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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

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Dieser Einfall scheinet meinem Vater sehr ge-
schicklich, seinen Stand, Person und gantzes We-
sen, allen erforderlichen Umständen nach, zu ver-
bergen, derowegen macht er sich denselben von
Stund an wohl zu Nutze, und passiret auch solcher
gestalt von allen Leuten, als ein abgedanckter
Schulmeister, zumahl da er sich eine darzu behörige
Kleidung verfertigen lässet. Er schrieb eine sehr
feine Hand, derowegen geben ihm die daherum
wohnenden Pfarr-Herren und andere Gelehrten
so viel abzuschreiben, daß er das tägliche Brod vor
sich, meine Mutter und mich damit kümmerlich
verdienen kan, und also der wohlthätigen Müllerin
nicht allzu beschwerlich fallen darff, die dem ohn-
geacht nicht unterließ, meine Mutter wöchentlich
mit Gelde und andern Bedürffnissen zu versorgen.

Doch etwa ein halbes Jahr nach meiner Ge-
burth legt sich diese Wohlthäterin unverhofft aufs
Krancken-Bette nieder, und stirbt, nachdem sie vor-
hero meine Mutter zu sich kommen lassen, und der-
selben einen Beutel mit Gold-Stücken, die sich am
Werthe höher als 40. Pfund Sterlings belauf-
fen, zu meiner Erziehung eingehändiget, und aus-
drücklich gesagt hatte, daß wir dieses ihres heim-
lich gesammleten Schatz-Geldes würdiger und be-
dürfftiger wären, als ihr ungetreuer Mann, der
ein weit mehreres mit Huren durchgebracht, und
vielleicht alles, was er durch die Heyrath mit ihr
erworben, nach ihrem Tode auch bald durchbrin-
gen würde.

Mit diesem kleinen Capitale sehen sich meine El-
tern bey ihren damahligen Zustande ziemlich geholf-

fen,

Dieſer Einfall ſcheinet meinem Vater ſehr ge-
ſchicklich, ſeinen Stand, Perſon und gantzes We-
ſen, allen erforderlichen Umſtaͤnden nach, zu ver-
bergen, derowegen macht er ſich denſelben von
Stund an wohl zu Nutze, und paſſiret auch ſolcher
geſtalt von allen Leuten, als ein abgedanckter
Schulmeiſter, zumahl da er ſich eine darzu behoͤrige
Kleidung verfertigen laͤſſet. Er ſchrieb eine ſehr
feine Hand, derowegen geben ihm die daherum
wohnenden Pfarr-Herren und andere Gelehrten
ſo viel abzuſchreiben, daß er das taͤgliche Brod vor
ſich, meine Mutter und mich damit kuͤmmerlich
verdienen kan, und alſo der wohlthaͤtigen Muͤllerin
nicht allzu beſchwerlich fallen darff, die dem ohn-
geacht nicht unterließ, meine Mutter woͤchentlich
mit Gelde und andern Beduͤrffniſſen zu verſorgen.

Doch etwa ein halbes Jahr nach meiner Ge-
burth legt ſich dieſe Wohlthaͤterin unverhofft aufs
Krancken-Bette nieder, und ſtirbt, nachdem ſie vor-
hero meine Mutter zu ſich kommen laſſen, und der-
ſelben einen Beutel mit Gold-Stuͤcken, die ſich am
Werthe hoͤher als 40. Pfund Sterlings belauf-
fen, zu meiner Erziehung eingehaͤndiget, und aus-
druͤcklich geſagt hatte, daß wir dieſes ihres heim-
lich geſammleten Schatz-Geldes wuͤrdiger und be-
duͤrfftiger waͤren, als ihr ungetreuer Mann, der
ein weit mehreres mit Huren durchgebracht, und
vielleicht alles, was er durch die Heyrath mit ihr
erworben, nach ihrem Tode auch bald durchbrin-
gen wuͤrde.

Mit dieſem kleinen Capitale ſehen ſich meine El-
tern bey ihren damahligen Zuſtande ziemlich geholf-

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[340/0354] Dieſer Einfall ſcheinet meinem Vater ſehr ge- ſchicklich, ſeinen Stand, Perſon und gantzes We- ſen, allen erforderlichen Umſtaͤnden nach, zu ver- bergen, derowegen macht er ſich denſelben von Stund an wohl zu Nutze, und paſſiret auch ſolcher geſtalt von allen Leuten, als ein abgedanckter Schulmeiſter, zumahl da er ſich eine darzu behoͤrige Kleidung verfertigen laͤſſet. Er ſchrieb eine ſehr feine Hand, derowegen geben ihm die daherum wohnenden Pfarr-Herren und andere Gelehrten ſo viel abzuſchreiben, daß er das taͤgliche Brod vor ſich, meine Mutter und mich damit kuͤmmerlich verdienen kan, und alſo der wohlthaͤtigen Muͤllerin nicht allzu beſchwerlich fallen darff, die dem ohn- geacht nicht unterließ, meine Mutter woͤchentlich mit Gelde und andern Beduͤrffniſſen zu verſorgen. Doch etwa ein halbes Jahr nach meiner Ge- burth legt ſich dieſe Wohlthaͤterin unverhofft aufs Krancken-Bette nieder, und ſtirbt, nachdem ſie vor- hero meine Mutter zu ſich kommen laſſen, und der- ſelben einen Beutel mit Gold-Stuͤcken, die ſich am Werthe hoͤher als 40. Pfund Sterlings belauf- fen, zu meiner Erziehung eingehaͤndiget, und aus- druͤcklich geſagt hatte, daß wir dieſes ihres heim- lich geſammleten Schatz-Geldes wuͤrdiger und be- duͤrfftiger waͤren, als ihr ungetreuer Mann, der ein weit mehreres mit Huren durchgebracht, und vielleicht alles, was er durch die Heyrath mit ihr erworben, nach ihrem Tode auch bald durchbrin- gen wuͤrde. Mit dieſem kleinen Capitale ſehen ſich meine El- tern bey ihren damahligen Zuſtande ziemlich geholf- fen,

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/354>, abgerufen am 22.11.2024.