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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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heit gewesen. Die wenigen Scripturen, so unter
meinem Haupt-Küssen liegen, verbrenne viel lie-
ber, als daß du dich selbst, oder deinen Neben-Chri-
sten zu der betrüglichen Kunst, ich meyne die Alchy-
mie,
verleiten lässest. Deiner vollkommenen
kindlichen Liebe bin ich mehr als zu viel versichert,
dieses ist auch mein eintziges zeitliches Vergnügen,
so ich noch vor meinem Ende empfinde und GOtt
hertzlich davor dancke, dieserwegen will ich auch al-
le Sorge vor meinen entseelten Cörper, deiner
Treue eintzig und allein überlassen, und dir den vä-
terlichen Segen ertheilen, welchen GOtt wegen
meiner Busse und Bekehrung bekräfftigen wird,
theile du denselben mit deinen Geschwistern, dafer-
ne sie in der Gottesfurcht stehen, wo nicht, so bleibe
derselbe allein auf deiner Scheitel.

Nach diesen und noch vielen andern treuhertzigen
Vermahnungen empfing ich den väterlichen Se-
gen mit weinenden Augen, hierauf befahl er noch
kürtzlich, was ich meinem Groß-Vater und der
Schwester vermelden solte, bekümmerte sich weiter
aber um keine zeitlichen Dinge, sondern verharrete,
nebst dem Prediger, noch etliche Stunden in eif-
rigem Gebet, bis er endlich bald nach Mitternacht
sanfft und selig einschlief. Jch ließ den entseelten
Cörper, auf Einrathen des redlichen Priesters,
abends in der Stille auf den Gottes-Acker an ei-
nen reputirlichen Ort begraben, bezahlete alle die-
jenigen, welche damit zu thun gehabt, reichlich, nahm
meines Vaters hinterlassenes Geräthe zu mir,
packte selbiges in einen besondern Kasten, und war
willens mit ehester Post zurück an denjenigen Hof

zu

heit geweſen. Die wenigen Scripturen, ſo unter
meinem Haupt-Kuͤſſen liegen, verbrenne viel lie-
ber, als daß du dich ſelbſt, oder deinen Neben-Chri-
ſten zu der betruͤglichen Kunſt, ich meyne die Alchy-
mie,
verleiten laͤſſeſt. Deiner vollkommenen
kindlichen Liebe bin ich mehr als zu viel verſichert,
dieſes iſt auch mein eintziges zeitliches Vergnuͤgen,
ſo ich noch vor meinem Ende empfinde und GOtt
hertzlich davor dancke, dieſerwegen will ich auch al-
le Sorge vor meinen entſeelten Coͤrper, deiner
Treue eintzig und allein uͤberlaſſen, und dir den vaͤ-
terlichen Segen ertheilen, welchen GOtt wegen
meiner Buſſe und Bekehrung bekraͤfftigen wird,
theile du denſelben mit deinen Geſchwiſtern, dafer-
ne ſie in der Gottesfurcht ſtehen, wo nicht, ſo bleibe
derſelbe allein auf deiner Scheitel.

Nach dieſen und noch vielen andern treuhertzigen
Vermahnungen empfing ich den vaͤterlichen Se-
gen mit weinenden Augen, hierauf befahl er noch
kuͤrtzlich, was ich meinem Groß-Vater und der
Schweſter vermelden ſolte, bekuͤmmerte ſich weiter
aber um keine zeitlichen Dinge, ſondern verharrete,
nebſt dem Prediger, noch etliche Stunden in eif-
rigem Gebet, bis er endlich bald nach Mitternacht
ſanfft und ſelig einſchlief. Jch ließ den entſeelten
Coͤrper, auf Einrathen des redlichen Prieſters,
abends in der Stille auf den Gottes-Acker an ei-
nen reputirlichen Ort begraben, bezahlete alle die-
jenigen, welche damit zu thun gehabt, reichlich, nahm
meines Vaters hinterlaſſenes Geraͤthe zu mir,
packte ſelbiges in einen beſondern Kaſten, und war
willens mit eheſter Poſt zuruͤck an denjenigen Hof

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[258/0272] heit geweſen. Die wenigen Scripturen, ſo unter meinem Haupt-Kuͤſſen liegen, verbrenne viel lie- ber, als daß du dich ſelbſt, oder deinen Neben-Chri- ſten zu der betruͤglichen Kunſt, ich meyne die Alchy- mie, verleiten laͤſſeſt. Deiner vollkommenen kindlichen Liebe bin ich mehr als zu viel verſichert, dieſes iſt auch mein eintziges zeitliches Vergnuͤgen, ſo ich noch vor meinem Ende empfinde und GOtt hertzlich davor dancke, dieſerwegen will ich auch al- le Sorge vor meinen entſeelten Coͤrper, deiner Treue eintzig und allein uͤberlaſſen, und dir den vaͤ- terlichen Segen ertheilen, welchen GOtt wegen meiner Buſſe und Bekehrung bekraͤfftigen wird, theile du denſelben mit deinen Geſchwiſtern, dafer- ne ſie in der Gottesfurcht ſtehen, wo nicht, ſo bleibe derſelbe allein auf deiner Scheitel. Nach dieſen und noch vielen andern treuhertzigen Vermahnungen empfing ich den vaͤterlichen Se- gen mit weinenden Augen, hierauf befahl er noch kuͤrtzlich, was ich meinem Groß-Vater und der Schweſter vermelden ſolte, bekuͤmmerte ſich weiter aber um keine zeitlichen Dinge, ſondern verharrete, nebſt dem Prediger, noch etliche Stunden in eif- rigem Gebet, bis er endlich bald nach Mitternacht ſanfft und ſelig einſchlief. Jch ließ den entſeelten Coͤrper, auf Einrathen des redlichen Prieſters, abends in der Stille auf den Gottes-Acker an ei- nen reputirlichen Ort begraben, bezahlete alle die- jenigen, welche damit zu thun gehabt, reichlich, nahm meines Vaters hinterlaſſenes Geraͤthe zu mir, packte ſelbiges in einen beſondern Kaſten, und war willens mit eheſter Poſt zuruͤck an denjenigen Hof zu

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/272>, abgerufen am 09.05.2024.