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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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Wenn ich erzehlen solte, wie mir in folgender Nacht
zu Muthe gewesen, und welcher gestalt meine Affe-
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en und Gedancken durch einander her gegangen, so
müßte mehr als einen Tag Zeit darzu haben. Kurtz!
ich bleibe fast darbey, daß mein gantzer Verstand be-
zaubert worden. Die Vermahnungen meines ster-
benden Vaters, zerschmoltzen wie Butter an der
Sonnen, und wie sehr ich sonsten auf die betrügeri-
schen Alchymisten erbittert gewesen, so sehr wünschte
ich nunmehro den wunder-vollen Elias und den from-
men Elisaeum zu umarmen, an die Abreise aber wur-
de gar im geringsten nicht gedacht.

Etwa zwey Stunden, nachdem ich von meinem
Lager aufgestanden, stellete sich der so sehnlich ge-
wünschte Elisaeus ein, fragte gantz devot, ob ich
wohl geruhet und Belieben hätte ihm zu folgen.
Derowegen warff ich mit erfreuten Hertzen, in größ-
ter Geschwindigkeit, meinen Mantel um mich, und
folgete meinem Führer, welcher sich durchaus nicht
erbitten ließ, etwas von meinem delicaten Früh-
Stücke einzunehmen, indem er einen halben Fast-
Tag zu haben vorschützte. Er führete mich jenseit
der Stadt ebenfalls in ein kleines Häuslein, allwo
ein etliche 40. Jahr alt scheinender Mann, in der
Stube herum ging, und mich ohne besondere Ce-
remoni
en willkommen hieß. Selbiger redete erst-
lich weiter nichts, Elisaeus aber fing einen sonder-
baren geistlichen Discours an, worinnen er die ver-
meinte göttliche Kunst, bis in den Himmel erhub,
und beyläuffig den gegenwärtigen so genannten
Elias, noch höher als alle heilige Propheten und
Evangelisten erhub, endlich gab er zu vernehmen,

wie
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Wenn ich erzehlen ſolte, wie mir in folgender Nacht
zu Muthe geweſen, und welcher geſtalt meine Affe-
ct
en und Gedancken durch einander her gegangen, ſo
muͤßte mehr als einen Tag Zeit darzu haben. Kurtz!
ich bleibe faſt darbey, daß mein gantzer Verſtand be-
zaubert worden. Die Vermahnungen meines ſter-
benden Vaters, zerſchmoltzen wie Butter an der
Sonnen, und wie ſehr ich ſonſten auf die betruͤgeri-
ſchen Alchymiſten erbittert geweſen, ſo ſehr wuͤnſchte
ich nunmehro den wunder-vollen Elias und den from-
men Eliſæum zu umarmen, an die Abreiſe aber wur-
de gar im geringſten nicht gedacht.

Etwa zwey Stunden, nachdem ich von meinem
Lager aufgeſtanden, ſtellete ſich der ſo ſehnlich ge-
wuͤnſchte Eliſæus ein, fragte gantz devot, ob ich
wohl geruhet und Belieben haͤtte ihm zu folgen.
Derowegen warff ich mit erfreuten Hertzen, in groͤß-
ter Geſchwindigkeit, meinen Mantel um mich, und
folgete meinem Fuͤhrer, welcher ſich durchaus nicht
erbitten ließ, etwas von meinem delicaten Fruͤh-
Stuͤcke einzunehmen, indem er einen halben Faſt-
Tag zu haben vorſchuͤtzte. Er fuͤhrete mich jenſeit
der Stadt ebenfalls in ein kleines Haͤuslein, allwo
ein etliche 40. Jahr alt ſcheinender Mann, in der
Stube herum ging, und mich ohne beſondere Ce-
remoni
en willkommen hieß. Selbiger redete erſt-
lich weiter nichts, Eliſæus aber fing einen ſonder-
baren geiſtlichen Diſcours an, worinnen er die ver-
meinte goͤttliche Kunſt, bis in den Himmel erhub,
und beylaͤuffig den gegenwaͤrtigen ſo genannten
Elias, noch hoͤher als alle heilige Propheten und
Evangeliſten erhub, endlich gab er zu vernehmen,

wie
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[263/0277] Wenn ich erzehlen ſolte, wie mir in folgender Nacht zu Muthe geweſen, und welcher geſtalt meine Affe- cten und Gedancken durch einander her gegangen, ſo muͤßte mehr als einen Tag Zeit darzu haben. Kurtz! ich bleibe faſt darbey, daß mein gantzer Verſtand be- zaubert worden. Die Vermahnungen meines ſter- benden Vaters, zerſchmoltzen wie Butter an der Sonnen, und wie ſehr ich ſonſten auf die betruͤgeri- ſchen Alchymiſten erbittert geweſen, ſo ſehr wuͤnſchte ich nunmehro den wunder-vollen Elias und den from- men Eliſæum zu umarmen, an die Abreiſe aber wur- de gar im geringſten nicht gedacht. Etwa zwey Stunden, nachdem ich von meinem Lager aufgeſtanden, ſtellete ſich der ſo ſehnlich ge- wuͤnſchte Eliſæus ein, fragte gantz devot, ob ich wohl geruhet und Belieben haͤtte ihm zu folgen. Derowegen warff ich mit erfreuten Hertzen, in groͤß- ter Geſchwindigkeit, meinen Mantel um mich, und folgete meinem Fuͤhrer, welcher ſich durchaus nicht erbitten ließ, etwas von meinem delicaten Fruͤh- Stuͤcke einzunehmen, indem er einen halben Faſt- Tag zu haben vorſchuͤtzte. Er fuͤhrete mich jenſeit der Stadt ebenfalls in ein kleines Haͤuslein, allwo ein etliche 40. Jahr alt ſcheinender Mann, in der Stube herum ging, und mich ohne beſondere Ce- remonien willkommen hieß. Selbiger redete erſt- lich weiter nichts, Eliſæus aber fing einen ſonder- baren geiſtlichen Diſcours an, worinnen er die ver- meinte goͤttliche Kunſt, bis in den Himmel erhub, und beylaͤuffig den gegenwaͤrtigen ſo genannten Elias, noch hoͤher als alle heilige Propheten und Evangeliſten erhub, endlich gab er zu vernehmen, wie r 4

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/277>, abgerufen am 09.05.2024.