genen Kindern zu befürchten habe? und ob es wohl gethan sey, wenn wir durch ein und andere Nachlä- ßigkeit, GOttes Allmacht ferner versuchen wollen?
Meine Concordia fieng hertzlich an zu weinen, da sie mich in so ungewöhnlichen Eifer reden hörete, jedoch die treue Seele umfassete meinen Halß, und sagte unter hundert Küssen: Jhr habt recht mein al- lerliebster Mann, und sorget besser und vernünffti- ger als ich. Verzeihet mir meine Fehler, und glau- bet sicherlich, daß ich dergleichen blut-schändliche Ehen zu erlauben, niemahls gesinnet gewesen, allein die Furcht vor bösen Menschen, die sich etwa unse- res Landes und unserer Güter gelüsten lassen, euch ermorden, mich und meine Kinder schänden und zu Sclaven machen könten, hat mich jederzeit ange- trieben, zu widerrathen, daß wir uns frembden und unbekannten Leuten entdeckten, die vielleicht auch nicht einmahl Christen seyn möchten. Anbey habe mich beständig darauf verlassen, daß GOtt schon von ohngefehr Menschen hersenden würde, die uns etwa abführeten, oder unser Geschlecht vermehren hülffen. Jedoch mein allerliebster Julius, sagte sie weiter, ich bekenne, daß ihr eine stärckere Einsicht habt als ich, darum gehet hin mit unsern Söhnen, und versuchet, ob ihr die vorbey fahrenden Schiffe anhero ruffen könnet, GOtt gebe nur, daß es Chri- sten, und redliche Leute sind.
Dieses war also der erste und letzte Zwietracht, den ich und meine liebe Ehe-Frau unter einander hat- ten, wo es anders ein Zwietracht zu nennen ist. So bald wir uns aber völlig verglichen, lieff ich mit mei-
nen
genen Kindern zu befuͤrchten habe? und ob es wohl gethan ſey, wenn wir durch ein und andere Nachlaͤ- ßigkeit, GOttes Allmacht ferner verſuchen wollen?
Meine Concordia fieng hertzlich an zu weinen, da ſie mich in ſo ungewoͤhnlichen Eifer reden hoͤrete, jedoch die treue Seele umfaſſete meinen Halß, und ſagte unter hundert Kuͤſſen: Jhr habt recht mein al- lerliebſter Mann, und ſorget beſſer und vernuͤnffti- ger als ich. Verzeihet mir meine Fehler, und glau- bet ſicherlich, daß ich dergleichen blut-ſchaͤndliche Ehen zu erlauben, niemahls geſinnet geweſen, allein die Furcht vor boͤſen Menſchen, die ſich etwa unſe- res Landes und unſerer Guͤter geluͤſten laſſen, euch ermorden, mich und meine Kinder ſchaͤnden und zu Sclaven machen koͤnten, hat mich jederzeit ange- trieben, zu widerrathen, daß wir uns frembden und unbekannten Leuten entdeckten, die vielleicht auch nicht einmahl Chriſten ſeyn moͤchten. Anbey habe mich beſtaͤndig darauf verlaſſen, daß GOtt ſchon von ohngefehr Menſchen herſenden wuͤrde, die uns etwa abfuͤhreten, oder unſer Geſchlecht vermehren huͤlffen. Jedoch mein allerliebſter Julius, ſagte ſie weiter, ich bekenne, daß ihr eine ſtaͤrckere Einſicht habt als ich, darum gehet hin mit unſern Soͤhnen, und verſuchet, ob ihr die vorbey fahrenden Schiffe anhero ruffen koͤnnet, GOtt gebe nur, daß es Chri- ſten, und redliche Leute ſind.
Dieſes war alſo der erſte und letzte Zwietracht, den ich und meine liebe Ehe-Frau unter einander hat- ten, wo es anders ein Zwietracht zu nennen iſt. So bald wir uns aber voͤllig verglichen, lieff ich mit mei-
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genen Kindern zu befuͤrchten habe? und ob es wohl
gethan ſey, wenn wir durch ein und andere Nachlaͤ-
ßigkeit, GOttes Allmacht ferner verſuchen wollen?
Meine Concordia fieng hertzlich an zu weinen,
da ſie mich in ſo ungewoͤhnlichen Eifer reden hoͤrete,
jedoch die treue Seele umfaſſete meinen Halß, und
ſagte unter hundert Kuͤſſen: Jhr habt recht mein al-
lerliebſter Mann, und ſorget beſſer und vernuͤnffti-
ger als ich. Verzeihet mir meine Fehler, und glau-
bet ſicherlich, daß ich dergleichen blut-ſchaͤndliche
Ehen zu erlauben, niemahls geſinnet geweſen, allein
die Furcht vor boͤſen Menſchen, die ſich etwa unſe-
res Landes und unſerer Guͤter geluͤſten laſſen, euch
ermorden, mich und meine Kinder ſchaͤnden und zu
Sclaven machen koͤnten, hat mich jederzeit ange-
trieben, zu widerrathen, daß wir uns frembden und
unbekannten Leuten entdeckten, die vielleicht auch
nicht einmahl Chriſten ſeyn moͤchten. Anbey habe
mich beſtaͤndig darauf verlaſſen, daß GOtt ſchon
von ohngefehr Menſchen herſenden wuͤrde, die uns
etwa abfuͤhreten, oder unſer Geſchlecht vermehren
huͤlffen. Jedoch mein allerliebſter Julius, ſagte
ſie weiter, ich bekenne, daß ihr eine ſtaͤrckere Einſicht
habt als ich, darum gehet hin mit unſern Soͤhnen,
und verſuchet, ob ihr die vorbey fahrenden Schiffe
anhero ruffen koͤnnet, GOtt gebe nur, daß es Chri-
ſten, und redliche Leute ſind.
Dieſes war alſo der erſte und letzte Zwietracht, den
ich und meine liebe Ehe-Frau unter einander hat-
ten, wo es anders ein Zwietracht zu nennen iſt. So
bald wir uns aber voͤllig verglichen, lieff ich mit mei-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage folgte schon 1732. Zum Zeitpunkt der Digitalisierung stand nur die dritte Auflage von 1740 zur Verfügung. (Link zur Erstausgabe: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:3:1-459276)
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/302>, abgerufen am 24.11.2024.
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