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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Die Bevölkerungsfrage.
einer andern lokalen und berufsmäßigen Vertheilung
der Bevölkerung. Alle diese Aenderungen haben wieder
so mannigfache Vorbedingungen, vollziehen sich nur nach
so schweren Kämpfen, Irrungen, Gesetzesänderungen,
daß man sich nicht wundern darf, wenn sie häufig
zunächst hinter dem Zuwachs der Bevölkerung zurück-
bleiben. Und das ist, nicht allgemein, aber doch
jedenfalls in einzelnen Gegenden und Verhältnissen bei
uns der Fall. Die neuesten Resultate der Bevölkerungs-
statistik sind keine durchaus erfreulichen. Ich will nur
einige Punkte nach Engel, Wappäus und Horn anführen.
Obwohl die Zahl der überhaupt Verheiratheten, wie
die jährliche Trauungsziffer in Preußen ziemlich abge-
nommen, hat die verhältnißmäßige Zahl der Geburten
kaum etwas sich vermindert. Ein übermäßig großer Theil
der Neugebornen stirbt wieder in den ersten Jahren.
Preußen und einige andere deutsche Staaten haben
überhaupt die größte Kindersterblichkeit; besonders trifft
dieser Vorwurf die industrielle Bevölkerung. Der Acker-
bau erzeugt weniger, aber lebensfähigere Geburten.
Die Ursache ist naheliegend; ein übergroßer Theil der
Eltern ist nicht in der Lage, die große Zahl Kinder so
zu nähren und zu pflegen, daß sie das höhere Alter
erreichen, der Nation das wieder ersetzen, was sie in
ihrer Jugend gekostet. Es ist eine der schwersten
wirthschaftlichen Lasten für eine Nation, wenn sie
einen bestimmten Bevölkerungszuwachs, den sie mit
viel weniger Geburten und Todesfällen haben könnte,
so d. h. mit einer Ueberzahl Geburten und einer
übergroßen Kindersterblichkeit sich erwirbt. Es deutet

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Die Bevölkerungsfrage.
einer andern lokalen und berufsmäßigen Vertheilung
der Bevölkerung. Alle dieſe Aenderungen haben wieder
ſo mannigfache Vorbedingungen, vollziehen ſich nur nach
ſo ſchweren Kämpfen, Irrungen, Geſetzesänderungen,
daß man ſich nicht wundern darf, wenn ſie häufig
zunächſt hinter dem Zuwachs der Bevölkerung zurück-
bleiben. Und das iſt, nicht allgemein, aber doch
jedenfalls in einzelnen Gegenden und Verhältniſſen bei
uns der Fall. Die neueſten Reſultate der Bevölkerungs-
ſtatiſtik ſind keine durchaus erfreulichen. Ich will nur
einige Punkte nach Engel, Wappäus und Horn anführen.
Obwohl die Zahl der überhaupt Verheiratheten, wie
die jährliche Trauungsziffer in Preußen ziemlich abge-
nommen, hat die verhältnißmäßige Zahl der Geburten
kaum etwas ſich vermindert. Ein übermäßig großer Theil
der Neugebornen ſtirbt wieder in den erſten Jahren.
Preußen und einige andere deutſche Staaten haben
überhaupt die größte Kinderſterblichkeit; beſonders trifft
dieſer Vorwurf die induſtrielle Bevölkerung. Der Acker-
bau erzeugt weniger, aber lebensfähigere Geburten.
Die Urſache iſt naheliegend; ein übergroßer Theil der
Eltern iſt nicht in der Lage, die große Zahl Kinder ſo
zu nähren und zu pflegen, daß ſie das höhere Alter
erreichen, der Nation das wieder erſetzen, was ſie in
ihrer Jugend gekoſtet. Es iſt eine der ſchwerſten
wirthſchaftlichen Laſten für eine Nation, wenn ſie
einen beſtimmten Bevölkerungszuwachs, den ſie mit
viel weniger Geburten und Todesfällen haben könnte,
ſo d. h. mit einer Ueberzahl Geburten und einer
übergroßen Kinderſterblichkeit ſich erwirbt. Es deutet

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[691/0713] Die Bevölkerungsfrage. einer andern lokalen und berufsmäßigen Vertheilung der Bevölkerung. Alle dieſe Aenderungen haben wieder ſo mannigfache Vorbedingungen, vollziehen ſich nur nach ſo ſchweren Kämpfen, Irrungen, Geſetzesänderungen, daß man ſich nicht wundern darf, wenn ſie häufig zunächſt hinter dem Zuwachs der Bevölkerung zurück- bleiben. Und das iſt, nicht allgemein, aber doch jedenfalls in einzelnen Gegenden und Verhältniſſen bei uns der Fall. Die neueſten Reſultate der Bevölkerungs- ſtatiſtik ſind keine durchaus erfreulichen. Ich will nur einige Punkte nach Engel, Wappäus und Horn anführen. Obwohl die Zahl der überhaupt Verheiratheten, wie die jährliche Trauungsziffer in Preußen ziemlich abge- nommen, hat die verhältnißmäßige Zahl der Geburten kaum etwas ſich vermindert. Ein übermäßig großer Theil der Neugebornen ſtirbt wieder in den erſten Jahren. Preußen und einige andere deutſche Staaten haben überhaupt die größte Kinderſterblichkeit; beſonders trifft dieſer Vorwurf die induſtrielle Bevölkerung. Der Acker- bau erzeugt weniger, aber lebensfähigere Geburten. Die Urſache iſt naheliegend; ein übergroßer Theil der Eltern iſt nicht in der Lage, die große Zahl Kinder ſo zu nähren und zu pflegen, daß ſie das höhere Alter erreichen, der Nation das wieder erſetzen, was ſie in ihrer Jugend gekoſtet. Es iſt eine der ſchwerſten wirthſchaftlichen Laſten für eine Nation, wenn ſie einen beſtimmten Bevölkerungszuwachs, den ſie mit viel weniger Geburten und Todesfällen haben könnte, ſo d. h. mit einer Ueberzahl Geburten und einer übergroßen Kinderſterblichkeit ſich erwirbt. Es deutet 44 *

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 691. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/713>, abgerufen am 24.11.2024.