Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

Bild:
<< vorherige Seite

übertroffen wurde, derowegen war er so wohl als
ich, gantz ausser sich selbst gesetzt, ja wir wußten vor
Verwunderung, Freude und Schrecken nicht, was
wir reden oder gedencken solten. Der Gast saß in-
zwischen mit gefaltenen Händen auf seinem Stuhle
gantz stille, da aber mein Principal und ich, uns an
der wunderbaren Veränderung nicht satt sehen kon-
ten, unterbrach er endlich das Stillschweigen, und
sagte mit einer gelassenen Mine: Wie nun, mein
Herr! werdet ihr auch nunmehro euren letzthin ge-
schriebenen Tractat wiederrufen, oder ihn zum we-
nigsten verbessern? Ach ja! mein allerwerthester
Freund, versetzte mein Principal, ich werde in Zu-
kunfft entweder klügere Sachen, oder gar nichts
mehr schreiben. Thut was ihr wollet, sagte der
Fremde, voritzo aber erlaubet mir, daß ich mit euch
beyden ein wenig ins Feld spatziren gehe, denn die
Bewegung ist nach der Mahlzeit meine beste Sache.
Mein Principal war bereit seinem unvergleichlichen
Gaste alle Gefälligkeit zu erweisen, gieng derowegen
in ein anderes Zimmer, um bessere Kleider anzuzie-
hen. Jmmittelst that ich meinen Mund auf, und
sagte zu dem Fremden: Mein Herr! ihr habt eure
Kunst besser und aufrichtiger gezeigt als mein Mei-
ster Elias Artista, welcher mich eben allhier in die-
sem Hause vor wenig Jahren aufs allerschändlichste
betrogen, und um ein schönes Stücke Geld gebracht
hat. Mein Sohn! gab er zur Antwort, ihr seyd
sehr übel berichtet, denn der wahrhaffte Elias Arti-
sta,
welcher mein eigener Lehr-Meister gewesen, ist
bereits vor etliche 20. Jahren den Weg aller Welt
gegangen, und von mir in aller Stille, auf sein eige-

nes

uͤbertroffen wurde, derowegen war er ſo wohl als
ich, gantz auſſer ſich ſelbſt geſetzt, ja wir wußten vor
Verwunderung, Freude und Schrecken nicht, was
wir reden oder gedencken ſolten. Der Gaſt ſaß in-
zwiſchen mit gefaltenen Haͤnden auf ſeinem Stuhle
gantz ſtille, da aber mein Principal und ich, uns an
der wunderbaren Veraͤnderung nicht ſatt ſehen kon-
ten, unterbrach er endlich das Stillſchweigen, und
ſagte mit einer gelaſſenen Mine: Wie nun, mein
Herr! werdet ihr auch nunmehro euren letzthin ge-
ſchriebenen Tractat wiederrufen, oder ihn zum we-
nigſten verbeſſern? Ach ja! mein allerwertheſter
Freund, verſetzte mein Principal, ich werde in Zu-
kunfft entweder kluͤgere Sachen, oder gar nichts
mehr ſchreiben. Thut was ihr wollet, ſagte der
Fremde, voritzo aber erlaubet mir, daß ich mit euch
beyden ein wenig ins Feld ſpatziren gehe, denn die
Bewegung iſt nach der Mahlzeit meine beſte Sache.
Mein Principal war bereit ſeinem unvergleichlichen
Gaſte alle Gefaͤlligkeit zu erweiſen, gieng derowegen
in ein anderes Zimmer, um beſſere Kleider anzuzie-
hen. Jmmittelſt that ich meinen Mund auf, und
ſagte zu dem Fremden: Mein Herr! ihr habt eure
Kunſt beſſer und aufrichtiger gezeigt als mein Mei-
ſter Elias Artiſta, welcher mich eben allhier in die-
ſem Hauſe vor wenig Jahren aufs allerſchaͤndlichſte
betrogen, und um ein ſchoͤnes Stuͤcke Geld gebracht
hat. Mein Sohn! gab er zur Antwort, ihr ſeyd
ſehr uͤbel berichtet, denn der wahrhaffte Elias Arti-
ſta,
welcher mein eigener Lehr-Meiſter geweſen, iſt
bereits vor etliche 20. Jahren den Weg aller Welt
gegangen, und von mir in aller Stille, auf ſein eige-

