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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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Jahren nicht empfangen, versehen möchte. Dem-
nach erkundigte ich mich mit allem Fleisse, nach einem
recht exemplarischen Priester, war auch so glücklich
einen solchen anzutreffen, und nachdem ich ihm den
leiblichen und geistlichen gefährlichen Zustand mei-
nes Vaters, als ein besonderes Geheimniß anver-
trauet, ließ er sich gefallen, denselben täglich, wenig-
stens 4. Stunden zu besuchen. Jch weiß nicht ob sich
mein Vater mehr über die Gesellschafft seines Seel-
sorgers, oder dieser über das offenhertzige Bekännt-
niß, wahre Reue, ernstliche Busse und festen Glau-
ben, des bishero verirrt gewesenen Schaafs er-
freuet, genug, ich kan mich nicht erinnern, Zeit Le-
bens zwey vergnügtere Personen gesehen zu haben.
Endlich aber da sich mein Vater wiederum völlig
zur Evangelisch-Lutherischen Religion gewendet,
auch das heil. Abendmahl empfangen hatte, brach
er bey immer mehr und mehr abnehmenden Kräff-
te in Beyseyn des Priesters und meiner, in folgende
Worte aus: GOTT sey gelobet! der mich armen
fast gäntzlich verlohrnen Sünder wieder zu Gna-
der auf und angenommen hat, ja nunmehro weiß
ich gewiß, daß ich von den verguldeten Ketten des
Teufels befreyet bin, und die gewisse Hoffnung ha-
be, ein Erbe der ewigen Seligkeit zu werden. O
du verdammter Gold und Geld Durst! o du ver-
fluchte Begierde! hättest du mich nicht bald mit Leib
und Seele in den ewig brennenden höllischen Schwe-
fel Pfuhl gestürtzt? Ja bey nahe wäre ich aus dem
zeitlichen ins ewige Verderben verfallen. Spieg-
le dich mein Sohn! sprach er zu mir, an meinem
Exempel, und laß dich die zeitlichen Kostbarkeiten,

Künste

Jahren nicht empfangen, verſehen moͤchte. Dem-
nach erkundigte ich mich mit allem Fleiſſe, nach einem
recht exemplariſchen Prieſter, war auch ſo gluͤcklich
einen ſolchen anzutreffen, und nachdem ich ihm den
leiblichen und geiſtlichen gefaͤhrlichen Zuſtand mei-
nes Vaters, als ein beſonderes Geheimniß anver-
trauet, ließ er ſich gefallen, denſelben taͤglich, wenig-
ſtens 4. Stunden zu beſuchen. Jch weiß nicht ob ſich
mein Vater mehr uͤber die Geſellſchafft ſeines Seel-
ſorgers, oder dieſer uͤber das offenhertzige Bekaͤnnt-
niß, wahre Reue, ernſtliche Buſſe und feſten Glau-
ben, des bishero verirrt geweſenen Schaafs er-
freuet, genug, ich kan mich nicht erinnern, Zeit Le-
bens zwey vergnuͤgtere Perſonen geſehen zu haben.
Endlich aber da ſich mein Vater wiederum voͤllig
zur Evangeliſch-Lutheriſchen Religion gewendet,
auch das heil. Abendmahl empfangen hatte, brach
er bey immer mehr und mehr abnehmenden Kraͤff-
te in Beyſeyn des Prieſters und meiner, in folgende
Worte aus: GOTT ſey gelobet! der mich armen
faſt gaͤntzlich verlohrnen Suͤnder wieder zu Gna-
der auf und angenommen hat, ja nunmehro weiß
ich gewiß, daß ich von den verguldeten Ketten des
Teufels befreyet bin, und die gewiſſe Hoffnung ha-
be, ein Erbe der ewigen Seligkeit zu werden. O
du verdammter Gold und Geld Durſt! o du ver-
fluchte Begierde! haͤtteſt du mich nicht bald mit Leib
und Seele in den ewig brennenden hoͤlliſchen Schwe-
fel Pfuhl geſtuͤrtzt? Ja bey nahe waͤre ich aus dem
zeitlichen ins ewige Verderben verfallen. Spieg-
le dich mein Sohn! ſprach er zu mir, an meinem
Exempel, und laß dich die zeitlichen Koſtbarkeiten,

Kuͤnſte
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[256/0270] Jahren nicht empfangen, verſehen moͤchte. Dem- nach erkundigte ich mich mit allem Fleiſſe, nach einem recht exemplariſchen Prieſter, war auch ſo gluͤcklich einen ſolchen anzutreffen, und nachdem ich ihm den leiblichen und geiſtlichen gefaͤhrlichen Zuſtand mei- nes Vaters, als ein beſonderes Geheimniß anver- trauet, ließ er ſich gefallen, denſelben taͤglich, wenig- ſtens 4. Stunden zu beſuchen. Jch weiß nicht ob ſich mein Vater mehr uͤber die Geſellſchafft ſeines Seel- ſorgers, oder dieſer uͤber das offenhertzige Bekaͤnnt- niß, wahre Reue, ernſtliche Buſſe und feſten Glau- ben, des bishero verirrt geweſenen Schaafs er- freuet, genug, ich kan mich nicht erinnern, Zeit Le- bens zwey vergnuͤgtere Perſonen geſehen zu haben. Endlich aber da ſich mein Vater wiederum voͤllig zur Evangeliſch-Lutheriſchen Religion gewendet, auch das heil. Abendmahl empfangen hatte, brach er bey immer mehr und mehr abnehmenden Kraͤff- te in Beyſeyn des Prieſters und meiner, in folgende Worte aus: GOTT ſey gelobet! der mich armen faſt gaͤntzlich verlohrnen Suͤnder wieder zu Gna- der auf und angenommen hat, ja nunmehro weiß ich gewiß, daß ich von den verguldeten Ketten des Teufels befreyet bin, und die gewiſſe Hoffnung ha- be, ein Erbe der ewigen Seligkeit zu werden. O du verdammter Gold und Geld Durſt! o du ver- fluchte Begierde! haͤtteſt du mich nicht bald mit Leib und Seele in den ewig brennenden hoͤlliſchen Schwe- fel Pfuhl geſtuͤrtzt? Ja bey nahe waͤre ich aus dem zeitlichen ins ewige Verderben verfallen. Spieg- le dich mein Sohn! ſprach er zu mir, an meinem Exempel, und laß dich die zeitlichen Koſtbarkeiten, Kuͤnſte

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/270>, abgerufen am 25.11.2024.