Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Frauenarbeit in der Schneiderei u. d. Weißwaarengeschäft.
den Berliner Geheimrathstöchtern nicht mehr konkurriren,
so billig, wie jene, können sie nicht arbeiten. Das alles
drückt auf die kleinen Geschäfte, während die großen
den Vortheil billiger und guter Arbeit dadurch haben.

Daß es nicht ganz klar sei, ob unter den obigen
Zahlen auch die Weißwaarengeschäfte begriffen sind,
erwähnte ich schon. Ich will über sie nur noch ein
paar Worte hinzufügen. Die Anfertigung der Leib-
und Bettwäsche war früher ausschließlich Sache der
Hausfrau; doch entstanden schon in den vierziger Jahren
große Geschäfte, welche auf Lager arbeiten ließen, die
eigentliche Ausbildung des Geschäfts, vor Allem die
Ausdehnung des Exports, fand erst in letzter Zeit statt.
Den lokalen Markt versorgen überall die lokalen Lein-
wandhandlungen, die fast durchaus jetzt auch fertige
Wäsche verkaufen; das Hauptgeschäft aber konzentrirt
sich in den Gegenden der Gewebeindustrie, sowie in den
Hauptstädten, in Berlin, Dresden, Wien etc. Von Sachsen
erzählte ich schon oben, daß mit der Nähmaschine die
Geschäfte dieser Art einen neuen Impuls bekommen,
daß dadurch die Hausindustrie wieder eine Kräftigung
erhalten habe. Anderwärts freilich siegt der Fabrik-
betrieb. Von Bielefeld wird 1867 in Bezug auf die
Fabrikation fertiger Wäsche geschrieben:1 "Eine weitere

1 Preuß. Handelskammerbericht pro 1867, S. 964. Sehr
groß ist dieses Geschäft in Frankreich; der östr. Ausstellungs-
bericht IV, 193 schätzt den Werth der jährlichen Produktion auf-
100 Mill. Frcs. Der Hauptsitz des Geschäfts ist in Paris; die
großen Lingerie-geschäfte lassen aber nicht selbst arbeiten, son-

Die Frauenarbeit in der Schneiderei u. d. Weißwaarengeſchäft.
den Berliner Geheimrathstöchtern nicht mehr konkurriren,
ſo billig, wie jene, können ſie nicht arbeiten. Das alles
drückt auf die kleinen Geſchäfte, während die großen
den Vortheil billiger und guter Arbeit dadurch haben.

Daß es nicht ganz klar ſei, ob unter den obigen
Zahlen auch die Weißwaarengeſchäfte begriffen ſind,
erwähnte ich ſchon. Ich will über ſie nur noch ein
paar Worte hinzufügen. Die Anfertigung der Leib-
und Bettwäſche war früher ausſchließlich Sache der
Hausfrau; doch entſtanden ſchon in den vierziger Jahren
große Geſchäfte, welche auf Lager arbeiten ließen, die
eigentliche Ausbildung des Geſchäfts, vor Allem die
Ausdehnung des Exports, fand erſt in letzter Zeit ſtatt.
Den lokalen Markt verſorgen überall die lokalen Lein-
wandhandlungen, die faſt durchaus jetzt auch fertige
Wäſche verkaufen; das Hauptgeſchäft aber konzentrirt
ſich in den Gegenden der Gewebeinduſtrie, ſowie in den
Hauptſtädten, in Berlin, Dresden, Wien ꝛc. Von Sachſen
erzählte ich ſchon oben, daß mit der Nähmaſchine die
Geſchäfte dieſer Art einen neuen Impuls bekommen,
daß dadurch die Hausinduſtrie wieder eine Kräftigung
erhalten habe. Anderwärts freilich ſiegt der Fabrik-
betrieb. Von Bielefeld wird 1867 in Bezug auf die
Fabrikation fertiger Wäſche geſchrieben:1 „Eine weitere