nes
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0308" n="294"/>
u&#x0364;bertroffen wurde, derowegen war er &#x017F;o wohl als<lb/>
ich, gantz au&#x017F;&#x017F;er &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t ge&#x017F;etzt, ja wir wußten vor<lb/>
Verwunderung, Freude und Schrecken nicht, was<lb/>
wir reden oder gedencken &#x017F;olten. Der Ga&#x017F;t &#x017F;aß in-<lb/>
zwi&#x017F;chen mit gefaltenen Ha&#x0364;nden auf &#x017F;einem Stuhle<lb/>
gantz &#x017F;tille, da aber mein <hi rendition="#aq">Principal</hi> und ich, uns an<lb/>
der wunderbaren Vera&#x0364;nderung nicht &#x017F;att &#x017F;ehen kon-<lb/>
ten, unterbrach er endlich das Still&#x017F;chweigen, und<lb/>
&#x017F;agte mit einer gela&#x017F;&#x017F;enen <hi rendition="#aq">Mine:</hi> Wie nun, mein<lb/>
Herr! werdet ihr auch nunmehro euren letzthin ge-<lb/>
&#x017F;chriebenen <hi rendition="#aq">Tractat</hi> wiederrufen, oder ihn zum we-<lb/>
nig&#x017F;ten verbe&#x017F;&#x017F;ern? Ach ja! mein allerwerthe&#x017F;ter<lb/>
Freund, ver&#x017F;etzte mein <hi rendition="#aq">Principal,</hi> ich werde in Zu-<lb/>
kunfft entweder klu&#x0364;gere Sachen, oder gar nichts<lb/>
mehr &#x017F;chreiben. Thut was ihr wollet, &#x017F;agte der<lb/>
Fremde, voritzo aber erlaubet mir, daß ich mit euch<lb/>
beyden ein wenig ins Feld &#x017F;patziren gehe, denn die<lb/>
Bewegung i&#x017F;t nach der Mahlzeit meine be&#x017F;te Sache.<lb/>
Mein <hi rendition="#aq">Principal</hi> war bereit &#x017F;einem unvergleichlichen<lb/>
Ga&#x017F;te alle Gefa&#x0364;lligkeit zu erwei&#x017F;en, gieng derowegen<lb/>
in ein anderes Zimmer, um be&#x017F;&#x017F;ere Kleider anzuzie-<lb/>
hen. Jmmittel&#x017F;t that ich meinen Mund auf, und<lb/>
&#x017F;agte zu dem Fremden: Mein Herr! ihr habt eure<lb/>
Kun&#x017F;t be&#x017F;&#x017F;er und aufrichtiger gezeigt als mein Mei-<lb/>
&#x017F;ter <hi rendition="#aq">Elias Arti&#x017F;ta,</hi> welcher mich eben allhier in die-<lb/>
&#x017F;em Hau&#x017F;e vor wenig Jahren aufs aller&#x017F;cha&#x0364;ndlich&#x017F;te<lb/>
betrogen, und um ein &#x017F;cho&#x0364;nes Stu&#x0364;cke Geld gebracht<lb/>
hat. Mein Sohn! gab er zur Antwort, ihr &#x017F;eyd<lb/>
&#x017F;ehr u&#x0364;bel berichtet, denn der wahrhaffte <hi rendition="#aq">Elias Arti-<lb/>
&#x017F;ta,</hi> welcher mein eigener Lehr-Mei&#x017F;ter gewe&#x017F;en, i&#x017F;t<lb/>
bereits vor etliche 20. Jahren den Weg aller Welt<lb/>
gegangen, und von mir in aller Stille, auf &#x017F;ein eige-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nes</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[294/0308] uͤbertroffen wurde, derowegen war er ſo wohl als ich, gantz auſſer ſich ſelbſt geſetzt, ja wir wußten vor Verwunderung, Freude und Schrecken nicht, was wir reden oder gedencken ſolten. Der Gaſt ſaß in- zwiſchen mit gefaltenen Haͤnden auf ſeinem Stuhle gantz ſtille, da aber mein Principal und ich, uns an der wunderbaren Veraͤnderung nicht ſatt ſehen kon- ten, unterbrach er endlich das Stillſchweigen, und ſagte mit einer gelaſſenen Mine: Wie nun, mein Herr! werdet ihr auch nunmehro euren letzthin ge- ſchriebenen Tractat wiederrufen, oder ihn zum we- nigſten verbeſſern? Ach ja! mein allerwertheſter Freund, verſetzte mein Principal, ich werde in Zu- kunfft entweder kluͤgere Sachen, oder gar nichts mehr ſchreiben. Thut was ihr wollet, ſagte der Fremde, voritzo aber erlaubet mir, daß ich mit euch beyden ein wenig ins Feld ſpatziren gehe, denn die Bewegung iſt nach der Mahlzeit meine beſte Sache. Mein Principal war bereit ſeinem unvergleichlichen Gaſte alle Gefaͤlligkeit zu erweiſen, gieng derowegen in ein anderes Zimmer, um beſſere Kleider anzuzie- hen. Jmmittelſt that ich meinen Mund auf, und ſagte zu dem Fremden: Mein Herr! ihr habt eure Kunſt beſſer und aufrichtiger gezeigt als mein Mei- ſter Elias Artiſta, welcher mich eben allhier in die- ſem Hauſe vor wenig Jahren aufs allerſchaͤndlichſte betrogen, und um ein ſchoͤnes Stuͤcke Geld gebracht hat. Mein Sohn! gab er zur Antwort, ihr ſeyd ſehr uͤbel berichtet, denn der wahrhaffte Elias Arti- ſta, welcher mein eigener Lehr-Meiſter geweſen, iſt bereits vor etliche 20. Jahren den Weg aller Welt gegangen, und von mir in aller Stille, auf ſein eige- nes

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/308
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/308>, abgerufen am 09.05.2024.