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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

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tzen könten, suchte ich die Concordia so wohl als
mich selbst zur Gedult zu bewegen, und dieses ge-
lunge mir auch in so weit, daß wir einander zusag-
ten: alles unser Bekümmerniß dem Himmel anzu-
befehlen, und mit täglichen fleißigen Gebet und
wahrer GOtt-Gelassenheit zu erwarten, was der-
selbe ferner über uns verhängen würde.

Demnach wifcheten wir die Thränen aus den
Augen, stelleten uns recht hertzhaffug an, nahmen
Speise und Tranck und suchten, nachdem wir
mit einander andächtig gebetet und gesungen, ein
jedes seine besondere Ruhe-Stelle, und zwar beyde
in einer Kammer. Concordia verfiel in einen süs-
sen Schlaff, ich aber konte wegen meiner hefftig
schmertzenden Wunden, die in Ermangelung gu-
ter Pflaster und Salben nur bloß mit Leinwand be-
deckt und umwunden waren, fast kein Auge zuthun,
doch da ich fast gegen Morgen etwa eine Stunde
geschlummert haben mochte, fing Concordia er-
bärmlich zu winseln und zu wehklagen an, da ich
nun vermeinete, daß sie solches wegen eines schwe-
ren Traums etwa im Schlaffe thäte, und sie
sanffte zu ermuntern aufstund, richtete sich diesel-
be auf einmahl in die Höhe, und sagte, indem ihr
die größten Thränen-Tropffen von den Wangen
herunter rolleten: Ach, Monsieur Albert! Ach,
nunmehro befinde ich mich auf der höchsten Staffel
meines Elendes! Ach Himmel, erbarme dich mei-
nes Jammers! Du weist ja, daß ich die Unzucht
und Unkeischheit zeit Lebens von Grund der See-
len gehasset und die Keuschheit vor mein bestes
Kleinod geschätzet. Zwar habe mich durch über-

mäßige

tzen koͤnten, ſuchte ich die Concordia ſo wohl als
mich ſelbſt zur Gedult zu bewegen, und dieſes ge-
lunge mir auch in ſo weit, daß wir einander zuſag-
ten: alles unſer Bekuͤmmerniß dem Himmel anzu-
befehlen, und mit taͤglichen fleißigen Gebet und
wahrer GOtt-Gelaſſenheit zu erwarten, was der-
ſelbe ferner uͤber uns verhaͤngen wuͤrde.

Demnach wifcheten wir die Thraͤnen aus den
Augen, ſtelleten uns recht hertzhaffug an, nahmen
Speiſe und Tranck und ſuchten, nachdem wir
mit einander andaͤchtig gebetet und geſungen, ein
jedes ſeine beſondere Ruhe-Stelle, und zwar beyde
in einer Kammer. Concordia verfiel in einen ſuͤſ-
ſen Schlaff, ich aber konte wegen meiner hefftig
ſchmertzenden Wunden, die in Ermangelung gu-
ter Pflaſter und Salben nur bloß mit Leinwand be-
deckt und umwunden waren, faſt kein Auge zuthun,
doch da ich faſt gegen Morgen etwa eine Stunde
geſchlummert haben mochte, fing Concordia er-
baͤrmlich zu winſeln und zu wehklagen an, da ich
nun vermeinete, daß ſie ſolches wegen eines ſchwe-
ren Traums etwa im Schlaffe thaͤte, und ſie
ſanffte zu ermuntern aufſtund, richtete ſich dieſel-
be auf einmahl in die Hoͤhe, und ſagte, indem ihr
die groͤßten Thraͤnen-Tropffen von den Wangen
herunter rolleten: Ach, Monſieur Albert! Ach,
nunmehro befinde ich mich auf der hoͤchſten Staffel
meines Elendes! Ach Himmel, erbarme dich mei-
nes Jammers! Du weiſt ja, daß ich die Unzucht
und Unkeiſchheit zeit Lebens von Grund der See-
len gehaſſet und die Keuſchheit vor mein beſtes
Kleinod geſchaͤtzet. Zwar habe mich durch uͤber-

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[220/0234] tzen koͤnten, ſuchte ich die Concordia ſo wohl als mich ſelbſt zur Gedult zu bewegen, und dieſes ge- lunge mir auch in ſo weit, daß wir einander zuſag- ten: alles unſer Bekuͤmmerniß dem Himmel anzu- befehlen, und mit taͤglichen fleißigen Gebet und wahrer GOtt-Gelaſſenheit zu erwarten, was der- ſelbe ferner uͤber uns verhaͤngen wuͤrde. Demnach wifcheten wir die Thraͤnen aus den Augen, ſtelleten uns recht hertzhaffug an, nahmen Speiſe und Tranck und ſuchten, nachdem wir mit einander andaͤchtig gebetet und geſungen, ein jedes ſeine beſondere Ruhe-Stelle, und zwar beyde in einer Kammer. Concordia verfiel in einen ſuͤſ- ſen Schlaff, ich aber konte wegen meiner hefftig ſchmertzenden Wunden, die in Ermangelung gu- ter Pflaſter und Salben nur bloß mit Leinwand be- deckt und umwunden waren, faſt kein Auge zuthun, doch da ich faſt gegen Morgen etwa eine Stunde geſchlummert haben mochte, fing Concordia er- baͤrmlich zu winſeln und zu wehklagen an, da ich nun vermeinete, daß ſie ſolches wegen eines ſchwe- ren Traums etwa im Schlaffe thaͤte, und ſie ſanffte zu ermuntern aufſtund, richtete ſich dieſel- be auf einmahl in die Hoͤhe, und ſagte, indem ihr die groͤßten Thraͤnen-Tropffen von den Wangen herunter rolleten: Ach, Monſieur Albert! Ach, nunmehro befinde ich mich auf der hoͤchſten Staffel meines Elendes! Ach Himmel, erbarme dich mei- nes Jammers! Du weiſt ja, daß ich die Unzucht und Unkeiſchheit zeit Lebens von Grund der See- len gehaſſet und die Keuſchheit vor mein beſtes Kleinod geſchaͤtzet. Zwar habe mich durch uͤber- maͤßige

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/234>, abgerufen am 23.11.2024.