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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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eröffneten, verrichtete ich mein Morgen-Gebet, und
danckte, ohngeacht meiner aufwachenden Schmer-
tzen, dem Allmächtigen, daß er mich, von denen, mir
niemahls anständigen Kriegs-Gurgeln, erlöset, her-
gegen Hoffnung zu einer ruhigern Lebens-Art ver-
liehen hatte. Nachdem die Bäurin aber meine
Verpflegung den gantzen Tag hindurch aufs beste
besorgt, kam die guthertzige Edel-Frau, die pro for-
ma
ihre Länderey zu Fusse besucht hatte, gegen
Abend durch den Garten zu uns, ließ durch die Bäu-
rin, aus ihrem Hofe, einen Korb abholen, in welchem
sich ein schönes Kleid, nebst vieler Wäsche, Büchern
und andern Bedürffnissen befande. Mit diesen
Sachen beschenckte sie mich, und sagte, wie sie geson-
nen, mich künfftige Nacht, durch meinen Wirth
von hier hinweg, und zu einem ihrer Befreundten,
der seine Hofhaltung in Chur-Brandenburgischen
Landen hätte, fahren zu lassen, bey diesem solte ich
mich nur fein stille und fromm verhalten, fleißig be-
ten und lernen, so würde ich keine Noth leiden, viel-
mehr alles Vergnügen finden. Jmmittelst möchte
ich öffters, so gut als ich könte, an sie schreiben und
versichert leben, daß ich so gleich nach dem Ab-
march der Schweden, würde zurück geholet, um
nebst ihren eigenen Kindern behörig auferzogen, und
in allen nöthigen Wissenschafften unterrichtet zu
werden.

Wie hätte eine leibliche Mutter vor ihr eintziges
Kind bessere Sorge tragen und klügere Anstalten
machen können? Jst dieses nicht als ein Exempel der
göttlichen Vorsorge vor arme, sonst von aller Welt
verlassene Wäysen zu erkennen und zu admiriren?

Jedoch

eroͤffneten, verrichtete ich mein Morgen-Gebet, und
danckte, ohngeacht meiner aufwachenden Schmer-
tzen, dem Allmaͤchtigen, daß er mich, von denen, mir
niemahls anſtaͤndigen Kriegs-Gurgeln, erloͤſet, her-
gegen Hoffnung zu einer ruhigern Lebens-Art ver-
liehen hatte. Nachdem die Baͤurin aber meine
Verpflegung den gantzen Tag hindurch aufs beſte
beſorgt, kam die guthertzige Edel-Frau, die pro for-
ma
ihre Laͤnderey zu Fuſſe beſucht hatte, gegen
Abend durch den Garten zu uns, ließ durch die Baͤu-
rin, aus ihrem Hofe, einen Korb abholen, in welchem
ſich ein ſchoͤnes Kleid, nebſt vieler Waͤſche, Buͤchern
und andern Beduͤrffniſſen befande. Mit dieſen
Sachen beſchenckte ſie mich, und ſagte, wie ſie geſon-
nen, mich kuͤnfftige Nacht, durch meinen Wirth
von hier hinweg, und zu einem ihrer Befreundten,
der ſeine Hofhaltung in Chur-Brandenburgiſchen
Landen haͤtte, fahren zu laſſen, bey dieſem ſolte ich
mich nur fein ſtille und fromm verhalten, fleißig be-
ten und lernen, ſo wuͤrde ich keine Noth leiden, viel-
mehr alles Vergnuͤgen finden. Jmmittelſt moͤchte
ich oͤffters, ſo gut als ich koͤnte, an ſie ſchreiben und
verſichert leben, daß ich ſo gleich nach dem Ab-
march der Schweden, wuͤrde zuruͤck geholet, um
nebſt ihren eigenen Kindern behoͤrig auferzogen, und
in allen noͤthigen Wiſſenſchafften unterrichtet zu
werden.

Wie haͤtte eine leibliche Mutter vor ihr eintziges
Kind beſſere Sorge tragen und kluͤgere Anſtalten
machen koͤnnen? Jſt dieſes nicht als ein Exempel der
goͤttlichen Vorſorge vor arme, ſonſt von aller Welt
verlaſſene Waͤyſen zu erkennen und zu admiriren?

Jedoch
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[92/0106] eroͤffneten, verrichtete ich mein Morgen-Gebet, und danckte, ohngeacht meiner aufwachenden Schmer- tzen, dem Allmaͤchtigen, daß er mich, von denen, mir niemahls anſtaͤndigen Kriegs-Gurgeln, erloͤſet, her- gegen Hoffnung zu einer ruhigern Lebens-Art ver- liehen hatte. Nachdem die Baͤurin aber meine Verpflegung den gantzen Tag hindurch aufs beſte beſorgt, kam die guthertzige Edel-Frau, die pro for- ma ihre Laͤnderey zu Fuſſe beſucht hatte, gegen Abend durch den Garten zu uns, ließ durch die Baͤu- rin, aus ihrem Hofe, einen Korb abholen, in welchem ſich ein ſchoͤnes Kleid, nebſt vieler Waͤſche, Buͤchern und andern Beduͤrffniſſen befande. Mit dieſen Sachen beſchenckte ſie mich, und ſagte, wie ſie geſon- nen, mich kuͤnfftige Nacht, durch meinen Wirth von hier hinweg, und zu einem ihrer Befreundten, der ſeine Hofhaltung in Chur-Brandenburgiſchen Landen haͤtte, fahren zu laſſen, bey dieſem ſolte ich mich nur fein ſtille und fromm verhalten, fleißig be- ten und lernen, ſo wuͤrde ich keine Noth leiden, viel- mehr alles Vergnuͤgen finden. Jmmittelſt moͤchte ich oͤffters, ſo gut als ich koͤnte, an ſie ſchreiben und verſichert leben, daß ich ſo gleich nach dem Ab- march der Schweden, wuͤrde zuruͤck geholet, um nebſt ihren eigenen Kindern behoͤrig auferzogen, und in allen noͤthigen Wiſſenſchafften unterrichtet zu werden. Wie haͤtte eine leibliche Mutter vor ihr eintziges Kind beſſere Sorge tragen und kluͤgere Anſtalten machen koͤnnen? Jſt dieſes nicht als ein Exempel der goͤttlichen Vorſorge vor arme, ſonſt von aller Welt verlaſſene Waͤyſen zu erkennen und zu admiriren? Jedoch

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/106>, abgerufen am 27.04.2024.