dels-Diener vorher geweissaget hatte, denn wenig Monathe hernach machte sich mein Vetter oder Pflege-Vater aus dem Staube und überließ seinen Gläubigern ein ziemlich ausgeleertes Nest, dessen Frau aber behielt dennoch ihr Hauß nebst andern zu ihm gebrachten Sachen, so, daß dieselbe mit ih- ren Kindern annoch ihr gutes Auskommen haben konte. Jch vor meine Person muste zwar bey ihr bleiben, durffte mich aber niemahls unterstehen zu fragen, wie es um mein Vermögen stünde, biß end- lich ihr ältester Sohn aus Ost-Jndien zurück kam, und sich über das verkehrte Hauß-Wesen seiner Eltern nicht wenig verwunderte. Er mochte von vertrauten Freunden gar bald erfahren haben, daß nicht so wohl seines Vaters Nachläßigkeit als die üble Wirthschafft seiner Mutter und Schwestern an diesem Unglück schuld habe, derowegen fieng er als ein tugendhafftiger und verständiger Mensch gar bald an, ihnen ihr übles Leben anfänglich ziem- lich sanfftmüthig, hernach aber desto ernstlicher zu Gemüth zu führen, allein die 4. Furien bissen sich weitlich mit ihm herum, musten aber doch zuletzt ziemlich nachgeben, weil sie nicht unrecht vermu- then konten, daß er durch seinen erworbenen Credit und grosses Gut, ihr verfallenes Glück wiederum herzustellen vermögend sey. So bald ich dieses merck- te, nahm ich auch keinen fernern Aufschub, diesem redlichen Manne meine Noth zu klagen, und da es sich eben schickte, daß ich ihm eines Tages auf Befehl seiner Mutter ein Körbgen mit sauberer Wäsche überbringen muste, gab solches die beste Gelegenheit ihm meines Hertzens Gedancken zu
offen-
dels-Diener vorher geweiſſaget hatte, denn wenig Monathe hernach machte ſich mein Vetter oder Pflege-Vater aus dem Staube und uͤberließ ſeinen Glaͤubigern ein ziemlich ausgeleertes Neſt, deſſen Frau aber behielt dennoch ihr Hauß nebſt andern zu ihm gebrachten Sachen, ſo, daß dieſelbe mit ih- ren Kindern annoch ihr gutes Auskommen haben konte. Jch vor meine Perſon muſte zwar bey ihr bleiben, durffte mich aber niemahls unterſtehen zu fragen, wie es um mein Vermoͤgen ſtuͤnde, biß end- lich ihr aͤlteſter Sohn aus Oſt-Jndien zuruͤck kam, und ſich uͤber das verkehrte Hauß-Weſen ſeiner Eltern nicht wenig verwunderte. Er mochte von vertrauten Freunden gar bald erfahren haben, daß nicht ſo wohl ſeines Vaters Nachlaͤßigkeit als die uͤble Wirthſchafft ſeiner Mutter und Schweſtern an dieſem Ungluͤck ſchuld habe, derowegen fieng er als ein tugendhafftiger und verſtaͤndiger Menſch gar bald an, ihnen ihr uͤbles Leben anfaͤnglich ziem- lich ſanfftmuͤthig, hernach aber deſto ernſtlicher zu Gemuͤth zu fuͤhren, allein die 4. Furien biſſen ſich weitlich mit ihm herum, muſten aber doch zuletzt ziemlich nachgeben, weil ſie nicht unrecht vermu- then konten, daß er durch ſeinen erworbenen Credit und groſſes Gut, ihr verfallenes Gluͤck wiederum herzuſtellen vermoͤgend ſey. So bald ich dieſes merck- te, nahm ich auch keinen fernern Aufſchub, dieſem redlichen Manne meine Noth zu klagen, und da es ſich eben ſchickte, daß ich ihm eines Tages auf Befehl ſeiner Mutter ein Koͤrbgen mit ſauberer Waͤſche uͤberbringen muſte, gab ſolches die beſte Gelegenheit ihm meines Hertzens Gedancken zu
offen-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0409"n="395"/>
dels-Diener vorher geweiſſaget hatte, denn wenig<lb/>
Monathe hernach machte ſich mein Vetter oder<lb/>
Pflege-Vater aus dem Staube und uͤberließ ſeinen<lb/>
Glaͤubigern ein ziemlich ausgeleertes Neſt, deſſen<lb/>
Frau aber behielt dennoch ihr Hauß nebſt andern<lb/>
zu ihm gebrachten Sachen, ſo, daß dieſelbe mit ih-<lb/>
