Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite

gen meines Zustandes, sondern auch die Ursachen
desselben, nebst dem Antrage seiner treuen Liebe be-
findlich, mit dem Versprechen: Daß, wo ich mich
entschliessen wolte eine Heyrath mit ihm zu treffen,
er meine Person ehester Tages aus diesem Jam-
mer-Stande erlösen, und mir zu meinem Väter-
und Mütterlichen Erbtheile verhelffen wolle, um
welches es ohnedem itzo sehr gefährlich stünde, da
mein Pfleg-Vater, allem Ansehen nach, in kurtzer
Zeit banquerot werden müste.

Jch armes unschuldiges Kind wuste mir einen
schlechten Begriff von allen diesen Vorstellungen zu
machen, und war noch darzu so unglücklich, diesen
aufrichtigen Brief zu verlieren, ehe ich denselben
weder schrifftlich noch mündlich beantworten kon-
te. Meine Pflege-Mutter hatte denselben gesun-
den, ließ sich aber nicht das geringste gegen mich
mercken, ausserdem daß ich nicht aus meiner Kam-
mer gehen durffte, und solchergestalt als eine Ge-
fangene leben muste, wenig Tage hernach aber er-
fuhr ich, daß man diesen Handels-Diener früh in
seinem Bette todt gefunden hätte, und wäre er allen
Umständen nach an einem Steck-Flusse gestorben.

Der Himmel wird am besten wissen, ob dieser
redliche Mensch nicht, seiner zu mir tragenden Liebe
wegen, von meiner bösen Pflege-Mutter mit Gifft
hingerichtet worden, denn wie jung ich auch damals
war, so konte doch leichtlich einsehen, was vor eine
ruchlose Lebens-Art, zumahlen in Abwesenheit mei-
nes Pflege-Vaters im Hause vorgieng. Jmmit-
telst traff dennoch ein, was der verstorbene Han-

dels-

gen meines Zuſtandes, ſondern auch die Urſachen
deſſelben, nebſt dem Antrage ſeiner treuen Liebe be-
findlich, mit dem Verſprechen: Daß, wo ich mich
entſchlieſſen wolte eine Heyrath mit ihm zu treffen,
er meine Perſon eheſter Tages aus dieſem Jam-
mer-Stande erloͤſen, und mir zu meinem Vaͤter-
und Muͤtterlichen Erbtheile verhelffen wolle, um
welches es ohnedem itzo ſehr gefaͤhrlich ſtuͤnde, da
mein Pfleg-Vater, allem Anſehen nach, in kurtzer
Zeit banquerot werden muͤſte.

Jch armes unſchuldiges Kind wuſte mir einen
ſchlechten Begriff von allen dieſen Vorſtellungen zu
machen, und war noch darzu ſo ungluͤcklich, dieſen
aufrichtigen Brief zu verlieren, ehe ich denſelben
weder ſchrifftlich noch muͤndlich beantworten kon-
te. Meine Pflege-Mutter hatte denſelben geſun-
den, ließ ſich aber nicht das geringſte gegen mich
mercken, auſſerdem daß ich nicht aus meiner Kam-
mer gehen durffte, und ſolchergeſtalt als eine Ge-
fangene leben muſte, wenig Tage hernach aber er-
fuhr ich, daß man dieſen Handels-Diener fruͤh in
ſeinem Bette todt gefunden haͤtte, und waͤre er allen
Umſtaͤnden nach an einem Steck-Fluſſe geſtorben.

Der Himmel wird am beſten wiſſen, ob dieſer
redliche Menſch nicht, ſeiner zu mir tragenden Liebe
wegen, von meiner boͤſen Pflege-Mutter mit Gifft
hingerichtet worden, denn wie jung ich auch damals
war, ſo konte doch leichtlich einſehen, was vor eine
ruchloſe Lebens-Art, zumahlen in Abweſenheit mei-
nes Pflege-Vaters im Hauſe vorgieng. Jmmit-
telſt traff dennoch ein, was der verſtorbene Han-

