Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite

hätte. Meine Verrichtungen bey ihm, bestunden
anfänglich fast in nichts, als im guten Essen und Trin-
cken, da ich aber binnen 6. Monathen recht gut En-
gell-und Holländisch reden und schreiben gelernet,
muste ich diejenigen Brieffe abfassen und schreiben,
welche mein Herr in seines Herrn Vaters Affairen
öffters selbst schreiben solte. Er warff wegen meiner
Fähigkeit und besondern Dienst-Geflissenheit eine
ungemeine Liebe auf mich, erwehlete auch, da er
gleich im Anfange des Jahrs 1646. abermahl | nach
Engelland reisen muste, sonsten niemanden als mich
zu seinem Reise-Gefährten. Was aber das nach-
dencklichste war, so muste ich, ehe wir auf dem En-
gelländischen Erdreich anlangeten, in Weibes-Klei-
der kriechen, und mich stellen, als ob ich meines Herru
Ehe-Frau wäre. Wir gingen nach Londen, und
logirten daselbst in einem Gast-Hofe, der das Ca-
stell
von Antwerpen genannt war, ich durffte wenig
aus dem Hause kommen, hergegen brachte mein
Herr fast täglich fremde Manns-Personen mit sich
in sein Logis, wobey ich meine Person dermassen
wohl zu spielen wuste, daß jederman nicht anders
vermeynte, als, ich sey meines Herrn junges Ehe-
Weib. Zu seiner und meiner Aufwartung aber,
hatte er zwey Englische Mägdgen und 4. Laquayen
angenommen, welche uns beyde nach Hertzens Lust
bedieneten.

Nachdem ich nun binnen etlichen Wochen aus
dem Grunde gelernet hatte, die Person eines Frauen-
zimmers zu spielen, sagte mein Herr eines Tages
zu mir: Liebster Julius, ich werde euch morgen

den
H 5

haͤtte. Meine Verrichtungen bey ihm, beſtunden
anfaͤnglich faſt in nichts, als im guten Eſſen und Trin-
cken, da ich aber binnen 6. Monathen recht gut En-
gell-und Hollaͤndiſch reden und ſchreiben gelernet,
muſte ich diejenigen Brieffe abfaſſen und ſchreiben,
welche mein Herr in ſeines Herrn Vaters Affairen
oͤffters ſelbſt ſchreiben ſolte. Er warff wegen meiner
Faͤhigkeit und beſondern Dienſt-Gefliſſenheit eine
ungemeine Liebe auf mich, erwehlete auch, da er
gleich im Anfange des Jahrs 1646. abermahl | nach
Engelland reiſen muſte, ſonſten niemanden als mich
zu ſeinem Reiſe-Gefaͤhrten. Was aber das nach-
dencklichſte war, ſo muſte ich, ehe wir auf dem En-
gellaͤndiſchen Erdreich anlangeten, in Weibes-Klei-
der kriechen, und mich ſtellen, als ob ich meines Herru
Ehe-Frau waͤre. Wir gingen nach Londen, und
logirten daſelbſt in einem Gaſt-Hofe, der das Ca-
ſtell
von Antwerpen genannt war, ich durffte wenig
aus dem Hauſe kommen, hergegen brachte mein
Herr faſt taͤglich fremde Manns-Perſonen mit ſich
in ſein Logis, wobey ich meine Perſon dermaſſen
wohl zu ſpielen wuſte, daß jederman nicht anders
vermeynte, als, ich ſey meines Herrn junges Ehe-
Weib. Zu ſeiner und meiner Aufwartung aber,
hatte er zwey Engliſche Maͤgdgen und 4. Laquayen
angenommen, welche uns beyde nach Hertzens Luſt
bedieneten.

Nachdem ich nun binnen etlichen Wochen aus
dem Grunde gelernet hatte, die Perſon eines Frauen-
zimmers zu ſpielen, ſagte mein Herr eines Tages
zu mir: Liebſter Julius, ich werde euch morgen

