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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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hinlängliche Zehrung nehmen könten, hätte er allen
seinen Verstand angewendet, die Sache auf einen
guten Fuß zu setzen.

Und also erfuhr ich aus offenhertziger Erzehlung,
daß mein Compagnon ein Spitz-Bube sey, der des
Nachts mit größter Lebens-Gefahr sich an einem
Seile durch den Schornstein in das Laboratori-
um,
welches der Principal iederzeit selbst verschloß
und versiegelte, hinunter ließ, die unanständigen
Materialien aus den Gefäßen heraus, und davor
hinein schüttete, was ihm beliebte, und zu seinem
Betruge dienlich war. Jch erstaunete gewaltig über
dergleichen Bosheit, ließ mich aber gegen ihm nichts
mercken, sondern forschete mit aller verstellten Treu-
hertzigkeit so lange, bis er gestund, daß sein völliger
Vorsatz wäre, mit den zu hoffen habenden 12000.
Ducaten, nebst mir, nach Franckreich, Spanien
oder Portugall zu seegeln. Meine Redlichkeit und
der Abscheu vor dem Diebstahle war noch nicht er-
storben, weil auch über dieses bey so desperaten
Unternehmen, der Galgen immerfort vor meinen
Augen schwebete, überlegte ich die gantze Sache
etliche Tage und Nachte lang sehr wohl. Den
Compagnon zu bekehren, schien eine vergebliche
Sache zu seyn, von dem, durch Spitz-Büberey
erworbenen Gelde, hatte ich selbst schon eine starcke
Summe participiret, derowegen fassete den Schluß,
mein Gewissen und Hände zu reinigen, und dem
Principal, der ein sehr gütiger Herr war, vor fer-
nern Unglück zu warnen. Zu allem Glücke wur-
de mein Compagnon nach Londen verschickt, dero-
wegen ergriff ich die schöne Gelegenheit mit beyden

Hän-

hinlaͤngliche Zehrung nehmen koͤnten, haͤtte er allen
ſeinen Verſtand angewendet, die Sache auf einen
guten Fuß zu ſetzen.

Und alſo erfuhr ich aus offenhertziger Erzehlung,
daß mein Compagnon ein Spitz-Bube ſey, der des
Nachts mit groͤßter Lebens-Gefahr ſich an einem
Seile durch den Schornſtein in das Laboratori-
um,
welches der Principal iederzeit ſelbſt verſchloß
und verſiegelte, hinunter ließ, die unanſtaͤndigen
Materialien aus den Gefaͤßen heraus, und davor
hinein ſchuͤttete, was ihm beliebte, und zu ſeinem
Betruge dienlich war. Jch erſtaunete gewaltig uͤber
dergleichen Bosheit, ließ mich aber gegen ihm nichts
mercken, ſondern forſchete mit aller verſtellten Treu-
hertzigkeit ſo lange, bis er geſtund, daß ſein voͤlliger
Vorſatz waͤre, mit den zu hoffen habenden 12000.
Ducaten, nebſt mir, nach Franckreich, Spanien
oder Portugall zu ſeegeln. Meine Redlichkeit und
der Abſcheu vor dem Diebſtahle war noch nicht er-
ſtorben, weil auch uͤber dieſes bey ſo deſperaten
Unternehmen, der Galgen immerfort vor meinen
Augen ſchwebete, uͤberlegte ich die gantze Sache
etliche Tage und Nachte lang ſehr wohl. Den
Compagnon zu bekehren, ſchien eine vergebliche
Sache zu ſeyn, von dem, durch Spitz-Buͤberey
erworbenen Gelde, hatte ich ſelbſt ſchon eine ſtarcke
Summe participiret, derowegen faſſete den Schluß,
mein Gewiſſen und Haͤnde zu reinigen, und dem
Principal, der ein ſehr guͤtiger Herr war, vor fer-
nern Ungluͤck zu warnen. Zu allem Gluͤcke wur-
de mein Compagnon nach Londen verſchickt, dero-
wegen ergriff ich die ſchoͤne Gelegenheit mit beyden

Haͤn-
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[286/0300] hinlaͤngliche Zehrung nehmen koͤnten, haͤtte er allen ſeinen Verſtand angewendet, die Sache auf einen guten Fuß zu ſetzen. Und alſo erfuhr ich aus offenhertziger Erzehlung, daß mein Compagnon ein Spitz-Bube ſey, der des Nachts mit groͤßter Lebens-Gefahr ſich an einem Seile durch den Schornſtein in das Laboratori- um, welches der Principal iederzeit ſelbſt verſchloß und verſiegelte, hinunter ließ, die unanſtaͤndigen Materialien aus den Gefaͤßen heraus, und davor hinein ſchuͤttete, was ihm beliebte, und zu ſeinem Betruge dienlich war. Jch erſtaunete gewaltig uͤber dergleichen Bosheit, ließ mich aber gegen ihm nichts mercken, ſondern forſchete mit aller verſtellten Treu- hertzigkeit ſo lange, bis er geſtund, daß ſein voͤlliger Vorſatz waͤre, mit den zu hoffen habenden 12000. Ducaten, nebſt mir, nach Franckreich, Spanien oder Portugall zu ſeegeln. Meine Redlichkeit und der Abſcheu vor dem Diebſtahle war noch nicht er- ſtorben, weil auch uͤber dieſes bey ſo deſperaten Unternehmen, der Galgen immerfort vor meinen Augen ſchwebete, uͤberlegte ich die gantze Sache etliche Tage und Nachte lang ſehr wohl. Den Compagnon zu bekehren, ſchien eine vergebliche Sache zu ſeyn, von dem, durch Spitz-Buͤberey erworbenen Gelde, hatte ich ſelbſt ſchon eine ſtarcke Summe participiret, derowegen faſſete den Schluß, mein Gewiſſen und Haͤnde zu reinigen, und dem Principal, der ein ſehr guͤtiger Herr war, vor fer- nern Ungluͤck zu warnen. Zu allem Gluͤcke wur- de mein Compagnon nach Londen verſchickt, dero- wegen ergriff ich die ſchoͤne Gelegenheit mit beyden Haͤn-

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/300>, abgerufen am 22.11.2024.