Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite

Schimmern überfiel bey diesem Funde so wol
als mich ein grausamer Schrecken, so daß der Angst-
Schweiß über unsere Gesichter lieff, und wir beyder-
seits nicht wusten was mit diesen mobilien anzufan-
gen sey. Endlich da wir einander lange genung an-
gesehen, sagte mein Gefährte: Wehrter Frembd-
ling, ich mercke aus allen Umständen, daß ihr so ein
redliches Hertze im Leibe habt als ich, derowegen
wollen wir Gelegenheit suchen, die zu GOttes Ehre
geweyheten Sachen und Heiligthümer, von uns ab-
und an einen solchen Orth zu schaffen, von wannen
sie wiederum an ihre Eigenthümer geliefert werden
können, denn diejenigen, welche vergangene Nacht
von uns getödtet und verwundet worden, sind ohn-
fehlbar Kirchen-Diebe gewesen. Was aber diese
600. spec. Ducaten an belanget, so halte darvor,
daß wir dieselben zur recreation vor unsere ausge-
srandene Gefahr und Mühe wol behalten können.
Saget, sprach er, mir derowegen euer Gutachten.

Jch gab zu verstehen, daß meine Gedancken mit
den Seinigen vollkommen überein stimmeten, also
packten wir wiederum auf, und setzten unsern Weg
so eilig, als möglich war, weiter fort, da mir denn
Schimmer unterweges sagte: Jch solte mich nur
um nichts bekümmern, denn weil ich ohne dem der
teutschen Sprache unkundig wäre, wolte er schon
alles so einzurichten trachten, daß wir ohne fernere
Weitläufftigkeit und Gefahr weit genug fortkom-
men könten, wohin es uns beliebte.

Es kam uns zwar überaus beschwerlich vor,
den gantzen Tag durch den fürchterlichen Wald,

und
Z 2

Schimmern uͤberfiel bey dieſem Funde ſo wol
als mich ein grauſamer Schrecken, ſo daß der Angſt-
Schweiß uͤber unſere Geſichter lieff, und wir beyder-
ſeits nicht wuſten was mit dieſen mobilien anzufan-
gen ſey. Endlich da wir einander lange genung an-
geſehen, ſagte mein Gefaͤhrte: Wehrter Frembd-
ling, ich mercke aus allen Umſtaͤnden, daß ihr ſo ein
redliches Hertze im Leibe habt als ich, derowegen
wollen wir Gelegenheit ſuchen, die zu GOttes Ehre
geweyheten Sachen und Heiligthuͤmer, von uns ab-
und an einen ſolchen Orth zu ſchaffen, von wannen
ſie wiederum an ihre Eigenthuͤmer geliefert werden
koͤnnen, denn diejenigen, welche vergangene Nacht
von uns getoͤdtet und verwundet worden, ſind ohn-
fehlbar Kirchen-Diebe geweſen. Was aber dieſe
600. ſpec. Ducaten an belanget, ſo halte darvor,
daß wir dieſelben zur recreation vor unſere ausge-
ſrandene Gefahr und Muͤhe wol behalten koͤnnen.
Saget, ſprach er, mir derowegen euer Gutachten.

Jch gab zu verſtehen, daß meine Gedancken mit
den Seinigen vollkommen uͤberein ſtimmeten, alſo
packten wir wiederum auf, und ſetzten unſern Weg
ſo eilig, als moͤglich war, weiter fort, da mir denn
Schimmer unterweges ſagte: Jch ſolte mich nur
um nichts bekuͤmmern, denn weil ich ohne dem der
teutſchen Sprache unkundig waͤre, wolte er ſchon
alles ſo einzurichten trachten, daß wir ohne fernere
Weitlaͤufftigkeit und Gefahr weit genug fortkom-
men koͤnten, wohin es uns beliebte.

Es kam uns zwar uͤberaus beſchwerlich vor,
den gantzen Tag durch den fuͤrchterlichen Wald,