den
H 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0135" n="121"/>
ha&#x0364;tte. Meine Verrichtungen bey ihm, be&#x017F;tunden<lb/>
anfa&#x0364;nglich fa&#x017F;t in nichts, als im guten E&#x017F;&#x017F;en und Trin-<lb/>
cken, da ich aber binnen 6. Monathen recht gut En-<lb/>
gell-und Holla&#x0364;ndi&#x017F;ch reden und &#x017F;chreiben gelernet,<lb/>
mu&#x017F;te ich diejenigen Brieffe abfa&#x017F;&#x017F;en und &#x017F;chreiben,<lb/>
welche mein Herr in &#x017F;eines Herrn Vaters <hi rendition="#aq">Affair</hi>en<lb/>
o&#x0364;ffters &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;chreiben &#x017F;olte. Er warff wegen meiner<lb/>
Fa&#x0364;higkeit und be&#x017F;ondern Dien&#x017F;t-Gefli&#x017F;&#x017F;enheit eine<lb/>
ungemeine Liebe auf mich, erwehlete auch, da er<lb/>
gleich im Anfange des Jahrs 1646. abermahl | nach<lb/>
Engelland rei&#x017F;en mu&#x017F;te, &#x017F;on&#x017F;ten niemanden als mich<lb/>
zu &#x017F;einem Rei&#x017F;e-Gefa&#x0364;hrten. Was aber das nach-<lb/>
dencklich&#x017F;te war, &#x017F;o mu&#x017F;te ich, ehe wir auf dem En-<lb/>
gella&#x0364;ndi&#x017F;chen Erdreich anlangeten, in Weibes-Klei-<lb/>
der kriechen, und mich &#x017F;tellen, als ob ich meines Herru<lb/>
Ehe-Frau wa&#x0364;re. Wir gingen nach Londen, und<lb/><hi rendition="#aq">logirt</hi>en da&#x017F;elb&#x017F;t in einem Ga&#x017F;t-Hofe, der das <hi rendition="#aq">Ca-<lb/>
&#x017F;tell</hi> von Antwerpen genannt war, ich durffte wenig<lb/>
aus dem Hau&#x017F;e kommen, hergegen brachte mein<lb/>
Herr fa&#x017F;t ta&#x0364;glich fremde Manns-Per&#x017F;onen mit &#x017F;ich<lb/>
in &#x017F;ein <hi rendition="#aq">Logis,</hi> wobey ich meine Per&#x017F;on derma&#x017F;&#x017F;en<lb/>
wohl zu &#x017F;pielen wu&#x017F;te, daß jederman nicht anders<lb/>
vermeynte, als, ich &#x017F;ey meines Herrn junges Ehe-<lb/>
Weib. Zu &#x017F;einer und meiner Aufwartung aber,<lb/>
hatte er zwey Engli&#x017F;che Ma&#x0364;gdgen und 4. <hi rendition="#aq">Laquay</hi>en<lb/>
angenommen, welche uns beyde nach Hertzens Lu&#x017F;t<lb/>
bedieneten.</p><lb/>
        <p>Nachdem ich nun binnen etlichen Wochen aus<lb/>
dem Grunde gelernet hatte, die Per&#x017F;on eines Frauen-<lb/>
zimmers zu &#x017F;pielen, &#x017F;agte mein Herr eines Tages<lb/>
zu mir: Lieb&#x017F;ter <hi rendition="#aq">Julius,</hi> ich werde euch morgen<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">H 5</fw><fw place="bottom" type="catch">den</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[121/0135] haͤtte. Meine Verrichtungen bey ihm, beſtunden anfaͤnglich faſt in nichts, als im guten Eſſen und Trin- cken, da ich aber binnen 6. Monathen recht gut En- gell-und Hollaͤndiſch reden und ſchreiben gelernet, muſte ich diejenigen Brieffe abfaſſen und ſchreiben, welche mein Herr in ſeines Herrn Vaters Affairen oͤffters ſelbſt ſchreiben ſolte. Er warff wegen meiner Faͤhigkeit und beſondern Dienſt-Gefliſſenheit eine ungemeine Liebe auf mich, erwehlete auch, da er gleich im Anfange des Jahrs 1646. abermahl | nach Engelland reiſen muſte, ſonſten niemanden als mich zu ſeinem Reiſe-Gefaͤhrten. Was aber das nach- dencklichſte war, ſo muſte ich, ehe wir auf dem En- gellaͤndiſchen Erdreich anlangeten, in Weibes-Klei- der kriechen, und mich ſtellen, als ob ich meines Herru Ehe-Frau waͤre. Wir gingen nach Londen, und logirten daſelbſt in einem Gaſt-Hofe, der das Ca- ſtell von Antwerpen genannt war, ich durffte wenig aus dem Hauſe kommen, hergegen brachte mein Herr faſt taͤglich fremde Manns-Perſonen mit ſich in ſein Logis, wobey ich meine Perſon dermaſſen wohl zu ſpielen wuſte, daß jederman nicht anders vermeynte, als, ich ſey meines Herrn junges Ehe- Weib. Zu ſeiner und meiner Aufwartung aber, hatte er zwey Engliſche Maͤgdgen und 4. Laquayen angenommen, welche uns beyde nach Hertzens Luſt bedieneten. Nachdem ich nun binnen etlichen Wochen aus dem Grunde gelernet hatte, die Perſon eines Frauen- zimmers zu ſpielen, ſagte mein Herr eines Tages zu mir: Liebſter Julius, ich werde euch morgen den H 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/135
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/135>, abgerufen am 05.05.2024.