dels-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0408" n="394"/>
gen meines Zu&#x017F;tandes, &#x017F;ondern auch die Ur&#x017F;achen<lb/>
de&#x017F;&#x017F;elben, neb&#x017F;t dem Antrage &#x017F;einer treuen Liebe be-<lb/>
findlich, mit dem Ver&#x017F;prechen: Daß, wo ich mich<lb/>
ent&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en wolte eine Heyrath mit ihm zu treffen,<lb/>
er meine Per&#x017F;on ehe&#x017F;ter Tages aus die&#x017F;em Jam-<lb/>
mer-Stande erlo&#x0364;&#x017F;en, und mir zu meinem Va&#x0364;ter-<lb/>
und Mu&#x0364;tterlichen Erbtheile verhelffen wolle, um<lb/>
welches es ohnedem itzo &#x017F;ehr gefa&#x0364;hrlich &#x017F;tu&#x0364;nde, da<lb/>
mein Pfleg-Vater, allem An&#x017F;ehen nach, in kurtzer<lb/>
Zeit <hi rendition="#aq">banquerot</hi> werden mu&#x0364;&#x017F;te.</p><lb/>
        <p>Jch armes un&#x017F;chuldiges Kind wu&#x017F;te mir einen<lb/>
&#x017F;chlechten Begriff von allen die&#x017F;en Vor&#x017F;tellungen zu<lb/>
machen, und war noch darzu &#x017F;o unglu&#x0364;cklich, die&#x017F;en<lb/>
aufrichtigen Brief zu verlieren, ehe ich den&#x017F;elben<lb/>
weder &#x017F;chrifftlich noch mu&#x0364;ndlich beantworten kon-<lb/>
te. Meine Pflege-Mutter hatte den&#x017F;elben ge&#x017F;un-<lb/>
den, ließ &#x017F;ich aber nicht das gering&#x017F;te gegen mich<lb/>
mercken, au&#x017F;&#x017F;erdem daß ich nicht aus meiner Kam-<lb/>
mer gehen durffte, und &#x017F;olcherge&#x017F;talt als eine Ge-<lb/>
fangene leben mu&#x017F;te, wenig Tage hernach aber er-<lb/>
fuhr ich, daß man die&#x017F;en Handels-Diener fru&#x0364;h in<lb/>
&#x017F;einem Bette todt gefunden ha&#x0364;tte, und wa&#x0364;re er allen<lb/>
Um&#x017F;ta&#x0364;nden nach an einem Steck-Flu&#x017F;&#x017F;e ge&#x017F;torben.</p><lb/>
        <p>Der Himmel wird am be&#x017F;ten wi&#x017F;&#x017F;en, ob die&#x017F;er<lb/>
redliche Men&#x017F;ch nicht, &#x017F;einer zu mir tragenden Liebe<lb/>
wegen, von meiner bo&#x0364;&#x017F;en Pflege-Mutter mit Gifft<lb/>
hingerichtet worden, denn wie jung ich auch damals<lb/>
war, &#x017F;o konte doch leichtlich ein&#x017F;ehen, was vor eine<lb/>
ruchlo&#x017F;e Lebens-Art, zumahlen in Abwe&#x017F;enheit mei-<lb/>
nes Pflege-Vaters im Hau&#x017F;e vorgieng. Jmmit-<lb/>
tel&#x017F;t traff dennoch ein, was der ver&#x017F;torbene Han-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">dels-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[394/0408] gen meines Zuſtandes, ſondern auch die Urſachen deſſelben, nebſt dem Antrage ſeiner treuen Liebe be- findlich, mit dem Verſprechen: Daß, wo ich mich entſchlieſſen wolte eine Heyrath mit ihm zu treffen, er meine Perſon eheſter Tages aus dieſem Jam- mer-Stande erloͤſen, und mir zu meinem Vaͤter- und Muͤtterlichen Erbtheile verhelffen wolle, um welches es ohnedem itzo ſehr gefaͤhrlich ſtuͤnde, da mein Pfleg-Vater, allem Anſehen nach, in kurtzer Zeit banquerot werden muͤſte. Jch armes unſchuldiges Kind wuſte mir einen ſchlechten Begriff von allen dieſen Vorſtellungen zu machen, und war noch darzu ſo ungluͤcklich, dieſen aufrichtigen Brief zu verlieren, ehe ich denſelben weder ſchrifftlich noch muͤndlich beantworten kon- te. Meine Pflege-Mutter hatte denſelben geſun- den, ließ ſich aber nicht das geringſte gegen mich mercken, auſſerdem daß ich nicht aus meiner Kam- mer gehen durffte, und ſolchergeſtalt als eine Ge- fangene leben muſte, wenig Tage hernach aber er- fuhr ich, daß man dieſen Handels-Diener fruͤh in ſeinem Bette todt gefunden haͤtte, und waͤre er allen Umſtaͤnden nach an einem Steck-Fluſſe geſtorben. Der Himmel wird am beſten wiſſen, ob dieſer redliche Menſch nicht, ſeiner zu mir tragenden Liebe wegen, von meiner boͤſen Pflege-Mutter mit Gifft hingerichtet worden, denn wie jung ich auch damals war, ſo konte doch leichtlich einſehen, was vor eine ruchloſe Lebens-Art, zumahlen in Abweſenheit mei- nes Pflege-Vaters im Hauſe vorgieng. Jmmit- telſt traff dennoch ein, was der verſtorbene Han- dels-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/408
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/408>, abgerufen am 24.11.2024.