Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

Bild:
<< vorherige Seite

brachte, legte ich selbiges meistentheils an Feld-Gü-
ther, übergab selbige dem Bruder zur Verwaltung,
weil sich der Pfarrherr zum Aufseher erbot, und
mir ausserdem mein Capital nebst den Zinsen vorleg-
te, welches ich jedoch, nachdem ich der jüngsten
Schwester 30. Thlr. und jeder andern 20. Thlr. zum
Hochzeit-Geschencke vermacht, unter seinen Händen
ließ, zur Danckbarkeit aber ihm verschiedene ansehn-
liche Haus-Raths-Stücke fournirte, und nachhero
wieder in die Welt ging.

Es begegnete mir binnen etlichen Jahren nichts
besonders, ausser dem daß ich von meinem Ver-
dienste noch ein klein Capital von 140. Thlr. an
meinen lieben Herrn Pfarrer übersandte. Bald
darauf kam mir die Lust an, meinen ehemahligen
Compagnon, den Orgel-Bauer im Hessen-Lande
zu besuchen, um zu erfahren, wie vergnügt er mit
seiner lieben Nonnen lebte, auch ob er nichts von
meiner Begebenheit vernommen hätte. Allein,
unterwegs hatte ich im Walde das Unglück, von
den Zigeunern ausgeplündert und bis aufs Hemde
ausgezogen zu werden. Die etliche 20. Thaler, so
ich bey mir hatte, wären endlich, in Betrachtung
daß ich mein Leben als eine Beute darvon trug, zu
vergessen gewesen, allein, es kränckte schmertzlich
sehr, daß ich von einem Dorffe bis zum andern bet-
teln mußte, und doch kaum so viel erbetteln konte,
meine Blöse mit alten Lumpen zu bedecken. Endlich
kam ich in ein grosses Dorff, allwo meine erste Frage
nach der Pfarr-Wohnung war, weil doch von rechts-
wegen die Einwohner derselben am barmhertzigsten
seyn sollen.

Jch
z 2

brachte, legte ich ſelbiges meiſtentheils an Feld-Guͤ-
ther, uͤbergab ſelbige dem Bruder zur Verwaltung,
weil ſich der Pfarrherr zum Aufſeher erbot, und
mir auſſerdem mein Capital nebſt den Zinſen vorleg-
te, welches ich jedoch, nachdem ich der juͤngſten
Schweſter 30. Thlr. und jeder andern 20. Thlr. zum
Hochzeit-Geſchencke vermacht, unter ſeinen Haͤnden
ließ, zur Danckbarkeit aber ihm verſchiedene anſehn-
liche Haus-Raths-Stuͤcke fournirte, und nachhero
wieder in die Welt ging.

Es begegnete mir binnen etlichen Jahren nichts
beſonders, auſſer dem daß ich von meinem Ver-
dienſte noch ein klein Capital von 140. Thlr. an
meinen lieben Herrn Pfarrer uͤberſandte. Bald
darauf kam mir die Luſt an, meinen ehemahligen
Compagnon, den Orgel-Bauer im Heſſen-Lande
zu beſuchen, um zu erfahren, wie vergnuͤgt er mit
ſeiner lieben Nonnen lebte, auch ob er nichts von
meiner Begebenheit vernommen haͤtte. Allein,
unterwegs hatte ich im Walde das Ungluͤck, von
den Zigeunern ausgepluͤndert und bis aufs Hemde
ausgezogen zu werden. Die etliche 20. Thaler, ſo
ich bey mir hatte, waͤren endlich, in Betrachtung
daß ich mein Leben als eine Beute darvon trug, zu
vergeſſen geweſen, allein, es kraͤnckte ſchmertzlich
ſehr, daß ich von einem Dorffe bis zum andern bet-
teln mußte, und doch kaum ſo viel erbetteln konte,
meine Bloͤſe mit alten Lumpen zu bedecken. Endlich
kam ich in ein groſſes Dorff, allwo meine erſte Frage
nach der Pfarr-Wohnung war, weil doch von rechts-
wegen die Einwohner derſelben am barmhertzigſten
ſeyn ſollen.

