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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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Meister eine saubere Säge herbey schaffen, und das
Bild von unten auf, in 4. Theile schneiden, allein es
fand sich weder Gold noch fernere Hölung darin-
nen. Mein Ankläger bestund also wie Butter an
der Sonnen, und ob er gleich noch viele Winckel-
Höltzer machen wolte, so kehrete sich dennoch der
Bischoff nicht im geringsten daran, sondern that zu
meiner, und aller Menschen größten Verwunderung
diesen unerwarteten Ausspruch: Höret mein
Freund! also redete er meinen Ankläger an, es er-
hellet aus allen Umständen, daß ihr ein unersättli-
cher Geitzhals, und mit dem Schatze, den euch die-
ser ehrliche Kerl eingeliefert, aus keiner andern Ur-
sache nicht zufrieden seyd, als weil ihr euch verbun-
den gesehen, ihm ehrenthalber ein ansehnliches Ge-
schenck davon zu geben, jedoch ich werde dieserwegen
sprechen, was Rechtens ist: Es werde diese Summe
in drey gleiche Theile getheilet, der erste Theil ge-
bührt vor allen Dingen dem heil. Bonifacio, der
die gantze Summe seit so langen Jahren, in den ge-
fährlichen Kriegs-Läufften vor den Raub-Klauen
der Frantzösischen Soldaten, vor den langen Fin-
gern der Diebe, vor Feuer, Wasser und andern Un-
glücke sicher erhalten hat. Der andere Theil kömmt
von Rechtswegen dem Hauswirthe zu, der dritte a-
ber ohne allen Streit dem glückseligen Finder des
Schatzes, und schadet hierbey gar nichts, daß er sei-
nem eigenen Geständnisse nach ein Ketzer ist, denn
man muß die Treue und Redlichkeit, als eine von
den vornehmsten Haupt-Tugenden, auch in den
Feinden belohnen. Es fehlete wenig, mein An-
kläger wäre über diesen Urtheils-Spruch in Ohn-

macht

Meiſter eine ſaubere Saͤge herbey ſchaffen, und das
Bild von unten auf, in 4. Theile ſchneiden, allein es
fand ſich weder Gold noch fernere Hoͤlung darin-
nen. Mein Anklaͤger beſtund alſo wie Butter an
der Sonnen, und ob er gleich noch viele Winckel-
Hoͤltzer machen wolte, ſo kehrete ſich dennoch der
Biſchoff nicht im geringſten daran, ſondern that zu
meiner, und aller Menſchen groͤßten Verwunderung
dieſen unerwarteten Ausſpruch: Hoͤret mein
Freund! alſo redete er meinen Anklaͤger an, es er-
hellet aus allen Umſtaͤnden, daß ihr ein unerſaͤttli-
cher Geitzhals, und mit dem Schatze, den euch die-
ſer ehrliche Kerl eingeliefert, aus keiner andern Ur-
ſache nicht zufrieden ſeyd, als weil ihr euch verbun-
den geſehen, ihm ehrenthalber ein anſehnliches Ge-
ſchenck davon zu geben, jedoch ich werde dieſerwegen
ſprechen, was Rechtens iſt: Es werde dieſe Summe
in drey gleiche Theile getheilet, der erſte Theil ge-
buͤhrt vor allen Dingen dem heil. Bonifacio, der
die gantze Summe ſeit ſo langen Jahren, in den ge-
faͤhrlichen Kriegs-Laͤufften vor den Raub-Klauen
der Frantzoͤſiſchen Soldaten, vor den langen Fin-
gern der Diebe, vor Feuer, Waſſer und andern Un-
gluͤcke ſicher erhalten hat. Der andere Theil koͤmmt
von Rechtswegen dem Hauswirthe zu, der dritte a-
ber ohne allen Streit dem gluͤckſeligen Finder des
Schatzes, und ſchadet hierbey gar nichts, daß er ſei-
nem eigenen Geſtaͤndniſſe nach ein Ketzer iſt, denn
man muß die Treue und Redlichkeit, als eine von
den vornehmſten Haupt-Tugenden, auch in den
Feinden belohnen. Es fehlete wenig, mein An-
klaͤger waͤre uͤber dieſen Urtheils-Spruch in Ohn-

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[338/0352] Meiſter eine ſaubere Saͤge herbey ſchaffen, und das Bild von unten auf, in 4. Theile ſchneiden, allein es fand ſich weder Gold noch fernere Hoͤlung darin- nen. Mein Anklaͤger beſtund alſo wie Butter an der Sonnen, und ob er gleich noch viele Winckel- Hoͤltzer machen wolte, ſo kehrete ſich dennoch der Biſchoff nicht im geringſten daran, ſondern that zu meiner, und aller Menſchen groͤßten Verwunderung dieſen unerwarteten Ausſpruch: Hoͤret mein Freund! alſo redete er meinen Anklaͤger an, es er- hellet aus allen Umſtaͤnden, daß ihr ein unerſaͤttli- cher Geitzhals, und mit dem Schatze, den euch die- ſer ehrliche Kerl eingeliefert, aus keiner andern Ur- ſache nicht zufrieden ſeyd, als weil ihr euch verbun- den geſehen, ihm ehrenthalber ein anſehnliches Ge- ſchenck davon zu geben, jedoch ich werde dieſerwegen ſprechen, was Rechtens iſt: Es werde dieſe Summe in drey gleiche Theile getheilet, der erſte Theil ge- buͤhrt vor allen Dingen dem heil. Bonifacio, der die gantze Summe ſeit ſo langen Jahren, in den ge- faͤhrlichen Kriegs-Laͤufften vor den Raub-Klauen der Frantzoͤſiſchen Soldaten, vor den langen Fin- gern der Diebe, vor Feuer, Waſſer und andern Un- gluͤcke ſicher erhalten hat. Der andere Theil koͤmmt von Rechtswegen dem Hauswirthe zu, der dritte a- ber ohne allen Streit dem gluͤckſeligen Finder des Schatzes, und ſchadet hierbey gar nichts, daß er ſei- nem eigenen Geſtaͤndniſſe nach ein Ketzer iſt, denn man muß die Treue und Redlichkeit, als eine von den vornehmſten Haupt-Tugenden, auch in den Feinden belohnen. Es fehlete wenig, mein An- klaͤger waͤre uͤber dieſen Urtheils-Spruch in Ohn- macht

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/352>, abgerufen am 22.11.2024.