Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite

seinen Schooß, welche alles geduldig litte, und als
die ärgste Schand-Metze mit sich umgehen ließ. Der
vermeynte Edelmann, Henry, that mit seiner Buh-
lerin ein gleiches, jedoch Alexander und Gallus
scheueten sich dem Ansehen nach noch in etwas, mit
uns beyden Schwestern auf eben diese Arth zu ver-
fahren, ohngeachtet sie von unsern leiblichen Bruder
hierzu trefflich angefrischet wurden.

Philippine und ich erstauneten über dergleichen
Anblick, wusten aber noch nicht, ob es ein Schertz
heissen solte, oder ob wir im Ernst verrathen oder
verkaufft wären. Jedennoch verliessen wir die un-
keusche Gesellschafft, rufften gegenwärtige meine
Schwägerin, des edlen Stephani noch itzige Ehe-
Gemahlin, damals aber, als unsere getreue Diene-
rin, herbey, und setzten uns in lauter verwirrten Ge-
dancken, bey einer auf dem Oberlof des Schiffs
brennend stehenden Laterne nieder.

Der verfluchte Wohlthäter, nemlich unser ver-
meintlicher Wirth, welcher sich als ein Vieh besof-
fen hatte, kam hinauff und sagte mit stammlender
Zunge: Sorget nicht ihr schönen Kinder! ehe es
noch einmal Nacht wird, werdet ihr in eurem Braut-
Bette liegen. Wir wolten weiter mit ihm reden;
Allein das überflüßig eingeschlungene Geträncke
suchte seinen Ausgang bey ihm überall, auf so gewalt-
same Art, daß er auf einmal als ein Ochse darnieder
stürtzte, und uns, den gräßlichen Gestanck zu vermei-
den, eine andere Stelle zu suchen zwunge.

Philippine und ich waren bey dergleichen schänd-
lichen Spectacul fast ausser Sinnen gekommen, und

fielen

ſeinen Schooß, welche alles geduldig litte, und als
die aͤrgſte Schand-Metze mit ſich umgehen ließ. Der
vermeynte Edelmann, Henry, that mit ſeiner Buh-
lerin ein gleiches, jedoch Alexander und Gallus
ſcheueten ſich dem Anſehen nach noch in etwas, mit
uns beyden Schweſtern auf eben dieſe Arth zu ver-
fahren, ohngeachtet ſie von unſern leiblichen Bruder
hierzu trefflich angefriſchet wurden.

Philippine und ich erſtauneten uͤber dergleichen
Anblick, wuſten aber noch nicht, ob es ein Schertz
heiſſen ſolte, oder ob wir im Ernſt verrathen oder
verkaufft waͤren. Jedennoch verlieſſen wir die un-
keuſche Geſellſchafft, rufften gegenwaͤrtige meine
Schwaͤgerin, des edlen Stephani noch itzige Ehe-
Gemahlin, damals aber, als unſere getreue Diene-
rin, herbey, und ſetzten uns in lauter verwirrten Ge-
dancken, bey einer auf dem Oberlof des Schiffs
brennend ſtehenden Laterne nieder.

Der verfluchte Wohlthaͤter, nemlich unſer ver-
meintlicher Wirth, welcher ſich als ein Vieh beſof-
fen hatte, kam hinauff und ſagte mit ſtammlender
Zunge: Sorget nicht ihr ſchoͤnen Kinder! ehe es
noch einmal Nacht wird, werdet ihr in eurem Braut-
Bette liegen. Wir wolten weiter mit ihm reden;
Allein das uͤberfluͤßig eingeſchlungene Getraͤncke
ſuchte ſeinen Ausgang bey ihm uͤberall, auf ſo gewalt-
ſame Art, daß er auf einmal als ein Ochſe darnieder
ſtuͤrtzte, und uns, den graͤßlichen Geſtanck zu vermei-
den, eine andere Stelle zu ſuchen zwunge.

Philippine und ich waren bey dergleichen ſchaͤnd-
lichen Spectacul faſt auſſer Sinnen gekommen, und