Jch
z 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0369" n="355"/>
brachte, legte ich &#x017F;elbiges mei&#x017F;tentheils an Feld-Gu&#x0364;-<lb/>
ther, u&#x0364;bergab &#x017F;elbige dem Bruder zur Verwaltung,<lb/>
weil &#x017F;ich der Pfarrherr zum Auf&#x017F;eher erbot, und<lb/>
mir au&#x017F;&#x017F;erdem mein <hi rendition="#aq">Capital</hi> neb&#x017F;t den Zin&#x017F;en vorleg-<lb/>
te, welches ich jedoch, nachdem ich der ju&#x0364;ng&#x017F;ten<lb/>
Schwe&#x017F;ter 30. Thlr. und jeder andern 20. Thlr. zum<lb/>
Hochzeit-Ge&#x017F;chencke vermacht, unter &#x017F;einen Ha&#x0364;nden<lb/>
ließ, zur Danckbarkeit aber ihm ver&#x017F;chiedene an&#x017F;ehn-<lb/>
liche Haus-Raths-Stu&#x0364;cke <hi rendition="#aq">fourni</hi>rte, und nachhero<lb/>
wieder in die Welt ging.</p><lb/>
          <p>Es begegnete mir binnen etlichen Jahren nichts<lb/>
be&#x017F;onders, au&#x017F;&#x017F;er dem daß ich von meinem Ver-<lb/>
dien&#x017F;te noch ein klein <hi rendition="#aq">Capital</hi> von 140. Thlr. an<lb/>
meinen lieben Herrn Pfarrer u&#x0364;ber&#x017F;andte. Bald<lb/>
darauf kam mir die Lu&#x017F;t an, meinen ehemahligen<lb/><hi rendition="#aq">Compagnon,</hi> den Orgel-Bauer im He&#x017F;&#x017F;en-Lande<lb/>
zu be&#x017F;uchen, um zu erfahren, wie vergnu&#x0364;gt er mit<lb/>
&#x017F;einer lieben Nonnen lebte, auch ob er nichts von<lb/>
meiner Begebenheit vernommen ha&#x0364;tte. Allein,<lb/>
unterwegs hatte ich im Walde das Unglu&#x0364;ck, von<lb/>
den Zigeunern ausgeplu&#x0364;ndert und bis aufs Hemde<lb/>
ausgezogen zu werden. Die etliche 20. Thaler, &#x017F;o<lb/>
ich bey mir hatte, wa&#x0364;ren endlich, in Betrachtung<lb/>
daß ich mein Leben als eine Beute darvon trug, zu<lb/>
verge&#x017F;&#x017F;en gewe&#x017F;en, allein, es kra&#x0364;nckte &#x017F;chmertzlich<lb/>
&#x017F;ehr, daß ich von einem Dorffe bis zum andern bet-<lb/>
teln mußte, und doch kaum &#x017F;o viel erbetteln konte,<lb/>
meine Blo&#x0364;&#x017F;e mit alten Lumpen zu bedecken. Endlich<lb/>
kam ich in ein gro&#x017F;&#x017F;es Dorff, allwo meine er&#x017F;te Frage<lb/>
nach der Pfarr-Wohnung war, weil doch von rechts-<lb/>
wegen die Einwohner der&#x017F;elben am barmhertzig&#x017F;ten<lb/>
&#x017F;eyn &#x017F;ollen.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">z 2</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Jch</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[355/0369] brachte, legte ich ſelbiges meiſtentheils an Feld-Guͤ- ther, uͤbergab ſelbige dem Bruder zur Verwaltung, weil ſich der Pfarrherr zum Aufſeher erbot, und mir auſſerdem mein Capital nebſt den Zinſen vorleg- te, welches ich jedoch, nachdem ich der juͤngſten Schweſter 30. Thlr. und jeder andern 20. Thlr. zum Hochzeit-Geſchencke vermacht, unter ſeinen Haͤnden ließ, zur Danckbarkeit aber ihm verſchiedene anſehn- liche Haus-Raths-Stuͤcke fournirte, und nachhero wieder in die Welt ging. Es begegnete mir binnen etlichen Jahren nichts beſonders, auſſer dem daß ich von meinem Ver- dienſte noch ein klein Capital von 140. Thlr. an meinen lieben Herrn Pfarrer uͤberſandte. Bald darauf kam mir die Luſt an, meinen ehemahligen Compagnon, den Orgel-Bauer im Heſſen-Lande zu beſuchen, um zu erfahren, wie vergnuͤgt er mit ſeiner lieben Nonnen lebte, auch ob er nichts von meiner Begebenheit vernommen haͤtte. Allein, unterwegs hatte ich im Walde das Ungluͤck, von den Zigeunern ausgepluͤndert und bis aufs Hemde ausgezogen zu werden. Die etliche 20. Thaler, ſo ich bey mir hatte, waͤren endlich, in Betrachtung daß ich mein Leben als eine Beute darvon trug, zu vergeſſen geweſen, allein, es kraͤnckte ſchmertzlich ſehr, daß ich von einem Dorffe bis zum andern bet- teln mußte, und doch kaum ſo viel erbetteln konte, meine Bloͤſe mit alten Lumpen zu bedecken. Endlich kam ich in ein groſſes Dorff, allwo meine erſte Frage nach der Pfarr-Wohnung war, weil doch von rechts- wegen die Einwohner derſelben am barmhertzigſten ſeyn ſollen. Jch z 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/369
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/369>, abgerufen am 17.05.2024.