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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

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rete dem treuhertzigen Paul noch einen Gulden, und
begab mich allein wieder auf den Weg nach meinem
Quartiere, weil mein allzustarck besoffener Weg-
weiser gar nicht von der Stelle zu bringen war.

Jch ließ mir von dem Wirthe die Mahlzeit auf
meiner Cammer vor mich alleine zubereiten, und
wiederholte dabey in Gedancken alles, was mir
Paul von dem Capitain Wolffgang erzehlet hatte.
Hauptsächlich hatte ich angemerckt, daß derselbe
ein vortreflich kinger und tapfferer See-Mann,
anbey zuweilen zwar sehr hitzig, doch aber bald wie-
der gelassen, gütig und freygebig sey, wie er denn
zum öfftern nicht allein seine Freunde und Boots-
Knechte, sondern auch andere gantz frembde mit sei-
nen grösten Schaden und Einbusse aus der Noth
gerissen. Dem ohngeacht hätten seine Untergebenen
vor wenig Jahren unter Wegs wider diesen ehrli-
chen Mann rebellirt, demselben bey nächtlicher
Weile Hände und Füsse gebunden, und ihn bey
einem wüsten Felsen ausgesetzt zurück gelassen. Doch
hätte vor einigen Monathen das Glücke den Capi-
tain
wieder gesund zurück geführet, und zwar mit
vielem Geld und Gütern versehen, auf was vor Art
er selbiges aber erworben, wuste Paul nicht zu sagen.
Jm übrigen sey er ein Mann von mitler Statur,
wohl gebildet und gewachsen, Teutscher Nation, et-
was über 40. Jahr alt, und Lutherischer Religion.

Wie ich nun mit allem Fleiß dahin gestrebet, be-
vor ich mich dem Capitain zu erkennen gäbe, erstlich
bey fremden Leuten sichere Kundschafft wegen sei-
nes Zustandes, Wesens, Gemüths- und Lebens-
Art einzuziehen, so konte mir diese Nachricht als

ein

rete dem treuhertzigen Paul noch einen Gulden, und
begab mich allein wieder auf den Weg nach meinem
Quartiere, weil mein allzuſtarck beſoffener Weg-
weiſer gar nicht von der Stelle zu bringen war.

Jch ließ mir von dem Wirthe die Mahlzeit auf
meiner Cammer vor mich alleine zubereiten, und
wiederholte dabey in Gedancken alles, was mir
Paul von dem Capitain Wolffgang erzehlet hatte.
Hauptſaͤchlich hatte ich angemerckt, daß derſelbe
ein vortreflich kinger und tapfferer See-Mann,
anbey zuweilen zwar ſehr hitzig, doch aber bald wie-
der gelaſſen, guͤtig und freygebig ſey, wie er denn
zum oͤfftern nicht allein ſeine Freunde und Boots-
Knechte, ſondern auch andere gantz frembde mit ſei-
nen groͤſten Schaden und Einbuſſe aus der Noth
geriſſen. Dem ohngeacht haͤtten ſeine Untergebenen
vor wenig Jahren unter Wegs wider dieſen ehrli-
chen Mann rebellirt, demſelben bey naͤchtlicher
Weile Haͤnde und Fuͤſſe gebunden, und ihn bey
einem wuͤſten Felſen ausgeſetzt zuruͤck gelaſſen. Doch
haͤtte vor einigen Monathen das Gluͤcke den Capi-
tain
wieder geſund zuruͤck gefuͤhret, und zwar mit
vielem Geld und Guͤtern verſehen, auf was vor Art
er ſelbiges aber erworben, wuſte Paul nicht zu ſagen.
Jm uͤbrigen ſey er ein Mann von mitler Statur,
wohl gebildet und gewachſen, Teutſcher Nation, et-
was uͤber 40. Jahr alt, und Lutheriſcher Religion.

Wie ich nun mit allem Fleiß dahin geſtrebet, be-
vor ich mich dem Capitain zu erkennen gaͤbe, erſtlich
bey fremden Leuten ſichere Kundſchafft wegen ſei-
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Art einzuziehen, ſo konte mir dieſe Nachricht als

ein
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[15/0027] rete dem treuhertzigen Paul noch einen Gulden, und begab mich allein wieder auf den Weg nach meinem Quartiere, weil mein allzuſtarck beſoffener Weg- weiſer gar nicht von der Stelle zu bringen war. Jch ließ mir von dem Wirthe die Mahlzeit auf meiner Cammer vor mich alleine zubereiten, und wiederholte dabey in Gedancken alles, was mir Paul von dem Capitain Wolffgang erzehlet hatte. Hauptſaͤchlich hatte ich angemerckt, daß derſelbe ein vortreflich kinger und tapfferer See-Mann, anbey zuweilen zwar ſehr hitzig, doch aber bald wie- der gelaſſen, guͤtig und freygebig ſey, wie er denn zum oͤfftern nicht allein ſeine Freunde und Boots- Knechte, ſondern auch andere gantz frembde mit ſei- nen groͤſten Schaden und Einbuſſe aus der Noth geriſſen. Dem ohngeacht haͤtten ſeine Untergebenen vor wenig Jahren unter Wegs wider dieſen ehrli- chen Mann rebellirt, demſelben bey naͤchtlicher Weile Haͤnde und Fuͤſſe gebunden, und ihn bey einem wuͤſten Felſen ausgeſetzt zuruͤck gelaſſen. Doch haͤtte vor einigen Monathen das Gluͤcke den Capi- tain wieder geſund zuruͤck gefuͤhret, und zwar mit vielem Geld und Guͤtern verſehen, auf was vor Art er ſelbiges aber erworben, wuſte Paul nicht zu ſagen. Jm uͤbrigen ſey er ein Mann von mitler Statur, wohl gebildet und gewachſen, Teutſcher Nation, et- was uͤber 40. Jahr alt, und Lutheriſcher Religion. Wie ich nun mit allem Fleiß dahin geſtrebet, be- vor ich mich dem Capitain zu erkennen gaͤbe, erſtlich bey fremden Leuten ſichere Kundſchafft wegen ſei- nes Zuſtandes, Weſens, Gemuͤths- und Lebens- Art einzuziehen, ſo konte mir dieſe Nachricht als ein

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/27>, abgerufen am 27.04.2024.