fielen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0333" n="319"/>
&#x017F;einen Schooß, welche alles geduldig litte, und als<lb/>
die a&#x0364;rg&#x017F;te Schand-Metze mit &#x017F;ich umgehen ließ. Der<lb/>
vermeynte Edelmann, <hi rendition="#aq">Henry,</hi> that mit &#x017F;einer Buh-<lb/>
lerin ein gleiches, jedoch <hi rendition="#aq">Alexander</hi> und <hi rendition="#aq">Gallus</hi><lb/>
&#x017F;cheueten &#x017F;ich dem An&#x017F;ehen nach noch in etwas, mit<lb/>
uns beyden Schwe&#x017F;tern auf eben die&#x017F;e Arth zu ver-<lb/>
fahren, ohngeachtet &#x017F;ie von un&#x017F;ern leiblichen Bruder<lb/>
hierzu trefflich angefri&#x017F;chet wurden.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#aq">Philippine</hi> und ich er&#x017F;tauneten u&#x0364;ber dergleichen<lb/>
Anblick, wu&#x017F;ten aber noch nicht, ob es ein Schertz<lb/>
hei&#x017F;&#x017F;en &#x017F;olte, oder ob wir im Ern&#x017F;t verrathen oder<lb/>
verkaufft wa&#x0364;ren. Jedennoch verlie&#x017F;&#x017F;en wir die un-<lb/>
keu&#x017F;che Ge&#x017F;ell&#x017F;chafft, rufften gegenwa&#x0364;rtige meine<lb/>
Schwa&#x0364;gerin, des edlen <hi rendition="#aq">Stephani</hi> noch itzige Ehe-<lb/>
Gemahlin, damals aber, als un&#x017F;ere getreue Diene-<lb/>
rin, herbey, und &#x017F;etzten uns in lauter verwirrten Ge-<lb/>
dancken, bey einer auf dem Oberlof des Schiffs<lb/>
brennend &#x017F;tehenden Laterne nieder.</p><lb/>
        <p>Der verfluchte Wohltha&#x0364;ter, nemlich un&#x017F;er ver-<lb/>
meintlicher Wirth, welcher &#x017F;ich als ein Vieh be&#x017F;of-<lb/>
fen hatte, kam hinauff und &#x017F;agte mit &#x017F;tammlender<lb/>
Zunge: Sorget nicht ihr &#x017F;cho&#x0364;nen Kinder! ehe es<lb/>
noch einmal Nacht wird, werdet ihr in eurem Braut-<lb/>
Bette liegen. Wir wolten weiter mit ihm reden;<lb/>
Allein das u&#x0364;berflu&#x0364;ßig einge&#x017F;chlungene Getra&#x0364;ncke<lb/>
&#x017F;uchte &#x017F;einen Ausgang bey ihm u&#x0364;berall, auf &#x017F;o gewalt-<lb/>
&#x017F;ame Art, daß er auf einmal als ein Och&#x017F;e darnieder<lb/>
&#x017F;tu&#x0364;rtzte, und uns, den gra&#x0364;ßlichen Ge&#x017F;tanck zu vermei-<lb/>
den, eine andere Stelle zu &#x017F;uchen zwunge.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#aq">Philippine</hi> und ich waren bey dergleichen &#x017F;cha&#x0364;nd-<lb/>
lichen <hi rendition="#aq">Spectacul</hi> fa&#x017F;t au&#x017F;&#x017F;er Sinnen gekommen, und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">fielen</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[319/0333] ſeinen Schooß, welche alles geduldig litte, und als die aͤrgſte Schand-Metze mit ſich umgehen ließ. Der vermeynte Edelmann, Henry, that mit ſeiner Buh- lerin ein gleiches, jedoch Alexander und Gallus ſcheueten ſich dem Anſehen nach noch in etwas, mit uns beyden Schweſtern auf eben dieſe Arth zu ver- fahren, ohngeachtet ſie von unſern leiblichen Bruder hierzu trefflich angefriſchet wurden. Philippine und ich erſtauneten uͤber dergleichen Anblick, wuſten aber noch nicht, ob es ein Schertz heiſſen ſolte, oder ob wir im Ernſt verrathen oder verkaufft waͤren. Jedennoch verlieſſen wir die un- keuſche Geſellſchafft, rufften gegenwaͤrtige meine Schwaͤgerin, des edlen Stephani noch itzige Ehe- Gemahlin, damals aber, als unſere getreue Diene- rin, herbey, und ſetzten uns in lauter verwirrten Ge- dancken, bey einer auf dem Oberlof des Schiffs brennend ſtehenden Laterne nieder. Der verfluchte Wohlthaͤter, nemlich unſer ver- meintlicher Wirth, welcher ſich als ein Vieh beſof- fen hatte, kam hinauff und ſagte mit ſtammlender Zunge: Sorget nicht ihr ſchoͤnen Kinder! ehe es noch einmal Nacht wird, werdet ihr in eurem Braut- Bette liegen. Wir wolten weiter mit ihm reden; Allein das uͤberfluͤßig eingeſchlungene Getraͤncke ſuchte ſeinen Ausgang bey ihm uͤberall, auf ſo gewalt- ſame Art, daß er auf einmal als ein Ochſe darnieder ſtuͤrtzte, und uns, den graͤßlichen Geſtanck zu vermei- den, eine andere Stelle zu ſuchen zwunge. Philippine und ich waren bey dergleichen ſchaͤnd- lichen Spectacul faſt auſſer Sinnen gekommen, und fielen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/333
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/333>, abgerufen am 17.05.2024.