Menschen, der der Erden eine verfluchte unnütze Last, dem Teuffel aber eine desto nützlichere Crea- tur gewesen. Welcher Mensch, der nur ein Fünck- lein Tugend in seiner Seelen hegt, wird nicht über dergleichen Abschaum aller Laster erstaunen und dessen durchteufeltes Gemüthe verfluchen? Jch vor meine Person hatte recht vom Glücke zu sagen, daß ich seinen Mord-Streichen noch so zu sagen mit blauen Augen entkommen, wiewohl ich an meinen empfangenen Wunden, die wegen der sau- ren Arbeit bey dem Begräbnisse dieses Höllenbran- des starck erhitzt wurden, nachhero Angst und Schmertzen genug auszustehen hatte.
Meine annoch eintzige Unglücks-Gefährtin, nehmlich die Concordia, traff ich bey meiner Zu- rückkunfft sich fast in Thränen badend an, weil ich nun der eintzige Zeuge ihres Jammers war, und desselben Ursprung nur allzu wohl wuste, wegen ihrer besondern Gottesfurcht und anderer Tugen- den aber in meiner Seelen ein hefftiges Mitleyden über ihr unglückliches Verhängniß hegte, und mein sebst eigenes Theil ziemlich dabey hatte, so war mir um soviel desto leichter, ihr im klagen und weinen Geselschafft zu leisten, also vertieffeten wir uns dermassen in unserer Betrübniß, daß wir den gantzen Tag biß zu einbrechender Nacht ohne Essen und Trincken bloß mit seuffzen, weinen und klagen binbrachten. Endlich da mir die ver- nünfftigen Gedancken wiederum einfielen, daß wir mit allzu übermäßiger Betrübniß unser Schicksal weder verbessern noch verschlimmern, die höchste Macht aber dadurch nur noch mehr zum Zorne rei-
tzen
Menſchen, der der Erden eine verfluchte unnuͤtze Laſt, dem Teuffel aber eine deſto nuͤtzlichere Crea- tur geweſen. Welcher Menſch, der nur ein Fuͤnck- lein Tugend in ſeiner Seelen hegt, wird nicht uͤber dergleichen Abſchaum aller Laſter erſtaunen und deſſen durchteufeltes Gemuͤthe verfluchen? Jch vor meine Perſon hatte recht vom Gluͤcke zu ſagen, daß ich ſeinen Mord-Streichen noch ſo zu ſagen mit blauen Augen entkommen, wiewohl ich an meinen empfangenen Wunden, die wegen der ſau- ren Arbeit bey dem Begraͤbniſſe dieſes Hoͤllenbran- des ſtarck erhitzt wurden, nachhero Angſt und Schmertzen genug auszuſtehen hatte.
Meine annoch eintzige Ungluͤcks-Gefaͤhrtin, nehmlich die Concordia, traff ich bey meiner Zu- ruͤckkunfft ſich faſt in Thraͤnen badend an, weil ich nun der eintzige Zeuge ihres Jammers war, und deſſelben Urſprung nur allzu wohl wuſte, wegen ihrer beſondern Gottesfurcht und anderer Tugen- den aber in meiner Seelen ein hefftiges Mitleyden uͤber ihr ungluͤckliches Verhaͤngniß hegte, und mein ſebſt eigenes Theil ziemlich dabey hatte, ſo war mir um ſoviel deſto leichter, ihr im klagen und weinen Geſelſchafft zu leiſten, alſo vertieffeten wir uns dermaſſen in unſerer Betruͤbniß, daß wir den gantzen Tag biß zu einbrechender Nacht ohne Eſſen und Trincken bloß mit ſeuffzen, weinen und klagen binbrachten. Endlich da mir die ver- nuͤnfftigen Gedancken wiederum einfielen, daß wir mit allzu uͤbermaͤßiger Betruͤbniß unſer Schickſal weder verbeſſern noch verſchlimmern, die hoͤchſte Macht aber dadurch nur noch mehr zum Zorne rei-
tzen
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0233"n="219"/>
Menſchen, der der Erden eine verfluchte unnuͤtze<lb/>
Laſt, dem Teuffel aber eine deſto nuͤtzlichere Crea-<lb/>
tur geweſen. Welcher Menſch, der nur ein Fuͤnck-<lb/>
lein Tugend in ſeiner Seelen hegt, wird nicht<lb/>
uͤber dergleichen Abſchaum aller Laſter erſtaunen<lb/>
und deſſen durchteufeltes Gemuͤthe verfluchen? Jch<lb/>
