Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

Bild:
<< vorherige Seite

Knabe von 14. Jahren war. Wir sämtlichen
Erben haben zwar nach der Zeit rund um das heil.
Bild herum gesucht, aber nichts gefunden, bis es
dieser diebische Ketzer endlich entdeckt, und mehr als
die Helffte davon genommen hat. Gerechter
Himmel! rief ich hierauf aus, ists wohl möglich,
daß in einer so kleinen Hölung mehr als so viel Du-
cat
en Raum haben? man lasse das Bild zerthei-
len und nachsehen, ob sich vielleicht noch mehr ge-
heime Oeffnungen darinnen finden, ich bezeuge
nochmahls vor allen dem, was heilig ist, daß mir
nicht mehr als 632. Gold-Stücke zu handen kom-
men sind, kan auch unmöglich glauben, daß etwa
ein oder etliche Stück auf dem Boden des Zim-
mers sich verlauffen hätten, denn es ist alles glatt,
eben und ohne Löcher. Der Bischoff betrachtete
hierauf das Bild etwas genauer, und befand, daß
die weiteste Hölung, in der Brust desselben war,
von der Scheitel aber ging ein Loch herunter, der-
gleichen in den Spar-Büchsen zu seyn pfleget, wel-
ches zu alleroberst sehr dünne und mit gelben
Wachs voll gegossen war. Derowegen ließ er al-
les Wachs heraus schmeltzen, das Bild im Bruche
ordentlich auf einander setzen, und die 632. Stück
Ducaten, einen nach den andern, hinein zehlen.
Da dieses geschehen, das Loch aber noch nicht
erfüllet war, mußte sein Schatz-Meister einen
grossen Beutel mit Cremnitzer Ducaten herbey
bringen, deren etliche gezeichnet und hinein gesteckt
wurden, allein da der Schatz-Meister den drey-
zehenden Ducaten hinein gesteckt, war das Loch
schon bis oben angefüllet. Nachhero mußte mein

Mei-
II. Theil. y

Knabe von 14. Jahren war. Wir ſaͤmtlichen
Erben haben zwar nach der Zeit rund um das heil.
Bild herum geſucht, aber nichts gefunden, bis es
dieſer diebiſche Ketzer endlich entdeckt, und mehr als
die Helffte davon genommen hat. Gerechter
Himmel! rief ich hierauf aus, iſts wohl moͤglich,
daß in einer ſo kleinen Hoͤlung mehr als ſo viel Du-
cat
en Raum haben? man laſſe das Bild zerthei-
len und nachſehen, ob ſich vielleicht noch mehr ge-
heime Oeffnungen darinnen finden, ich bezeuge
nochmahls vor allen dem, was heilig iſt, daß mir
nicht mehr als 632. Gold-Stuͤcke zu handen kom-
men ſind, kan auch unmoͤglich glauben, daß etwa
ein oder etliche Stuͤck auf dem Boden des Zim-
mers ſich verlauffen haͤtten, denn es iſt alles glatt,
eben und ohne Loͤcher. Der Biſchoff betrachtete
hierauf das Bild etwas genauer, und befand, daß
die weiteſte Hoͤlung, in der Bruſt deſſelben war,
von der Scheitel aber ging ein Loch herunter, der-
gleichen in den Spar-Buͤchſen zu ſeyn pfleget, wel-
ches zu alleroberſt ſehr duͤnne und mit gelben
Wachs voll gegoſſen war. Derowegen ließ er al-
les Wachs heraus ſchmeltzen, das Bild im Bruche
ordentlich auf einander ſetzen, und die 632. Stuͤck
Ducaten, einen nach den andern, hinein zehlen.
Da dieſes geſchehen, das Loch aber noch nicht
erfuͤllet war, mußte ſein Schatz-Meiſter einen
groſſen Beutel mit Cremnitzer Ducaten herbey
bringen, deren etliche gezeichnet und hinein geſteckt
wurden, allein da der Schatz-Meiſter den drey-
zehenden Ducaten hinein geſteckt, war das Loch
ſchon bis oben angefuͤllet. Nachhero mußte mein

