit meinem Meiſter ungemein vertraut umzugehen anfieng, ſich auch in deſſen Hauſe mit einer gar ſchlecht ausgezierten Stube behalff und von der Meiſterin, ſo gut als dieſelben konte, bekoͤſtigen ließ, da ich doch eine groſ- ſe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/498
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 482. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/498>, abgerufen am 23.11.2024.