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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

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und Beten wiederum beybringen konten, ich aber
informirte selbst alle meine Kinder früh Morgens 2,
Stunden, und Abends auch so lange. Jhre Mut-
ter lösete mich hierinnen ordentlich ab, die übrige Zeit
musten sie mit nützlicher Arbeit, so viel ihre Kräffte
vermochten, hinbringen, das Schieß-Gewehr brau-
chen lernen, Fische, Vögel, Ziegen und Wildpret
einfangen, in Summa, sich in Zeiten so gewöhnen,
als ob sie so wol als wir Zeit Lebens auf dieser Jnsul
bleiben solten.

Jmmittelst erzehlten wir Eltern unsern Kindern
öffters von der Lebens-Art der Menschen in unsern
Vaterländern und andern Welt-Theilen auch von
unsern eigenen Geschichten, so viel, als ihnen zu wis-
sen nöthig war: spüreten aber niemals, daß nur ein
eintziges von ihnen Lust bezeugte selbige Länder oder
Oerter zu sehen, worüber sich meine Ehe-Frau hertz-
lich vergnügte, allein ich unterdrückte meinen, seit
einiger Zeit wieder aufgewachten Kummer, biß ei-
nes Taaes unsere ältesten zwey Söhne eiligst ge-
lauffen kamen, und berichteten: Wie daß sich gantz
weit in der offenbaren See 3. grosse Schiffe sehen
liessen, worauf sich ohnfehlbar Menschen befinden
würden. Jhre Mutter gab ihnen zur Antwort:
Lasset sie fahren, meine Kinder, weil wir nicht wissen,
ob es gute oder böse Menschen sind. Jch aber wur-
de von meinen Gemüths-Bewegungen dergestalt
übermeistert, daß mir die Augen voll Thränen lief-
fen, und solches zu verbergen, gieng ich stillschwei-
gend in die Kammer, und legte mich mit Seuffzen
aufs Lager. Meine Concordia folgte mir auf dem
Fusse nach, breitete sich über mich und sagte, nach-

dem

und Beten wiederum beybringen konten, ich aber
informirte ſelbſt alle meine Kinder fruͤh Morgens 2,
Stunden, und Abends auch ſo lange. Jhre Mut-
ter loͤſete mich hierinnen ordentlich ab, die uͤbrige Zeit
muſten ſie mit nuͤtzlicher Arbeit, ſo viel ihre Kraͤffte
vermochten, hinbringen, das Schieß-Gewehr brau-
chen lernen, Fiſche, Voͤgel, Ziegen und Wildpret
einfangen, in Summa, ſich in Zeiten ſo gewoͤhnen,
als ob ſie ſo wol als wir Zeit Lebens auf dieſer Jnſul
bleiben ſolten.

Jmmittelſt erzehlten wir Eltern unſern Kindern
oͤffters von der Lebens-Art der Menſchen in unſern
Vaterlaͤndern und andern Welt-Theilen auch von
unſern eigenen Geſchichten, ſo viel, als ihnen zu wiſ-
ſen noͤthig war: ſpuͤreten aber niemals, daß nur ein
eintziges von ihnen Luſt bezeugte ſelbige Laͤnder oder
Oerter zu ſehen, woruͤber ſich meine Ehe-Frau hertz-
lich vergnuͤgte, allein ich unterdruͤckte meinen, ſeit
einiger Zeit wieder aufgewachten Kummer, biß ei-
nes Taaes unſere aͤlteſten zwey Soͤhne eiligſt ge-
lauffen kamen, und berichteten: Wie daß ſich gantz
weit in der offenbaren See 3. groſſe Schiffe ſehen
lieſſen, worauf ſich ohnfehlbar Menſchen befinden
wuͤrden. Jhre Mutter gab ihnen zur Antwort:
Laſſet ſie fahren, meine Kinder, weil wir nicht wiſſen,
ob es gute oder boͤſe Menſchen ſind. Jch aber wur-
de von meinen Gemuͤths-Bewegungen dergeſtalt
uͤbermeiſtert, daß mir die Augen voll Thraͤnen lief-
fen, und ſolches zu verbergen, gieng ich ſtillſchwei-
gend in die Kammer, und legte mich mit Seuffzen
aufs Lager. Meine Concordia folgte mir auf dem
Fuſſe nach, breitete ſich uͤber mich und ſagte, nach-

dem
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[286/0300] und Beten wiederum beybringen konten, ich aber informirte ſelbſt alle meine Kinder fruͤh Morgens 2, Stunden, und Abends auch ſo lange. Jhre Mut- ter loͤſete mich hierinnen ordentlich ab, die uͤbrige Zeit muſten ſie mit nuͤtzlicher Arbeit, ſo viel ihre Kraͤffte vermochten, hinbringen, das Schieß-Gewehr brau- chen lernen, Fiſche, Voͤgel, Ziegen und Wildpret einfangen, in Summa, ſich in Zeiten ſo gewoͤhnen, als ob ſie ſo wol als wir Zeit Lebens auf dieſer Jnſul bleiben ſolten. Jmmittelſt erzehlten wir Eltern unſern Kindern oͤffters von der Lebens-Art der Menſchen in unſern Vaterlaͤndern und andern Welt-Theilen auch von unſern eigenen Geſchichten, ſo viel, als ihnen zu wiſ- ſen noͤthig war: ſpuͤreten aber niemals, daß nur ein eintziges von ihnen Luſt bezeugte ſelbige Laͤnder oder Oerter zu ſehen, woruͤber ſich meine Ehe-Frau hertz- lich vergnuͤgte, allein ich unterdruͤckte meinen, ſeit einiger Zeit wieder aufgewachten Kummer, biß ei- nes Taaes unſere aͤlteſten zwey Soͤhne eiligſt ge- lauffen kamen, und berichteten: Wie daß ſich gantz weit in der offenbaren See 3. groſſe Schiffe ſehen lieſſen, worauf ſich ohnfehlbar Menſchen befinden wuͤrden. Jhre Mutter gab ihnen zur Antwort: Laſſet ſie fahren, meine Kinder, weil wir nicht wiſſen, ob es gute oder boͤſe Menſchen ſind. Jch aber wur- de von meinen Gemuͤths-Bewegungen dergeſtalt uͤbermeiſtert, daß mir die Augen voll Thraͤnen lief- fen, und ſolches zu verbergen, gieng ich ſtillſchwei- gend in die Kammer, und legte mich mit Seuffzen aufs Lager. Meine Concordia folgte mir auf dem Fuſſe nach, breitete ſich uͤber mich und ſagte, nach- dem

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/300>, abgerufen am 17.05.2024.