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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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seinem Busen erzöge, welche ihm mit der Zeit meu-
chelmörderischer weise schaden, oder wohl gar den
Tod anthun könte. Jch wurde demnach, gleich
darauf folgenden Morgen in aller frühe, von Herr
Schwedeken und des Obristen Cammer-Diener,
wegen meiner geführten Reden examinirt, da aber
diese beyden aus Liebe ziemlich gelinde verfuhren,
trat der Obriste, der in einem Neben-Zimmer alles
mit angehöret hatte, selbst hinein, und zwar mit der-
massen ergrimmten Gesichte, daß ich vor Schrecken
in die Erde zu sincken vermeinete. Solchergestalt sa-
he ich mich gezwungen, auf sein zorniges Befragen
alles zu gestehen, was ich gestriges Tages unbedacht-
samer weise heraus geplaudert hatte. Die zuge-
setzten Lügen aber ebenfalls ein zu gestehen, konte
mich kein Mensch bewegen, wie ich denn deßfals im-
mer auf meine Adelichen Zuhörer provocirte, allein
es halff dieses so viel als nichts, hergegen wurde ich
eine Stunde hernach von des Obristen Knechten,
im Pferde Stalle mutternackend ausgezogen, mit
grossen Ruthen bis aufs Blut gepeitscht, und in den
ältesten zerlumpten Kleidern fortgejagt. Jch kon-
te vor grossen Schmertzen nicht weiter kommen, als
bis in eines Bauern Garten, woselbst mich in das
Gepüsche verkroch, und den gantzen Tag über, ohne
Speise und Tranck, sehr unruhig, darinnen ruhete,
da aber gegen die Nacht ein grausames Donner-
Wetter und schrecklicher Platz-Regen einfiel, ging
ich sehr matt und furchtsam, ja mit zitterenden Glie-
dern in das Bauer-Haus hinein, allwo zu meinem
Glücke die zwey darinnen liegenden Schweden nicht
zu Hause, sondern auf etliche Tage aus comman-

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ſeinem Buſen erzoͤge, welche ihm mit der Zeit meu-
chelmoͤrderiſcher weiſe ſchaden, oder wohl gar den
Tod anthun koͤnte. Jch wurde demnach, gleich
darauf folgenden Morgen in aller fruͤhe, von Herr
Schwedeken und des Obriſten Cammer-Diener,
wegen meiner gefuͤhrten Reden examinirt, da aber
dieſe beyden aus Liebe ziemlich gelinde verfuhren,
trat der Obriſte, der in einem Neben-Zimmer alles
mit angehoͤret hatte, ſelbſt hinein, und zwar mit der-
maſſen ergrimmten Geſichte, daß ich vor Schrecken
in die Erde zu ſincken vermeinete. Solchergeſtalt ſa-
he ich mich gezwungen, auf ſein zorniges Befragen
alles zu geſtehen, was ich geſtriges Tages unbedacht-
ſamer weiſe heraus geplaudert hatte. Die zuge-
ſetzten Luͤgen aber ebenfalls ein zu geſtehen, konte
mich kein Menſch bewegen, wie ich denn deßfals im-
mer auf meine Adelichen Zuhoͤrer provocirte, allein
es halff dieſes ſo viel als nichts, hergegen wurde ich
eine Stunde hernach von des Obriſten Knechten,
im Pferde Stalle mutternackend ausgezogen, mit
groſſen Ruthen bis aufs Blut gepeitſcht, und in den
aͤlteſten zerlumpten Kleidern fortgejagt. Jch kon-
te vor groſſen Schmertzen nicht weiter kommen, als
bis in eines Bauern Garten, woſelbſt mich in das
Gepuͤſche verkroch, und den gantzen Tag uͤber, ohne
Speiſe und Tranck, ſehr unruhig, darinnen ruhete,
da aber gegen die Nacht ein grauſames Donner-
Wetter und ſchrecklicher Platz-Regen einfiel, ging
ich ſehr matt und furchtſam, ja mit zitterenden Glie-
dern in das Bauer-Haus hinein, allwo zu meinem
Gluͤcke die zwey darinnen liegenden Schweden nicht
zu Hauſe, ſondern auf etliche Tage aus comman-

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[89/0103] ſeinem Buſen erzoͤge, welche ihm mit der Zeit meu- chelmoͤrderiſcher weiſe ſchaden, oder wohl gar den Tod anthun koͤnte. Jch wurde demnach, gleich darauf folgenden Morgen in aller fruͤhe, von Herr Schwedeken und des Obriſten Cammer-Diener, wegen meiner gefuͤhrten Reden examinirt, da aber dieſe beyden aus Liebe ziemlich gelinde verfuhren, trat der Obriſte, der in einem Neben-Zimmer alles mit angehoͤret hatte, ſelbſt hinein, und zwar mit der- maſſen ergrimmten Geſichte, daß ich vor Schrecken in die Erde zu ſincken vermeinete. Solchergeſtalt ſa- he ich mich gezwungen, auf ſein zorniges Befragen alles zu geſtehen, was ich geſtriges Tages unbedacht- ſamer weiſe heraus geplaudert hatte. Die zuge- ſetzten Luͤgen aber ebenfalls ein zu geſtehen, konte mich kein Menſch bewegen, wie ich denn deßfals im- mer auf meine Adelichen Zuhoͤrer provocirte, allein es halff dieſes ſo viel als nichts, hergegen wurde ich eine Stunde hernach von des Obriſten Knechten, im Pferde Stalle mutternackend ausgezogen, mit groſſen Ruthen bis aufs Blut gepeitſcht, und in den aͤlteſten zerlumpten Kleidern fortgejagt. Jch kon- te vor groſſen Schmertzen nicht weiter kommen, als bis in eines Bauern Garten, woſelbſt mich in das Gepuͤſche verkroch, und den gantzen Tag uͤber, ohne Speiſe und Tranck, ſehr unruhig, darinnen ruhete, da aber gegen die Nacht ein grauſames Donner- Wetter und ſchrecklicher Platz-Regen einfiel, ging ich ſehr matt und furchtſam, ja mit zitterenden Glie- dern in das Bauer-Haus hinein, allwo zu meinem Gluͤcke die zwey darinnen liegenden Schweden nicht zu Hauſe, ſondern auf etliche Tage aus comman- diret f 5

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/103>, abgerufen am 27.04.2024.