Nun so fülle, die ich liebe, Bald mit Glut und Flammen an, Bringe sie durch reine Triebe Auf die keusche Liebes-Bahn, Und ersetze meinem Hertzen, Was es ehmals eingebüßt; Denn so werden dessen Schmertzen Durch erneute Lust versüßt.
Kaum hatte ich diesen meinen poetischen Einfall zurechte gebracht, als ich ihn unter einer bekandten weltlichen Melodey abzusingen etliche mahl probir- te, und nicht vermerckte, daß ich an dem lieben Alt- Vater einen aufmercksamen Zuhörer bekommen, biß er mich sanfft auf die Schulter klopffte und sag- te: Jsts möglich mein Freund, daß ihr in meine Aufrichtigkeit einigen Zweiffel setzen, und mir euer Liebes-Geheimniß verschweigen könnet, welches doch ohnfehlbar auf einem tugendhafften Grunde ruhet? Jch fand mich solchergestalt nicht wenig be- troffen, entschuldigte meine bißherige Verschwie- genheit mit solchen Worten, die der Wahrheit ge- mäß wären, und offenbarete ihm hierauf mein gan- tzes Hertze. Es ist gut, mein Freund, versetzte der werthe Altvater dargegen, Sophia soll euch nicht vorenthalten werden, allein übereilet euch nicht, son- dern machet vorhero weitere Bekanntschafft mit derselben, untersuchet so wohl ihre als eure selbst ei- gene Gemüths-Neigungen, wann ihr so dann vor thunlich befindet, eure Lebens-Zeit auf dieser Jnsul mit einander zuzubringen, soll euch er-
laubt
3.
Nun ſo fuͤlle, die ich liebe, Bald mit Glut und Flammen an, Bringe ſie durch reine Triebe Auf die keuſche Liebes-Bahn, Und erſetze meinem Hertzen, Was es ehmals eingebuͤßt; Denn ſo werden deſſen Schmertzen Durch erneute Luſt verſuͤßt.
Kaum hatte ich dieſen meinen poëtiſchen Einfall zurechte gebracht, als ich ihn unter einer bekandten weltlichen Melodey abzuſingen etliche mahl probir- te, und nicht vermerckte, daß ich an dem lieben Alt- Vater einen aufmerckſamen Zuhoͤrer bekommen, biß er mich ſanfft auf die Schulter klopffte und ſag- te: Jſts moͤglich mein Freund, daß ihr in meine Aufrichtigkeit einigen Zweiffel ſetzen, und mir euer Liebes-Geheimniß verſchweigen koͤnnet, welches doch ohnfehlbar auf einem tugendhafften Grunde ruhet? Jch fand mich ſolchergeſtalt nicht wenig be- troffen, entſchuldigte meine bißherige Verſchwie- genheit mit ſolchen Worten, die der Wahrheit ge- maͤß waͤren, und offenbarete ihm hierauf mein gan- tzes Hertze. Es iſt gut, mein Freund, verſetzte der werthe Altvater dargegen, Sophia ſoll euch nicht vorenthalten werden, allein uͤbereilet euch nicht, ſon- dern machet vorhero weitere Bekanntſchafft mit derſelben, unterſuchet ſo wohl ihre als eure ſelbſt ei- gene Gemuͤths-Neigungen, wann ihr ſo dann vor thunlich befindet, eure Lebens-Zeit auf dieſer Jnſul mit einander zuzubringen, ſoll euch er-
laubt
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3.
Nun ſo fuͤlle, die ich liebe,
Bald mit Glut und Flammen an,
Bringe ſie durch reine Triebe
Auf die keuſche Liebes-Bahn,
Und erſetze meinem Hertzen,
Was es ehmals eingebuͤßt;
Denn ſo werden deſſen Schmertzen
Durch erneute Luſt verſuͤßt.
Kaum hatte ich dieſen meinen poëtiſchen Einfall
zurechte gebracht, als ich ihn unter einer bekandten
weltlichen Melodey abzuſingen etliche mahl probir-
te, und nicht vermerckte, daß ich an dem lieben Alt-
Vater einen aufmerckſamen Zuhoͤrer bekommen,
biß er mich ſanfft auf die Schulter klopffte und ſag-
te: Jſts moͤglich mein Freund, daß ihr in meine
Aufrichtigkeit einigen Zweiffel ſetzen, und mir euer
Liebes-Geheimniß verſchweigen koͤnnet, welches
doch ohnfehlbar auf einem tugendhafften Grunde
ruhet? Jch fand mich ſolchergeſtalt nicht wenig be-
troffen, entſchuldigte meine bißherige Verſchwie-
genheit mit ſolchen Worten, die der Wahrheit ge-
maͤß waͤren, und offenbarete ihm hierauf mein gan-
tzes Hertze. Es iſt gut, mein Freund, verſetzte der
werthe Altvater dargegen, Sophia ſoll euch nicht
vorenthalten werden, allein uͤbereilet euch nicht, ſon-
dern machet vorhero weitere Bekanntſchafft mit
derſelben, unterſuchet ſo wohl ihre als eure ſelbſt ei-
gene Gemuͤths-Neigungen, wann ihr ſo dann vor
thunlich befindet, eure Lebens-Zeit auf dieſer
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage folgte schon 1732. Zum Zeitpunkt der Digitalisierung stand nur die dritte Auflage von 1740 zur Verfügung. (Link zur Erstausgabe: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:3:1-459276)
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 440. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/454>, abgerufen am 25.11.2024.
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