Mantel trug, durch den Felsen-Gang an die See spatzieren, wohin wir seit etlichen Monaten nicht ge- kommen, erblickten aber mit nicht geringer Verwun- derung, daß uns die Wellen einen starcken Vorrath von allerhand eingepackten Waaren und zerschei- terten Schiffs-Stücken zugeführet hatten. Jch fassete sogleich den Vorsatz, alles auf unsere Jnsul zu schaffen, allein, da mir ohnverhofft ein in ziemli- cher Weite vorbey fahrendes Schiff in die Augen kam, gerieth ich auf einmahl gantz ausser mir selbst, so bald aber mein Geist sich wieder erholte, fing ich an zu schreyen, zu schiessen, und mit einem Tuche zu win- cken, trieb auch solche mühsame wiewohl vergebliche Bemühung so lange, biß sich gegen Abend so wohl das vorbey fahrende Schiff als die Sonne aus un- serm Gesichte verlohr, da ich denn meines Theils gantz verdrüßlich und betrübt zurück kehrete, in lan- ter verwirrten Gedancken aber unterweges mit Concordien kein Wort redete, biß wir wieder in un- serer Behausung anlangten, allwo sich die 5. Affen als Wächter vor die Thür' gelagert hatten.
Concordia bereitete die Abend-Mahlzeit, wir speiseten, und hielten hierauf zusammen ein Ge- spräch, in welchem ich vermerckte, daß sich dieselbe wenig oder nichts um das vorbey gefahrne Schiff bekümmerte, auch grössere Lust auf dieser Jnsul zu sterben bezeugte, als sich in den Schutz srembder und vielleicht barbarischer Leute zu begeben. Jch hielte ihr zwar dergleichen Gedancken, als einer furchtsamen und schwachen Weibs-Person, die zumahlen ihres unglücklichen Schicksals halber ei-
nen
Mantel trug, durch den Felſen-Gang an die See ſpatzieren, wohin wir ſeit etlichen Monaten nicht ge- kommen, erblickten aber mit nicht geringer Verwun- derung, daß uns die Wellen einen ſtarcken Vorrath von allerhand eingepackten Waaren und zerſchei- terten Schiffs-Stuͤcken zugefuͤhret hatten. Jch faſſete ſogleich den Vorſatz, alles auf unſere Jnſul zu ſchaffen, allein, da mir ohnverhofft ein in ziemli- cher Weite vorbey fahrendes Schiff in die Augen kam, gerieth ich auf einmahl gantz auſſer mir ſelbſt, ſo bald aber mein Geiſt ſich wieder erholte, fing ich an zu ſchreyen, zu ſchieſſen, und mit einem Tuche zu win- cken, trieb auch ſolche muͤhſame wiewohl vergebliche Bemuͤhung ſo lange, biß ſich gegen Abend ſo wohl das vorbey fahrende Schiff als die Sonne aus un- ſerm Geſichte verlohr, da ich denn meines Theils gantz verdruͤßlich und betruͤbt zuruͤck kehrete, in lan- ter verwirrten Gedancken aber unterweges mit Concordien kein Wort redete, biß wir wieder in un- ſerer Behauſung anlangten, allwo ſich die 5. Affen als Waͤchter vor die Thuͤr’ gelagert hatten.
Concordia bereitete die Abend-Mahlzeit, wir ſpeiſeten, und hielten hierauf zuſammen ein Ge- ſpraͤch, in welchem ich vermerckte, daß ſich dieſelbe wenig oder nichts um das vorbey gefahrne Schiff bekuͤmmerte, auch groͤſſere Luſt auf dieſer Jnſul zu ſterben bezeugte, als ſich in den Schutz ſrembder und vielleicht barbariſcher Leute zu begeben. Jch hielte ihr zwar dergleichen Gedancken, als einer furchtſamen und ſchwachen Weibs-Perſon, die zumahlen ihres ungluͤcklichen Schickſals halber ei-
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Mantel trug, durch den Felſen-Gang an die See
ſpatzieren, wohin wir ſeit etlichen Monaten nicht ge-
kommen, erblickten aber mit nicht geringer Verwun-
derung, daß uns die Wellen einen ſtarcken Vorrath
von allerhand eingepackten Waaren und zerſchei-
terten Schiffs-Stuͤcken zugefuͤhret hatten. Jch
faſſete ſogleich den Vorſatz, alles auf unſere Jnſul
zu ſchaffen, allein, da mir ohnverhofft ein in ziemli-
cher Weite vorbey fahrendes Schiff in die Augen
kam, gerieth ich auf einmahl gantz auſſer mir ſelbſt, ſo
bald aber mein Geiſt ſich wieder erholte, fing ich an
zu ſchreyen, zu ſchieſſen, und mit einem Tuche zu win-
cken, trieb auch ſolche muͤhſame wiewohl vergebliche
Bemuͤhung ſo lange, biß ſich gegen Abend ſo wohl
das vorbey fahrende Schiff als die Sonne aus un-
ſerm Geſichte verlohr, da ich denn meines Theils
gantz verdruͤßlich und betruͤbt zuruͤck kehrete, in lan-
ter verwirrten Gedancken aber unterweges mit
Concordien kein Wort redete, biß wir wieder in un-
ſerer Behauſung anlangten, allwo ſich die 5. Affen
als Waͤchter vor die Thuͤr’ gelagert hatten.
Concordia bereitete die Abend-Mahlzeit, wir
ſpeiſeten, und hielten hierauf zuſammen ein Ge-
ſpraͤch, in welchem ich vermerckte, daß ſich dieſelbe
wenig oder nichts um das vorbey gefahrne Schiff
bekuͤmmerte, auch groͤſſere Luſt auf dieſer Jnſul zu
ſterben bezeugte, als ſich in den Schutz ſrembder
und vielleicht barbariſcher Leute zu begeben. Jch
hielte ihr zwar dergleichen Gedancken, als einer
furchtſamen und ſchwachen Weibs-Perſon, die
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage folgte schon 1732. Zum Zeitpunkt der Digitalisierung stand nur die dritte Auflage von 1740 zur Verfügung. (Link zur Erstausgabe: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:3:1-459276)
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/262>, abgerufen am 27.11.2024.
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