3. Welcher unter [un]s weiß die Wege, wo wir hin gedencken, und wer kan nur sagen in welchem Theile der Welt wir uns jetzo befinden? auch wie weit die Reise biß [n]ach Europa ist?
Solche und noch vielmehr dergleichen Fragen die von keinem vernünfftig genung beantwortet wur- den, dieneten weiter zu nichts, als ihnen Verdruß zu erwecken, und den gefasseten Schluß zu befestigen, derowegen gab ich ihnen in allen Stücken nach, und halff den neuen Schiff-Bau anfangen, welcher lang- sam und unglücklich genung von statten gieng, indem der Jndianer Paulus von einem umgehauenen Bau- me plötzlich erschlagen wurde. Dieser war also der erste, welcher allhier von mir begraben wurde.
Jm dritten Sommer, nach angefangener Arbeit, war endlich das Schiff so weit fertig, daß wir selbi- ges in den Fluß, zwischen denen Felsen, allwo es gnug- same Tieffe hatte, einlassen konten. Weiln aber zwey von meinen Lands-Leuten gefährlich kranck darnieder zu liegen kamen, wurde die übrige wenige Arbeit, nebst der Einladung der Güter, biß zu ihrer völligen Genesung versparet.
Meine Gefährten bezeugten allerseits die gröste Freude über die ihrer Meynung nach wohl gerathe- ne Arbeit, allein, ich hatte an dem elenden Wercke nur allzuviel auszusetzen, und nahm mir nebst meinem getreuen Christian ein billiges Bedencken uns dar- auff zu wagen, weil ich bey einer so langwierigen Reise dem Tode entgegen zu lauffen, gantz gewisse Rechnung machen konte.
Jndem aber nicht allein grosse Verdrießlichkeit,
sondern
3. Welcher unter [un]s weiß die Wege, wo wir hin gedencken, und wer kan nur ſagen in welchem Theile der Welt wir uns jetzo befinden? auch wie weit die Reiſe biß [n]ach Europa iſt?
Solche und noch vielmehr dergleichen Fragen die von keinem vernuͤnfftig genung beantwortet wur- den, dieneten weiter zu nichts, als ihnen Verdruß zu erwecken, und den gefaſſeten Schluß zu befeſtigen, derowegen gab ich ihnen in allen Stuͤcken nach, und halff den neuen Schiff-Bau anfangen, welcher lang- ſam und ungluͤcklich genung von ſtatten gieng, indem der Jndianer Paulus von einem umgehauenen Bau- me ploͤtzlich erſchlagen wurde. Dieſer war alſo der erſte, welcher allhier von mir begraben wurde.
Jm dritten Sommer, nach angefangener Arbeit, war endlich das Schiff ſo weit fertig, daß wir ſelbi- ges in den Fluß, zwiſchen denen Felſen, allwo es gnug- ſame Tieffe hatte, einlaſſen konten. Weiln aber zwey von meinen Lands-Leuten gefaͤhrlich kranck darnieder zu liegen kamen, wurde die uͤbrige wenige Arbeit, nebſt der Einladung der Guͤter, biß zu ihrer voͤlligen Geneſung verſparet.
Meine Gefaͤhrten bezeugten allerſeits die groͤſte Freude uͤber die ihrer Meynung nach wohl gerathe- ne Arbeit, allein, ich hatte an dem elenden Wercke nur allzuviel auszuſetzen, und nahm mir nebſt meinem getreuen Chriſtian ein billiges Bedencken uns dar- auff zu wagen, weil ich bey einer ſo langwierigen Reiſe dem Tode entgegen zu lauffen, gantz gewiſſe Rechnung machen konte.
Jndem aber nicht allein groſſe Verdrießlichkeit,
ſondern
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3. Welcher unter uns weiß die Wege, wo wir hin
gedencken, und wer kan nur ſagen in welchem
Theile der Welt wir uns jetzo befinden? auch
wie weit die Reiſe biß nach Europa iſt?
Solche und noch vielmehr dergleichen Fragen die
von keinem vernuͤnfftig genung beantwortet wur-
den, dieneten weiter zu nichts, als ihnen Verdruß zu
erwecken, und den gefaſſeten Schluß zu befeſtigen,
derowegen gab ich ihnen in allen Stuͤcken nach, und
halff den neuen Schiff-Bau anfangen, welcher lang-
ſam und ungluͤcklich genung von ſtatten gieng, indem
der Jndianer Paulus von einem umgehauenen Bau-
me ploͤtzlich erſchlagen wurde. Dieſer war alſo
der erſte, welcher allhier von mir begraben wurde.
Jm dritten Sommer, nach angefangener Arbeit,
war endlich das Schiff ſo weit fertig, daß wir ſelbi-
ges in den Fluß, zwiſchen denen Felſen, allwo es gnug-
ſame Tieffe hatte, einlaſſen konten. Weiln aber
zwey von meinen Lands-Leuten gefaͤhrlich kranck
darnieder zu liegen kamen, wurde die uͤbrige wenige
Arbeit, nebſt der Einladung der Guͤter, biß zu ihrer
voͤlligen Geneſung verſparet.
Meine Gefaͤhrten bezeugten allerſeits die groͤſte
Freude uͤber die ihrer Meynung nach wohl gerathe-
ne Arbeit, allein, ich hatte an dem elenden Wercke
nur allzuviel auszuſetzen, und nahm mir nebſt meinem
getreuen Chriſtian ein billiges Bedencken uns dar-
auff zu wagen, weil ich bey einer ſo langwierigen
Reiſe dem Tode entgegen zu lauffen, gantz gewiſſe
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage folgte schon 1732. Zum Zeitpunkt der Digitalisierung stand nur die dritte Auflage von 1740 zur Verfügung. (Link zur Erstausgabe: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:3:1-459276)
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 594. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/608>, abgerufen am 24.11.2024.
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