Mei-
II. Theil. y
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0351" n="337"/>
Knabe von 14. Jahren war. Wir &#x017F;a&#x0364;mtlichen<lb/>
Erben haben zwar nach der Zeit rund um das heil.<lb/>
Bild herum ge&#x017F;ucht, aber nichts gefunden, bis es<lb/>
die&#x017F;er diebi&#x017F;che Ketzer endlich entdeckt, und mehr als<lb/>
die Helffte davon genommen hat. Gerechter<lb/>
Himmel! rief ich hierauf aus, i&#x017F;ts wohl mo&#x0364;glich,<lb/>
daß in einer &#x017F;o kleinen Ho&#x0364;lung mehr als &#x017F;o viel <hi rendition="#aq">Du-<lb/>
cat</hi>en Raum haben? man la&#x017F;&#x017F;e das Bild zerthei-<lb/>
len und nach&#x017F;ehen, ob &#x017F;ich vielleicht noch mehr ge-<lb/>
heime Oeffnungen darinnen finden, ich bezeuge<lb/>
nochmahls vor allen dem, was heilig i&#x017F;t, daß mir<lb/>
nicht mehr als 632. Gold-Stu&#x0364;cke zu handen kom-<lb/>
men &#x017F;ind, kan auch unmo&#x0364;glich glauben, daß etwa<lb/>
ein oder etliche Stu&#x0364;ck auf dem Boden des Zim-<lb/>
mers &#x017F;ich verlauffen ha&#x0364;tten, denn es i&#x017F;t alles glatt,<lb/>
eben und ohne Lo&#x0364;cher. Der Bi&#x017F;choff betrachtete<lb/>
hierauf das Bild etwas genauer, und befand, daß<lb/>
die weite&#x017F;te Ho&#x0364;lung, in der Bru&#x017F;t de&#x017F;&#x017F;elben war,<lb/>
von der Scheitel aber ging ein Loch herunter, der-<lb/>
gleichen in den Spar-Bu&#x0364;ch&#x017F;en zu &#x017F;eyn pfleget, wel-<lb/>
ches zu allerober&#x017F;t &#x017F;ehr du&#x0364;nne und mit gelben<lb/>
Wachs voll gego&#x017F;&#x017F;en war. Derowegen ließ er al-<lb/>
les Wachs heraus &#x017F;chmeltzen, das Bild im Bruche<lb/>
ordentlich auf einander &#x017F;etzen, und die 632. Stu&#x0364;ck<lb/><hi rendition="#aq">Ducat</hi>en, einen nach den andern, hinein zehlen.<lb/>
Da die&#x017F;es ge&#x017F;chehen, das Loch aber noch nicht<lb/>
erfu&#x0364;llet war, mußte &#x017F;ein Schatz-Mei&#x017F;ter einen<lb/>
gro&#x017F;&#x017F;en Beutel mit Cremnitzer <hi rendition="#aq">Ducat</hi>en herbey<lb/>
bringen, deren etliche gezeichnet und hinein ge&#x017F;teckt<lb/>
wurden, allein da der Schatz-Mei&#x017F;ter den drey-<lb/>
zehenden <hi rendition="#aq">Ducat</hi>en hinein ge&#x017F;teckt, war das Loch<lb/>
&#x017F;chon bis oben angefu&#x0364;llet. Nachhero mußte mein<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">II.</hi><hi rendition="#fr">Theil.</hi> y</fw><fw place="bottom" type="catch">Mei-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[337/0351] Knabe von 14. Jahren war. Wir ſaͤmtlichen Erben haben zwar nach der Zeit rund um das heil. Bild herum geſucht, aber nichts gefunden, bis es dieſer diebiſche Ketzer endlich entdeckt, und mehr als die Helffte davon genommen hat. Gerechter Himmel! rief ich hierauf aus, iſts wohl moͤglich, daß in einer ſo kleinen Hoͤlung mehr als ſo viel Du- caten Raum haben? man laſſe das Bild zerthei- len und nachſehen, ob ſich vielleicht noch mehr ge- heime Oeffnungen darinnen finden, ich bezeuge nochmahls vor allen dem, was heilig iſt, daß mir nicht mehr als 632. Gold-Stuͤcke zu handen kom- men ſind, kan auch unmoͤglich glauben, daß etwa ein oder etliche Stuͤck auf dem Boden des Zim- mers ſich verlauffen haͤtten, denn es iſt alles glatt, eben und ohne Loͤcher. Der Biſchoff betrachtete hierauf das Bild etwas genauer, und befand, daß die weiteſte Hoͤlung, in der Bruſt deſſelben war, von der Scheitel aber ging ein Loch herunter, der- gleichen in den Spar-Buͤchſen zu ſeyn pfleget, wel- ches zu alleroberſt ſehr duͤnne und mit gelben Wachs voll gegoſſen war. Derowegen ließ er al- les Wachs heraus ſchmeltzen, das Bild im Bruche ordentlich auf einander ſetzen, und die 632. Stuͤck Ducaten, einen nach den andern, hinein zehlen. Da dieſes geſchehen, das Loch aber noch nicht erfuͤllet war, mußte ſein Schatz-Meiſter einen groſſen Beutel mit Cremnitzer Ducaten herbey bringen, deren etliche gezeichnet und hinein geſteckt wurden, allein da der Schatz-Meiſter den drey- zehenden Ducaten hinein geſteckt, war das Loch ſchon bis oben angefuͤllet. Nachhero mußte mein Mei- II. Theil. y

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/351
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/351>, abgerufen am 22.11.2024.