Leib und Leben ausfodern wird: Der Ver- ehrer der schönen Schäferin.
Auf diese trotzige Schrifft gab ich dem Schild- Knaben mündlich zur Antwort: Sage demjenigen, der dich zu mir geschickt: Woferne er seine Ansode- rung etwas höflicher an mich gethan, hätte ich ihm mit Vergnügen willfahren wollen. Allein seiner unbesonnenen Drohungen wegen, wolte ich vor heute durch aus meinen eigenen Willen haben.
Der Schild-Knabe gieng also fort, und ich hatte die Lust denjenigen Ritter zu bemercken, welchem er die Antwort überbrachte. Selbiger, so bald er mich kaum ein wenig müßig erblickt, kam gantz hochmüthig heran getrabet, und gab mir mit gantz hönischen Stellungen zu verstehen: Das er Belie- ben habe mit mir ein oder etliche Lantzen zu brechen. Er trug einen Feuerfarbenen silber gestreifften Har- nisch, und führete einen blaß blauen Feder-Stutz auf seinem Helme, welcher mit schwartz und | gel- ben Bande umwunden war. Jn seinem Schilde aber zeigte sich das Gemählde des Apollinis, der sich einer jungen Nymphe, Isse genannt, zu gefal- len, in einen Schäfer verstellet, mit den Bey-Wor- ten: Similis simili gaudet, als wolte er deutlich dieses zu verstehen geben:
Isse meine Schäferin Machts, daß ich ein Schäfer bin.
Jch vermerckte so gleich bey Erblickung dieser Devise, daß der arme Ritter nicht allzuwohl unter dem Helme verwahret seyn müsse. Denn wie schlecht reimete sich doch der Feuerfarbene Harnisch nebst dem blaulichen Feder-Stutze, auch gelb und
schwar-
Leib und Leben ausfodern wird: Der Ver- ehrer der ſchoͤnen Schaͤferin.
Auf dieſe trotzige Schrifft gab ich dem Schild- Knaben muͤndlich zur Antwort: Sage demjenigen, der dich zu mir geſchickt: Woferne er ſeine Anſode- rung etwas hoͤflicher an mich gethan, haͤtte ich ihm mit Vergnuͤgen willfahren wollen. Allein ſeiner unbeſonnenen Drohungen wegen, wolte ich vor heute durch aus meinen eigenen Willen haben.
Der Schild-Knabe gieng alſo fort, und ich hatte die Luſt denjenigen Ritter zu bemercken, welchem er die Antwort uͤberbrachte. Selbiger, ſo bald er mich kaum ein wenig muͤßig erblickt, kam gantz hochmuͤthig heran getrabet, und gab mir mit gantz hoͤniſchen Stellungen zu verſtehen: Das er Belie- ben habe mit mir ein oder etliche Lantzen zu brechen. Er trug einen Feuerfarbenen ſilber geſtreifften Har- niſch, und fuͤhrete einen blaß blauen Feder-Stutz auf ſeinem Helme, welcher mit ſchwartz und | gel- ben Bande umwunden war. Jn ſeinem Schilde aber zeigte ſich das Gemaͤhlde des Apollinis, der ſich einer jungen Nymphe, Iſſe genannt, zu gefal- len, in einen Schaͤfer verſtellet, mit den Bey-Wor- ten: Similis ſimili gaudet, als wolte er deutlich dieſes zu verſtehen geben:
Iſſe meine Schaͤferin Machts, daß ich ein Schaͤfer bin.
Jch vermerckte ſo gleich bey Erblickung dieſer Deviſe, daß der arme Ritter nicht allzuwohl unter dem Helme verwahret ſeyn muͤſſe. Denn wie ſchlecht reimete ſich doch der Feuerfarbene Harniſch nebſt dem blaulichen Feder-Stutze, auch gelb und
ſchwar-
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Leib und Leben ausfodern wird: Der Ver-
ehrer der ſchoͤnen Schaͤferin.
Auf dieſe trotzige Schrifft gab ich dem Schild-
Knaben muͤndlich zur Antwort: Sage demjenigen,
der dich zu mir geſchickt: Woferne er ſeine Anſode-
rung etwas hoͤflicher an mich gethan, haͤtte ich ihm
mit Vergnuͤgen willfahren wollen. Allein ſeiner
unbeſonnenen Drohungen wegen, wolte ich vor
heute durch aus meinen eigenen Willen haben.
Der Schild-Knabe gieng alſo fort, und ich hatte
die Luſt denjenigen Ritter zu bemercken, welchem
er die Antwort uͤberbrachte. Selbiger, ſo bald er
mich kaum ein wenig muͤßig erblickt, kam gantz
hochmuͤthig heran getrabet, und gab mir mit gantz
hoͤniſchen Stellungen zu verſtehen: Das er Belie-
ben habe mit mir ein oder etliche Lantzen zu brechen.
Er trug einen Feuerfarbenen ſilber geſtreifften Har-
niſch, und fuͤhrete einen blaß blauen Feder-Stutz
auf ſeinem Helme, welcher mit ſchwartz und | gel-
ben Bande umwunden war. Jn ſeinem Schilde
aber zeigte ſich das Gemaͤhlde des Apollinis, der
ſich einer jungen Nymphe, Iſſe genannt, zu gefal-
len, in einen Schaͤfer verſtellet, mit den Bey-Wor-
ten: Similis ſimili gaudet, als wolte er deutlich
dieſes zu verſtehen geben:
Iſſe meine Schaͤferin
Machts, daß ich ein Schaͤfer bin.
Jch vermerckte ſo gleich bey Erblickung dieſer
Deviſe, daß der arme Ritter nicht allzuwohl unter
dem Helme verwahret ſeyn muͤſſe. Denn wie
ſchlecht reimete ſich doch der Feuerfarbene Harniſch
nebſt dem blaulichen Feder-Stutze, auch gelb und
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage folgte schon 1732. Zum Zeitpunkt der Digitalisierung stand nur die dritte Auflage von 1740 zur Verfügung. (Link zur Erstausgabe: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:3:1-459276)
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 498. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/512>, abgerufen am 23.11.2024.
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