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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

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tern weit mehr als sonsten gesegnet hätte; doch da
wenig Wochen hernach sein Befreundter, ein
Amtmann aus den Braunschweigischen, diesen
meinen bißherigen Pflege-Vater besuchte, an mei-
nem stillen Wesen einen Gefallen hatte, meine
12. jährige Person von seinem Vetter ausbat, und
versicherte, mich nebst seinen Söhnen studiren zu
lassen, mithin den mitleidigen Priesters-Leuten
die halbe Last vom Halse nehmen wolte; liessen sich
diese bereden, und ich muste unter Vergiessung
häuffiger Thränen von ihnen und meinem lieben
Bruder Abschied nehmen, mit dem Amtmanne
aber ins Braunschweigische reisen. Daselbst nun
hatte ich die ersten 2. Jahre gute Zeit, und war
des Amtmanns Söhnen, die doch alle beyde älter
als ich, auch im Studiren weit voraus waren, wo
nicht vor doch gantz gleich gekommen. Dem ohn-
geacht vertrugen sich dieselben sehr wohl mit mir,
da aber ihre Mutter starb, und statt derselben ei-
ne junge Stieff-Mutter ins Hauß kam, zog zu-
gleich der Uneinigkeits-Teuffel mit ein. Denn
diese Bestie mochte nicht einmahl ihre Stieff-
Kinder, vielweniger mich, den sie nur den Bastard
und Fündling nennete, gern um sich sehen, stifftete
derowegen immerfort Zanck und Streit unter
uns, worbey ich jederzeit das meiste leiden muste,
ohngeachtich mich so wohl gegen sie als andere auf
alle ersinnliche Art demüthigte. Der Informator,
welcher es so hertzlich wohl mit mir meinete, muste
fort, an dessen Stelle aber schaffte die regierende
Domina einen ihr besser anständigen Studenten
herbey. Dieser gute Mensch war kaum zwey

Wochen
H

tern weit mehr als ſonſten geſegnet haͤtte; doch da
wenig Wochen hernach ſein Befreundter, ein
Amtmann aus den Braunſchweigiſchen, dieſen
meinen bißherigen Pflege-Vater beſuchte, an mei-
nem ſtillen Weſen einen Gefallen hatte, meine
12. jaͤhrige Perſon von ſeinem Vetter ausbat, und
verſicherte, mich nebſt ſeinen Soͤhnen ſtudiren zu
laſſen, mithin den mitleidigen Prieſters-Leuten
die halbe Laſt vom Halſe nehmen wolte; lieſſen ſich
dieſe bereden, und ich muſte unter Vergieſſung
haͤuffiger Thraͤnen von ihnen und meinem lieben
Bruder Abſchied nehmen, mit dem Amtmanne
aber ins Braunſchweigiſche reiſen. Daſelbſt nun
hatte ich die erſten 2. Jahre gute Zeit, und war
des Amtmanns Soͤhnen, die doch alle beyde aͤlter
als ich, auch im Studiren weit voraus waren, wo
nicht vor doch gantz gleich gekommen. Dem ohn-
geacht vertrugen ſich dieſelben ſehr wohl mit mir,
da aber ihre Mutter ſtarb, und ſtatt derſelben ei-
ne junge Stieff-Mutter ins Hauß kam, zog zu-
gleich der Uneinigkeits-Teuffel mit ein. Denn
dieſe Beſtie mochte nicht einmahl ihre Stieff-
Kinder, vielweniger mich, den ſie nur den Baſtard
und Fuͤndling nennete, gern um ſich ſehen, ſtifftete
derowegen immerfort Zanck und Streit unter
uns, worbey ich jederzeit das meiſte leiden muſte,
ohngeachtich mich ſo wohl gegen ſie als andere auf
alle erſinnliche Art demuͤthigte. Der Informator,
welcher es ſo hertzlich wohl mit mir meinete, muſte
fort, an deſſen Stelle aber ſchaffte die regierende
Domina einen ihr beſſer anſtaͤndigen Studenten
herbey. Dieſer gute Menſch war kaum zwey

Wochen
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[113/0127] tern weit mehr als ſonſten geſegnet haͤtte; doch da wenig Wochen hernach ſein Befreundter, ein Amtmann aus den Braunſchweigiſchen, dieſen meinen bißherigen Pflege-Vater beſuchte, an mei- nem ſtillen Weſen einen Gefallen hatte, meine 12. jaͤhrige Perſon von ſeinem Vetter ausbat, und verſicherte, mich nebſt ſeinen Soͤhnen ſtudiren zu laſſen, mithin den mitleidigen Prieſters-Leuten die halbe Laſt vom Halſe nehmen wolte; lieſſen ſich dieſe bereden, und ich muſte unter Vergieſſung haͤuffiger Thraͤnen von ihnen und meinem lieben Bruder Abſchied nehmen, mit dem Amtmanne aber ins Braunſchweigiſche reiſen. Daſelbſt nun hatte ich die erſten 2. Jahre gute Zeit, und war des Amtmanns Soͤhnen, die doch alle beyde aͤlter als ich, auch im Studiren weit voraus waren, wo nicht vor doch gantz gleich gekommen. Dem ohn- geacht vertrugen ſich dieſelben ſehr wohl mit mir, da aber ihre Mutter ſtarb, und ſtatt derſelben ei- ne junge Stieff-Mutter ins Hauß kam, zog zu- gleich der Uneinigkeits-Teuffel mit ein. Denn dieſe Beſtie mochte nicht einmahl ihre Stieff- Kinder, vielweniger mich, den ſie nur den Baſtard und Fuͤndling nennete, gern um ſich ſehen, ſtifftete derowegen immerfort Zanck und Streit unter uns, worbey ich jederzeit das meiſte leiden muſte, ohngeachtich mich ſo wohl gegen ſie als andere auf alle erſinnliche Art demuͤthigte. Der Informator, welcher es ſo hertzlich wohl mit mir meinete, muſte fort, an deſſen Stelle aber ſchaffte die regierende Domina einen ihr beſſer anſtaͤndigen Studenten herbey. Dieſer gute Menſch war kaum zwey Wochen H

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/127>, abgerufen am 26.11.2024.