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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

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stande Nachricht geben. Derowegen brach end-
lich der werthe Alt-Vater loß, und hielt mir in
einer weitläufftigen Rede den glückseeligen Zustand
vor, in welchen er sich nebst den Seinigen auf dieser
Jnsul von GOtt gesetzt sähe. Nur dieses eintzige
beunruhige fein Gewissen, daß nemlich er und die
Seinigen ohne Priester seyn, mithin des heiligen
Abendmahls nebst anderer geistlicher Gaben be-
raubt leben müsten: Uber dieses, da die Anzahl der
Weibs-Personen auf dieser Jnsul stärcker sey, als
der Männer, so wäre zu wünschen, daß noch einige
zum Ehe-Stande tüchtige Handwercker und Künst-
ler anhero gebracht werden könten, welches dem ge-
meinen Wesen zum sonderbaren Nutzen, und man-
chen armen Europäer, der sein Brod nicht wol finden
könte, zum ruhigen Vergnügen gereichen würde.
Und letzlich wünschte der liebe Alt-Vater, vor seinem
Ende noch einen seiner Bluts-Freunde aus Europa
bey sich zu sehen, um demselben einen Theil seines fast
unschätzbaren Schatzes zuzuwenden, denn, sagte er:
was sind diese Glücks-Güter mir und den Meinigen
auf dieser Jnsul nütze, da wir mit niemanden in der
Welt Handel und Wandel zu treiben gesonnen?
Und gesetzt auch, daß dieses in Zukunfft geschehen
solte, so trägt diese Jnsul so viel Reichthümer und
Kostbarkeiten in ihrem Schooße, wovor alles das-
jenige, was etwa bedürffig seyn möchte, vielfältig
eingehandelt werden kan. Demnach möchte
es wohl seyn, daß sich meines Bruders Geschlecht
in Europa in solchem Zustande befände, derglei-
chen Schätze besser als wir zu gebrauchen und an-

zule-

ſtande Nachricht geben. Derowegen brach end-
lich der werthe Alt-Vater loß, und hielt mir in
einer weitlaͤufftigen Rede den gluͤckſeeligen Zuſtand
vor, in welchen er ſich nebſt den Seinigen auf dieſer
Jnſul von GOtt geſetzt ſaͤhe. Nur dieſes eintzige
beunruhige fein Gewiſſen, daß nemlich er und die
Seinigen ohne Prieſter ſeyn, mithin des heiligen
Abendmahls nebſt anderer geiſtlicher Gaben be-
raubt leben muͤſten: Uber dieſes, da die Anzahl der
Weibs-Perſonen auf dieſer Jnſul ſtaͤrcker ſey, als
der Maͤnner, ſo waͤre zu wuͤnſchen, daß noch einige
zum Ehe-Stande tuͤchtige Handwercker und Kuͤnſt-
ler anhero gebracht werden koͤnten, welches dem ge-
meinen Weſen zum ſonderbaren Nutzen, und man-
chen armen Europaͤer, der ſein Brod nicht wol finden
koͤnte, zum ruhigen Vergnuͤgen gereichen wuͤrde.
Und letzlich wuͤnſchte der liebe Alt-Vater, vor ſeinem
Ende noch einen ſeiner Bluts-Freunde aus Europa
bey ſich zu ſehen, um demſelben einen Theil ſeines faſt
unſchaͤtzbaren Schatzes zuzuwenden, denn, ſagte er:
was ſind dieſe Gluͤcks-Guͤter mir und den Meinigen
auf dieſer Jnſul nuͤtze, da wir mit niemanden in der
Welt Handel und Wandel zu treiben geſonnen?
Und geſetzt auch, daß dieſes in Zukunfft geſchehen
ſolte, ſo traͤgt dieſe Jnſul ſo viel Reichthuͤmer und
Koſtbarkeiten in ihrem Schooße, wovor alles das-
jenige, was etwa beduͤrffig ſeyn moͤchte, vielfaͤltig
eingehandelt werden kan. Demnach moͤchte
es wohl ſeyn, daß ſich meines Bruders Geſchlecht
in Europa in ſolchem Zuſtande befaͤnde, derglei-
chen Schaͤtze beſſer als wir zu gebrauchen und an-

zule-
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[442/0456] ſtande Nachricht geben. Derowegen brach end- lich der werthe Alt-Vater loß, und hielt mir in einer weitlaͤufftigen Rede den gluͤckſeeligen Zuſtand vor, in welchen er ſich nebſt den Seinigen auf dieſer Jnſul von GOtt geſetzt ſaͤhe. Nur dieſes eintzige beunruhige fein Gewiſſen, daß nemlich er und die Seinigen ohne Prieſter ſeyn, mithin des heiligen Abendmahls nebſt anderer geiſtlicher Gaben be- raubt leben muͤſten: Uber dieſes, da die Anzahl der Weibs-Perſonen auf dieſer Jnſul ſtaͤrcker ſey, als der Maͤnner, ſo waͤre zu wuͤnſchen, daß noch einige zum Ehe-Stande tuͤchtige Handwercker und Kuͤnſt- ler anhero gebracht werden koͤnten, welches dem ge- meinen Weſen zum ſonderbaren Nutzen, und man- chen armen Europaͤer, der ſein Brod nicht wol finden koͤnte, zum ruhigen Vergnuͤgen gereichen wuͤrde. Und letzlich wuͤnſchte der liebe Alt-Vater, vor ſeinem Ende noch einen ſeiner Bluts-Freunde aus Europa bey ſich zu ſehen, um demſelben einen Theil ſeines faſt unſchaͤtzbaren Schatzes zuzuwenden, denn, ſagte er: was ſind dieſe Gluͤcks-Guͤter mir und den Meinigen auf dieſer Jnſul nuͤtze, da wir mit niemanden in der Welt Handel und Wandel zu treiben geſonnen? Und geſetzt auch, daß dieſes in Zukunfft geſchehen ſolte, ſo traͤgt dieſe Jnſul ſo viel Reichthuͤmer und Koſtbarkeiten in ihrem Schooße, wovor alles das- jenige, was etwa beduͤrffig ſeyn moͤchte, vielfaͤltig eingehandelt werden kan. Demnach moͤchte es wohl ſeyn, daß ſich meines Bruders Geſchlecht in Europa in ſolchem Zuſtande befaͤnde, derglei- chen Schaͤtze beſſer als wir zu gebrauchen und an- zule-

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 442. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/456>, abgerufen am 25.11.2024.