und
Z 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0369" n="355"/>
        <p>Schimmern u&#x0364;berfiel bey die&#x017F;em Funde &#x017F;o wol<lb/>
als mich ein grau&#x017F;amer Schrecken, &#x017F;o daß der Ang&#x017F;t-<lb/>
Schweiß u&#x0364;ber un&#x017F;ere Ge&#x017F;ichter lieff, und wir beyder-<lb/>
&#x017F;eits nicht wu&#x017F;ten was mit die&#x017F;en <hi rendition="#aq">mobili</hi>en anzufan-<lb/>
gen &#x017F;ey. Endlich da wir einander lange genung an-<lb/>
ge&#x017F;ehen, &#x017F;agte mein Gefa&#x0364;hrte: Wehrter Frembd-<lb/>
ling, ich mercke aus allen Um&#x017F;ta&#x0364;nden, daß ihr &#x017F;o ein<lb/>
redliches Hertze im Leibe habt als ich, derowegen<lb/>
wollen wir Gelegenheit &#x017F;uchen, die zu GOttes Ehre<lb/>
geweyheten Sachen und Heiligthu&#x0364;mer, von uns ab-<lb/>
und an einen &#x017F;olchen Orth zu &#x017F;chaffen, von wannen<lb/>
&#x017F;ie wiederum an ihre Eigenthu&#x0364;mer geliefert werden<lb/>
ko&#x0364;nnen, denn diejenigen, welche vergangene Nacht<lb/>
von uns geto&#x0364;dtet und verwundet worden, &#x017F;ind ohn-<lb/>
fehlbar Kirchen-Diebe gewe&#x017F;en. Was aber die&#x017F;e<lb/>
600. <hi rendition="#aq">&#x017F;pec. Ducat</hi>en an belanget, &#x017F;o halte darvor,<lb/>
daß wir die&#x017F;elben zur <hi rendition="#aq">recreation</hi> vor un&#x017F;ere ausge-<lb/>
&#x017F;randene Gefahr und Mu&#x0364;he wol behalten ko&#x0364;nnen.<lb/>
Saget, &#x017F;prach er, mir derowegen euer Gutachten.</p><lb/>
        <p>Jch gab zu ver&#x017F;tehen, daß meine Gedancken mit<lb/>
den Seinigen vollkommen u&#x0364;berein &#x017F;timmeten, al&#x017F;o<lb/>
packten wir wiederum auf, und &#x017F;etzten un&#x017F;ern Weg<lb/>
&#x017F;o eilig, als mo&#x0364;glich war, weiter fort, da mir denn<lb/>
Schimmer unterweges &#x017F;agte: Jch &#x017F;olte mich nur<lb/>
um nichts beku&#x0364;mmern, denn weil ich ohne dem der<lb/>
teut&#x017F;chen Sprache unkundig wa&#x0364;re, wolte er &#x017F;chon<lb/>
alles &#x017F;o einzurichten trachten, daß wir ohne fernere<lb/>
Weitla&#x0364;ufftigkeit und Gefahr weit genug fortkom-<lb/>
men ko&#x0364;nten, wohin es uns beliebte.</p><lb/>
        <p>Es kam uns zwar u&#x0364;beraus be&#x017F;chwerlich vor,<lb/>
den gantzen Tag durch den fu&#x0364;rchterlichen Wald,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Z 2</fw><fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[355/0369] Schimmern uͤberfiel bey dieſem Funde ſo wol als mich ein grauſamer Schrecken, ſo daß der Angſt- Schweiß uͤber unſere Geſichter lieff, und wir beyder- ſeits nicht wuſten was mit dieſen mobilien anzufan- gen ſey. Endlich da wir einander lange genung an- geſehen, ſagte mein Gefaͤhrte: Wehrter Frembd- ling, ich mercke aus allen Umſtaͤnden, daß ihr ſo ein redliches Hertze im Leibe habt als ich, derowegen wollen wir Gelegenheit ſuchen, die zu GOttes Ehre geweyheten Sachen und Heiligthuͤmer, von uns ab- und an einen ſolchen Orth zu ſchaffen, von wannen ſie wiederum an ihre Eigenthuͤmer geliefert werden koͤnnen, denn diejenigen, welche vergangene Nacht von uns getoͤdtet und verwundet worden, ſind ohn- fehlbar Kirchen-Diebe geweſen. Was aber dieſe 600. ſpec. Ducaten an belanget, ſo halte darvor, daß wir dieſelben zur recreation vor unſere ausge- ſrandene Gefahr und Muͤhe wol behalten koͤnnen. Saget, ſprach er, mir derowegen euer Gutachten. Jch gab zu verſtehen, daß meine Gedancken mit den Seinigen vollkommen uͤberein ſtimmeten, alſo packten wir wiederum auf, und ſetzten unſern Weg ſo eilig, als moͤglich war, weiter fort, da mir denn Schimmer unterweges ſagte: Jch ſolte mich nur um nichts bekuͤmmern, denn weil ich ohne dem der teutſchen Sprache unkundig waͤre, wolte er ſchon alles ſo einzurichten trachten, daß wir ohne fernere Weitlaͤufftigkeit und Gefahr weit genug fortkom- men koͤnten, wohin es uns beliebte. Es kam uns zwar uͤberaus beſchwerlich vor, den gantzen Tag durch den fuͤrchterlichen Wald, und Z 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/369
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/369>, abgerufen am 25.11.2024.