Weltlichen Obrigkeit zum Vergnügen, diese Ge- schichte öffentlich kund zu machen: Schimmer ver- setzte hierauff: Mein Ehrwürdiger Herr! ich nehme mir kein Bedencken, euch mein gantzes Hertz zu of- senbaren. Wisser demnach, daß ich aus der Lip- pischen Grafschafft gebürtig bin, und vor etlichen Jahren auf der herühmten Universität Jena dem studiren obgelegen habe, im Jahr 1655. aber hatte das Unglück, an einem nicht gar zu weit von hier liegenden Fürstlichen Hofe, allwo ich etwas zu suchen hatte, mit einem jungen Cavalier in Händel zu gerathen, und denselben im ordentlichen Duell zu erlegen, weßwegen ich flüchtig werden, und endlich unter Käyserlichen Kriegs-Völckern mit Gewalt Dienste nehmen muste. Weil mich nun dabey wohl hielt, und über dieses ein ziemlich Stück Geld anzuwenden hatte, gab mir mein Obrister gleich im andern Jahre den besten Unter-Officiers Platz, nebst der Hoffnung, daß, wenn ich fortführe mich wohl zu halten, mir mit ehesten eine Fahne in die Hand gegeben werden solte. Allein vor etwa 4. Monathen, da wir in Oesterreichischen Landen die Winter-Quartiere genossen, machte mich mein O- brister über alles vermuthen zum Lieutenant bey seiner Leib-Compagnie, welches plötzliche Ver- fahren mir den bittersten Haß aller andern, denen ich solchergestalt vorgezogen worden, über den Hals zohe, und da zumahlen ein Lutheraner bin, so wurde zum öfftern hinter dem Rücken vor einen verfluchten Ketzer gescholten, der des Obristen Hertz ohnsehlbar bezaubert hätte. Mithin verschweren sich etliche, mir bey ehester Gelegenheit das Lebens-Licht aus-
zubla-
Weltlichen Obrigkeit zum Vergnuͤgen, dieſe Ge- ſchichte oͤffentlich kund zu machen: Schimmer ver- ſetzte hierauff: Mein Ehrwuͤrdiger Herr! ich nehme mir kein Bedencken, euch mein gantzes Hertz zu of- ſenbaren. Wiſſer demnach, daß ich aus der Lip- piſchen Grafſchafft gebuͤrtig bin, und vor etlichen Jahren auf der heruͤhmten Univerſitaͤt Jena dem ſtudiren obgelegen habe, im Jahr 1655. aber hatte das Ungluͤck, an einem nicht gar zu weit von hier liegenden Fuͤrſtlichen Hofe, allwo ich etwas zu ſuchen hatte, mit einem jungen Cavalier in Haͤndel zu gerathen, und denſelben im ordentlichen Duell zu erlegen, weßwegen ich fluͤchtig werden, und endlich unter Kaͤyſerlichen Kriegs-Voͤlckern mit Gewalt Dienſte nehmen muſte. Weil mich nun dabey wohl hielt, und uͤber dieſes ein ziemlich Stuͤck Geld anzuwenden hatte, gab mir mein Obriſter gleich im andern Jahre den beſten Unter-Officiers Platz, nebſt der Hoffnung, daß, wenn ich fortfuͤhre mich wohl zu halten, mir mit eheſten eine Fahne in die Hand gegeben werden ſolte. Allein vor etwa 4. Monathen, da wir in Oeſterreichiſchen Landen die Winter-Quartiere genoſſen, machte mich mein O- briſter uͤber alles vermuthen zum Lieutenant bey ſeiner Leib-Compagnie, welches ploͤtzliche Ver- fahren mir den bitterſten Haß aller andern, denen ich ſolchergeſtalt vorgezogen worden, uͤber den Hals zohe, und da zumahlen ein Lutheraner bin, ſo wurde zum oͤfftern hinter dem Ruͤcken vor einen verfluchten Ketzer geſcholten, der des Obriſten Hertz ohnſehlbar bezaubert haͤtte. Mithin verſchweren ſich etliche, mir bey eheſter Gelegenheit das Lebens-Licht aus-
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Weltlichen Obrigkeit zum Vergnuͤgen, dieſe Ge-
ſchichte oͤffentlich kund zu machen: Schimmer ver-
ſetzte hierauff: Mein Ehrwuͤrdiger Herr! ich nehme
mir kein Bedencken, euch mein gantzes Hertz zu of-
ſenbaren. Wiſſer demnach, daß ich aus der Lip-
piſchen Grafſchafft gebuͤrtig bin, und vor etlichen
Jahren auf der heruͤhmten Univerſitaͤt Jena dem
ſtudiren obgelegen habe, im Jahr 1655. aber hatte
das Ungluͤck, an einem nicht gar zu weit von
hier liegenden Fuͤrſtlichen Hofe, allwo ich etwas zu
ſuchen hatte, mit einem jungen Cavalier in Haͤndel
zu gerathen, und denſelben im ordentlichen Duell zu
erlegen, weßwegen ich fluͤchtig werden, und endlich
unter Kaͤyſerlichen Kriegs-Voͤlckern mit Gewalt
Dienſte nehmen muſte. Weil mich nun dabey
wohl hielt, und uͤber dieſes ein ziemlich Stuͤck Geld
anzuwenden hatte, gab mir mein Obriſter gleich im
andern Jahre den beſten Unter-Officiers Platz,
nebſt der Hoffnung, daß, wenn ich fortfuͤhre mich
wohl zu halten, mir mit eheſten eine Fahne in die
Hand gegeben werden ſolte. Allein vor etwa 4.
Monathen, da wir in Oeſterreichiſchen Landen die
Winter-Quartiere genoſſen, machte mich mein O-
briſter uͤber alles vermuthen zum Lieutenant bey
ſeiner Leib-Compagnie, welches ploͤtzliche Ver-
fahren mir den bitterſten Haß aller andern, denen
ich ſolchergeſtalt vorgezogen worden, uͤber den Hals
zohe, und da zumahlen ein Lutheraner bin, ſo wurde
zum oͤfftern hinter dem Ruͤcken vor einen verfluchten
Ketzer geſcholten, der des Obriſten Hertz ohnſehlbar
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage folgte schon 1732. Zum Zeitpunkt der Digitalisierung stand nur die dritte Auflage von 1740 zur Verfügung. (Link zur Erstausgabe: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:3:1-459276)
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/372>, abgerufen am 22.11.2024.
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