vor meine Perſon hatte recht vom Gluͤcke zu ſagen,<lb/>
daß ich ſeinen Mord-Streichen noch ſo zu ſagen<lb/>
mit blauen Augen entkommen, wiewohl ich an<lb/>
meinen empfangenen Wunden, die wegen der ſau-<lb/>
ren Arbeit bey dem Begraͤbniſſe dieſes Hoͤllenbran-<lb/>
des ſtarck erhitzt wurden, nachhero Angſt und<lb/>
Schmertzen genug auszuſtehen hatte.</p><lb/><p>Meine annoch eintzige Ungluͤcks-Gefaͤhrtin,<lb/>
nehmlich die <hirendition="#aq">Concordia,</hi> traff ich bey meiner Zu-<lb/>
ruͤckkunfft ſich faſt in Thraͤnen badend an, weil ich<lb/>
nun der eintzige Zeuge ihres Jammers war, und<lb/>
deſſelben Urſprung nur allzu wohl wuſte, wegen<lb/>
ihrer beſondern Gottesfurcht und anderer Tugen-<lb/>
den aber in meiner Seelen ein hefftiges Mitleyden<lb/>
uͤber ihr ungluͤckliches Verhaͤngniß hegte, und<lb/>
mein ſebſt eigenes Theil ziemlich dabey hatte, ſo<lb/>
war mir um ſoviel deſto leichter, ihr im klagen und<lb/>
weinen Geſelſchafft zu leiſten, alſo vertieffeten<lb/>
wir uns dermaſſen in unſerer Betruͤbniß, daß wir<lb/>
den gantzen Tag biß zu einbrechender Nacht ohne<lb/>
Eſſen und Trincken bloß mit ſeuffzen, weinen<lb/>
und klagen binbrachten. Endlich da mir die ver-<lb/>
nuͤnfftigen Gedancken wiederum einfielen, daß wir<lb/>
mit allzu uͤbermaͤßiger Betruͤbniß unſer Schickſal<lb/>
weder verbeſſern noch verſchlimmern, die hoͤchſte<lb/>
Macht aber dadurch nur noch mehr zum Zorne rei-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">tzen</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[219/0233]
Menſchen, der der Erden eine verfluchte unnuͤtze
Laſt, dem Teuffel aber eine deſto nuͤtzlichere Crea-
tur geweſen. Welcher Menſch, der nur ein Fuͤnck-
lein Tugend in ſeiner Seelen hegt, wird nicht
uͤber dergleichen Abſchaum aller Laſter erſtaunen
und deſſen durchteufeltes Gemuͤthe verfluchen? Jch
vor meine Perſon hatte recht vom Gluͤcke zu ſagen,
daß ich ſeinen Mord-Streichen noch ſo zu ſagen
mit blauen Augen entkommen, wiewohl ich an
meinen empfangenen Wunden, die wegen der ſau-
ren Arbeit bey dem Begraͤbniſſe dieſes Hoͤllenbran-
des ſtarck erhitzt wurden, nachhero Angſt und
Schmertzen genug auszuſtehen hatte.
Meine annoch eintzige Ungluͤcks-Gefaͤhrtin,
nehmlich die Concordia, traff ich bey meiner Zu-
ruͤckkunfft ſich faſt in Thraͤnen badend an, weil ich
nun der eintzige Zeuge ihres Jammers war, und
deſſelben Urſprung nur allzu wohl wuſte, wegen
ihrer beſondern Gottesfurcht und anderer Tugen-
den aber in meiner Seelen ein hefftiges Mitleyden
uͤber ihr ungluͤckliches Verhaͤngniß hegte, und
mein ſebſt eigenes Theil ziemlich dabey hatte, ſo
war mir um ſoviel deſto leichter, ihr im klagen und
weinen Geſelſchafft zu leiſten, alſo vertieffeten
wir uns dermaſſen in unſerer Betruͤbniß, daß wir
den gantzen Tag biß zu einbrechender Nacht ohne
Eſſen und Trincken bloß mit ſeuffzen, weinen
und klagen binbrachten. Endlich da mir die ver-
nuͤnfftigen Gedancken wiederum einfielen, daß wir
mit allzu uͤbermaͤßiger Betruͤbniß unſer Schickſal
weder verbeſſern noch verſchlimmern, die hoͤchſte
Macht aber dadurch nur noch mehr zum Zorne rei-
tzen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage folgte schon 1732. Zum Zeitpunkt der Digitalisierung stand nur die dritte Auflage von 1740 zur Verfügung. (Link zur Erstausgabe: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:3:1-459276)
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/233>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.