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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

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gehrte. Sie wusch beydes mehr mit Thränen, als
mit Wasser aus dem vorbey rinnen den Bächlein ab,
und küssete ihn ohngeacht des übeln Aussehens und
Geruchs vielfältige mahl, zohe den Ring von seinem
Finger, und ließ endlich unter hefftigen Jammer-
Klagen geschehen, daß ich den Cörper wieder ein-
wickelte, und auf vorige Art umwunde.

Sie halff mir denselben biß in un[se]re unterirrdi-
sche Höle tragen, woselbst er, weil ich nicht allein sehr
ermüdet, sondern es auch allbereit ziemlich spät war,
liegen blieb, und von uns beyden bewacht wurde.
Mit anbrechenden Tage machte ich ein Grab neben
des Don Cyrillo seinem, worein wir diesen lieben
verunglückten Freund, unter Vergiessung häufiger
Thränen begruben.

Lemelie, der unserer Arbeit von ferne zugesehen
hatte, kam erstlich des folgenden Tages wieder zu
uns, und bemühete sich mit Erzehlung allerhand
lustiger Geschichte, der Concordia Kummer zu ver-
treiben. Doch dieselbe sagte ihm ins Gesicht, daß
sie lieber mit dergleichen Zeitvertreibe verschonet
bleiben möchte, indem ihr Gemüthe nicht so leicht-
sinnig geartet, dergleichen höchst empfindlichen
Verlust solchergestalt zu verschmertzen. Derowe-
gen führete er zwar nachhero etwas vernünfftigere
Reden, doch Concordia, die bißhero fast so wenig
als nichts geruhet, verfiel darüber in einen tieffen
Schlaf, weswegen Lemelie und ich uns gleichfalls
in einer andern Ecke der Höle zur Ruhe legten. Je-
doch es schten, als ob dieser Mensch gantz besondere
Anfechtungen hätte, indem er so wohl diese, als viele
folgende Nachte, fast keine Stunde nach einander

ruhig

gehrte. Sie wuſch beydes mehr mit Thraͤnen, als
mit Waſſer aus dem vorbey rinnen den Baͤchlein ab,
und kuͤſſete ihn ohngeacht des uͤbeln Ausſehens und
Geruchs vielfaͤltige mahl, zohe den Ring von ſeinem
Finger, und ließ endlich unter hefftigen Jammer-
Klagen geſchehen, daß ich den Coͤrper wieder ein-
wickelte, und auf vorige Art umwunde.

Sie halff mir denſelben biß in un[ſe]re unterirrdi-
ſche Hoͤle tragen, woſelbſt er, weil ich nicht allein ſehr
ermuͤdet, ſondern es auch allbereit ziemlich ſpaͤt war,
liegen blieb, und von uns beyden bewacht wurde.
Mit anbrechenden Tage machte ich ein Grab neben
des Don Cyrillo ſeinem, worein wir dieſen lieben
verungluͤckten Freund, unter Vergieſſung haͤufiger
Thraͤnen begruben.

Lemelie, der unſerer Arbeit von ferne zugeſehen
hatte, kam erſtlich des folgenden Tages wieder zu
uns, und bemuͤhete ſich mit Erzehlung allerhand
luſtiger Geſchichte, der Concordia Kummer zu ver-
treiben. Doch dieſelbe ſagte ihm ins Geſicht, daß
ſie lieber mit dergleichen Zeitvertreibe verſchonet
bleiben moͤchte, indem ihr Gemuͤthe nicht ſo leicht-
ſinnig geartet, dergleichen hoͤchſt empfindlichen
Verluſt ſolchergeſtalt zu verſchmertzen. Derowe-
gen fuͤhrete er zwar nachhero etwas vernuͤnfftigere
Reden, doch Concordia, die bißhero faſt ſo wenig
als nichts geruhet, verfiel daruͤber in einen tieffen
Schlaf, weswegen Lemelie und ich uns gleichfalls
in einer andern Ecke der Hoͤle zur Ruhe legten. Je-
doch es ſchten, als ob dieſer Menſch gantz beſondere
Anfechtungen haͤtte, indem er ſo wohl dieſe, als viele
folgende Nachte, faſt keine Stunde nach einander

ruhig
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[206/0220] gehrte. Sie wuſch beydes mehr mit Thraͤnen, als mit Waſſer aus dem vorbey rinnen den Baͤchlein ab, und kuͤſſete ihn ohngeacht des uͤbeln Ausſehens und Geruchs vielfaͤltige mahl, zohe den Ring von ſeinem Finger, und ließ endlich unter hefftigen Jammer- Klagen geſchehen, daß ich den Coͤrper wieder ein- wickelte, und auf vorige Art umwunde. Sie halff mir denſelben biß in unſere unterirrdi- ſche Hoͤle tragen, woſelbſt er, weil ich nicht allein ſehr ermuͤdet, ſondern es auch allbereit ziemlich ſpaͤt war, liegen blieb, und von uns beyden bewacht wurde. Mit anbrechenden Tage machte ich ein Grab neben des Don Cyrillo ſeinem, worein wir dieſen lieben verungluͤckten Freund, unter Vergieſſung haͤufiger Thraͤnen begruben. Lemelie, der unſerer Arbeit von ferne zugeſehen hatte, kam erſtlich des folgenden Tages wieder zu uns, und bemuͤhete ſich mit Erzehlung allerhand luſtiger Geſchichte, der Concordia Kummer zu ver- treiben. Doch dieſelbe ſagte ihm ins Geſicht, daß ſie lieber mit dergleichen Zeitvertreibe verſchonet bleiben moͤchte, indem ihr Gemuͤthe nicht ſo leicht- ſinnig geartet, dergleichen hoͤchſt empfindlichen Verluſt ſolchergeſtalt zu verſchmertzen. Derowe- gen fuͤhrete er zwar nachhero etwas vernuͤnfftigere Reden, doch Concordia, die bißhero faſt ſo wenig als nichts geruhet, verfiel daruͤber in einen tieffen Schlaf, weswegen Lemelie und ich uns gleichfalls in einer andern Ecke der Hoͤle zur Ruhe legten. Je- doch es ſchten, als ob dieſer Menſch gantz beſondere Anfechtungen haͤtte, indem er ſo wohl dieſe, als viele folgende Nachte, faſt keine Stunde nach einander ruhig

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/220>, abgerufen am 23.11.2024.