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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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gesicht mit vielen heissen Thränen. Er weinete gleich-
falls überlaut, da aber mittlerweile sein Aufwärter
in die Stube trat, wurde derselbe abermahls in die
Stadt geschickt, vor mich eine Bouteille Wein zu
langen. Also blieben wir allein beysammen, und
mein Vater fing an, mir eine ausführliche Erzeh-
lung seiner Glücks und Unglücks-Fälle zu thun, ie-
doch weil ich das meiste bereits gemeldet habe, so
will voritzo nur berichten, daß er auf seiner Flucht von
Schaafhausen, gerades Wegs nach Holland ge-
reiset, und daselbst unter gantz veränderter Tracht,
auch unter dem veränderten Nahmen Plager, etliche
Jahre ziemlich ruhig hingebracht, indem er seiner
Profession eifrig obgelegen, und sich schönes Geld
verdienet. Jedoch der Satan hat aufs neue sein
Spiel, indem er sich zum andernmahle von einem
so genannten Adepto verführen lässet, seine gantze
Baarschafft an die Alchymisterey zu legen, und mit
ihm in Compagnie zu treten. Seinem Bedüncken
nach, gehet der angefangene Process glücklich genug
von statten, da sie aber ehester Tages den erwünsch-
ten Azoth oder Mercurium Philosophorum Ca-
tholicon,
nach welchen ihnen die Schrifften des Welt
bekandten Henrici Kunradi, die Mäuler so trefflich
wäßrich gemacht, mit Augen zu sehen und mit Hän-
den zu greiffen gedencken, zerspringt ohnverhofft ei-
ne Phiole auf dem Feuer, dem Haupt-Artisten aber
springt ein groß Stücke Glas dermassen tieff ins
Auge, daß er etliche Tage hernach elendiglich cre-
pi
ren muß. Solchergestalt fällt der gantze kostba-
re Process auf einmahl in den Quarck, mein Vater
erbet etwas Geld und Mobilien von diesem unglück-

seli-

geſicht mit vielen heiſſen Thraͤnen. Er weinete gleich-
falls uͤberlaut, da aber mittlerweile ſein Aufwaͤrter
in die Stube trat, wurde derſelbe abermahls in die
Stadt geſchickt, vor mich eine Bouteille Wein zu
langen. Alſo blieben wir allein beyſammen, und
mein Vater fing an, mir eine ausfuͤhrliche Erzeh-
lung ſeiner Gluͤcks und Ungluͤcks-Faͤlle zu thun, ie-
doch weil ich das meiſte bereits gemeldet habe, ſo
will voritzo nur berichten, daß er auf ſeiner Flucht von
Schaafhauſen, gerades Wegs nach Holland ge-
reiſet, und daſelbſt unter gantz veraͤnderter Tracht,
auch unter dem veraͤnderten Nahmen Plager, etliche
Jahre ziemlich ruhig hingebracht, indem er ſeiner
Profeſſion eifrig obgelegen, und ſich ſchoͤnes Geld
verdienet. Jedoch der Satan hat aufs neue ſein
Spiel, indem er ſich zum andernmahle von einem
ſo genannten Adepto verfuͤhren laͤſſet, ſeine gantze
Baarſchafft an die Alchymiſterey zu legen, und mit
ihm in Compagnie zu treten. Seinem Beduͤncken
nach, gehet der angefangene Proceſſ gluͤcklich genug
von ſtatten, da ſie aber eheſter Tages den erwuͤnſch-
ten Azoth oder Mercurium Philoſophorum Ca-
tholicon,
nach welchen ihnen die Schrifften des Welt
bekandten Henrici Kunradi, die Maͤuler ſo trefflich
waͤßrich gemacht, mit Augen zu ſehen und mit Haͤn-
den zu greiffen gedencken, zerſpringt ohnverhofft ei-
ne Phiole auf dem Feuer, dem Haupt-Artiſten aber
ſpringt ein groß Stuͤcke Glas dermaſſen tieff ins
Auge, daß er etliche Tage hernach elendiglich cre-
pi
ren muß. Solchergeſtalt faͤllt der gantze koſtba-
re Proceſſ auf einmahl in den Quarck, mein Vater
erbet etwas Geld und Mobilien von dieſem ungluͤck-

ſeli-
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[251/0265] geſicht mit vielen heiſſen Thraͤnen. Er weinete gleich- falls uͤberlaut, da aber mittlerweile ſein Aufwaͤrter in die Stube trat, wurde derſelbe abermahls in die Stadt geſchickt, vor mich eine Bouteille Wein zu langen. Alſo blieben wir allein beyſammen, und mein Vater fing an, mir eine ausfuͤhrliche Erzeh- lung ſeiner Gluͤcks und Ungluͤcks-Faͤlle zu thun, ie- doch weil ich das meiſte bereits gemeldet habe, ſo will voritzo nur berichten, daß er auf ſeiner Flucht von Schaafhauſen, gerades Wegs nach Holland ge- reiſet, und daſelbſt unter gantz veraͤnderter Tracht, auch unter dem veraͤnderten Nahmen Plager, etliche Jahre ziemlich ruhig hingebracht, indem er ſeiner Profeſſion eifrig obgelegen, und ſich ſchoͤnes Geld verdienet. Jedoch der Satan hat aufs neue ſein Spiel, indem er ſich zum andernmahle von einem ſo genannten Adepto verfuͤhren laͤſſet, ſeine gantze Baarſchafft an die Alchymiſterey zu legen, und mit ihm in Compagnie zu treten. Seinem Beduͤncken nach, gehet der angefangene Proceſſ gluͤcklich genug von ſtatten, da ſie aber eheſter Tages den erwuͤnſch- ten Azoth oder Mercurium Philoſophorum Ca- tholicon, nach welchen ihnen die Schrifften des Welt bekandten Henrici Kunradi, die Maͤuler ſo trefflich waͤßrich gemacht, mit Augen zu ſehen und mit Haͤn- den zu greiffen gedencken, zerſpringt ohnverhofft ei- ne Phiole auf dem Feuer, dem Haupt-Artiſten aber ſpringt ein groß Stuͤcke Glas dermaſſen tieff ins Auge, daß er etliche Tage hernach elendiglich cre- piren muß. Solchergeſtalt faͤllt der gantze koſtba- re Proceſſ auf einmahl in den Quarck, mein Vater erbet etwas Geld und Mobilien von dieſem ungluͤck- ſeli-

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/265>, abgerufen am 09.05.2024.