ren Kindern annoch ihr gutes Auskommen haben<lb/>
konte. Jch vor meine Perſon muſte zwar bey ihr<lb/>
bleiben, durffte mich aber niemahls unterſtehen zu<lb/>
fragen, wie es um mein Vermoͤgen ſtuͤnde, biß end-<lb/>
lich ihr aͤlteſter Sohn aus Oſt-Jndien zuruͤck kam,<lb/>
und ſich uͤber das verkehrte Hauß-Weſen ſeiner<lb/>
Eltern nicht wenig verwunderte. Er mochte von<lb/>
vertrauten Freunden gar bald erfahren haben, daß<lb/>
nicht ſo wohl ſeines Vaters Nachlaͤßigkeit als die<lb/>
uͤble Wirthſchafft ſeiner Mutter und Schweſtern<lb/>
an dieſem Ungluͤck ſchuld habe, derowegen fieng er<lb/>
als ein tugendhafftiger und verſtaͤndiger Menſch<lb/>
gar bald an, ihnen ihr uͤbles Leben anfaͤnglich ziem-<lb/>
lich ſanfftmuͤthig, hernach aber deſto ernſtlicher zu<lb/>
Gemuͤth zu fuͤhren, allein die 4. <hirendition="#aq">Furi</hi>en biſſen ſich<lb/>
weitlich mit ihm herum, muſten aber doch zuletzt<lb/>
ziemlich nachgeben, weil ſie nicht unrecht vermu-<lb/>
then konten, daß er durch ſeinen erworbenen <hirendition="#aq">Credit</hi><lb/>
und groſſes Gut, ihr verfallenes Gluͤck wiederum<lb/>
herzuſtellen vermoͤgend ſey. So bald ich dieſes merck-<lb/>
te, nahm ich auch keinen fernern Aufſchub, dieſem<lb/>
redlichen Manne meine Noth zu klagen, und da<lb/>
es ſich eben ſchickte, daß ich ihm eines Tages auf<lb/>
Befehl ſeiner Mutter ein Koͤrbgen mit ſauberer<lb/>
Waͤſche uͤberbringen muſte, gab ſolches die beſte<lb/>
Gelegenheit ihm meines Hertzens Gedancken zu<lb/><fwplace="bottom"type="catch">offen-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[395/0409]
dels-Diener vorher geweiſſaget hatte, denn wenig
Monathe hernach machte ſich mein Vetter oder
Pflege-Vater aus dem Staube und uͤberließ ſeinen
Glaͤubigern ein ziemlich ausgeleertes Neſt, deſſen
Frau aber behielt dennoch ihr Hauß nebſt andern
zu ihm gebrachten Sachen, ſo, daß dieſelbe mit ih-
ren Kindern annoch ihr gutes Auskommen haben
konte. Jch vor meine Perſon muſte zwar bey ihr
bleiben, durffte mich aber niemahls unterſtehen zu
fragen, wie es um mein Vermoͤgen ſtuͤnde, biß end-
lich ihr aͤlteſter Sohn aus Oſt-Jndien zuruͤck kam,
und ſich uͤber das verkehrte Hauß-Weſen ſeiner
Eltern nicht wenig verwunderte. Er mochte von
vertrauten Freunden gar bald erfahren haben, daß
nicht ſo wohl ſeines Vaters Nachlaͤßigkeit als die
uͤble Wirthſchafft ſeiner Mutter und Schweſtern
an dieſem Ungluͤck ſchuld habe, derowegen fieng er
als ein tugendhafftiger und verſtaͤndiger Menſch
gar bald an, ihnen ihr uͤbles Leben anfaͤnglich ziem-
lich ſanfftmuͤthig, hernach aber deſto ernſtlicher zu
Gemuͤth zu fuͤhren, allein die 4. Furien biſſen ſich
weitlich mit ihm herum, muſten aber doch zuletzt
ziemlich nachgeben, weil ſie nicht unrecht vermu-
then konten, daß er durch ſeinen erworbenen Credit
und groſſes Gut, ihr verfallenes Gluͤck wiederum
herzuſtellen vermoͤgend ſey. So bald ich dieſes merck-
te, nahm ich auch keinen fernern Aufſchub, dieſem
redlichen Manne meine Noth zu klagen, und da
es ſich eben ſchickte, daß ich ihm eines Tages auf
Befehl ſeiner Mutter ein Koͤrbgen mit ſauberer
Waͤſche uͤberbringen muſte, gab ſolches die beſte
Gelegenheit ihm meines Hertzens Gedancken zu
offen-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage folgte schon 1732. Zum Zeitpunkt der Digitalisierung stand nur die dritte Auflage von 1740 zur Verfügung. (Link zur Erstausgabe: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:3:1-459276)
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/409>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.