1 Preuß. Handelskammerbericht pro 1867, S. 964. Sehr
groß iſt dieſes Geſchäft in Frankreich; der öſtr. Ausſtellungs-
bericht IV, 193 ſchätzt den Werth der jährlichen Produktion auf-
100 Mill. Frcs. Der Hauptſitz des Geſchäfts iſt in Paris; die
großen Lingerie-geſchäfte laſſen aber nicht ſelbſt arbeiten, ſon-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0671" n="649"/><fw place="top" type="header">Die Frauenarbeit in der Schneiderei u. d. Weißwaarenge&#x017F;chäft.</fw><lb/>
den Berliner Geheimrathstöchtern nicht mehr konkurriren,<lb/>
&#x017F;o billig, wie jene, können &#x017F;ie nicht arbeiten. Das alles<lb/>
drückt auf die kleinen Ge&#x017F;chäfte, während die großen<lb/>
den Vortheil billiger und guter Arbeit dadurch haben.</p><lb/>
          <p>Daß es nicht ganz klar &#x017F;ei, ob unter den obigen<lb/>
Zahlen auch die Weißwaarenge&#x017F;chäfte begriffen &#x017F;ind,<lb/>
erwähnte ich &#x017F;chon. Ich will über &#x017F;ie nur noch ein<lb/>
paar Worte hinzufügen. Die Anfertigung der Leib-<lb/>
und Bettwä&#x017F;che war früher aus&#x017F;chließlich Sache der<lb/>
Hausfrau; doch ent&#x017F;tanden &#x017F;chon in den vierziger Jahren<lb/>
große Ge&#x017F;chäfte, welche auf Lager arbeiten ließen, die<lb/>
eigentliche Ausbildung des Ge&#x017F;chäfts, vor Allem die<lb/>
Ausdehnung des Exports, fand er&#x017F;t in letzter Zeit &#x017F;tatt.<lb/>
Den lokalen Markt ver&#x017F;orgen überall die lokalen Lein-<lb/>
wandhandlungen, die fa&#x017F;t durchaus jetzt auch fertige<lb/>&#x017F;che verkaufen; das Hauptge&#x017F;chäft aber konzentrirt<lb/>
&#x017F;ich in den Gegenden der Gewebeindu&#x017F;trie, &#x017F;owie in den<lb/>
Haupt&#x017F;tädten, in Berlin, Dresden, Wien &#xA75B;c. Von Sach&#x017F;en<lb/>
erzählte ich &#x017F;chon oben, daß mit der Nähma&#x017F;chine die<lb/>
Ge&#x017F;chäfte die&#x017F;er Art einen neuen Impuls bekommen,<lb/>
daß dadurch die Hausindu&#x017F;trie wieder eine Kräftigung<lb/>
erhalten habe. Anderwärts freilich &#x017F;iegt der Fabrik-<lb/>
betrieb. Von Bielefeld wird 1867 in Bezug auf die<lb/>
Fabrikation fertiger Wä&#x017F;che ge&#x017F;chrieben:<note xml:id="seg2pn_14_1" next="#seg2pn_14_2" place="foot" n="1">Preuß. Handelskammerbericht pro 1867, S. 964. Sehr<lb/>
groß i&#x017F;t die&#x017F;es Ge&#x017F;chäft in Frankreich; der ö&#x017F;tr. Aus&#x017F;tellungs-<lb/>
bericht <hi rendition="#aq">IV,</hi> 193 &#x017F;chätzt den Werth der jährlichen Produktion auf-<lb/>
100 Mill. Frcs. Der Haupt&#x017F;itz des Ge&#x017F;chäfts i&#x017F;t in Paris; die<lb/>
großen <hi rendition="#aq">Lingerie</hi>-ge&#x017F;chäfte la&#x017F;&#x017F;en aber nicht &#x017F;elb&#x017F;t arbeiten, &#x017F;on-</note> &#x201E;Eine weitere<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[649/0671] Die Frauenarbeit in der Schneiderei u. d. Weißwaarengeſchäft. den Berliner Geheimrathstöchtern nicht mehr konkurriren, ſo billig, wie jene, können ſie nicht arbeiten. Das alles drückt auf die kleinen Geſchäfte, während die großen den Vortheil billiger und guter Arbeit dadurch haben. Daß es nicht ganz klar ſei, ob unter den obigen Zahlen auch die Weißwaarengeſchäfte begriffen ſind, erwähnte ich ſchon. Ich will über ſie nur noch ein paar Worte hinzufügen. Die Anfertigung der Leib- und Bettwäſche war früher ausſchließlich Sache der Hausfrau; doch entſtanden ſchon in den vierziger Jahren große Geſchäfte, welche auf Lager arbeiten ließen, die eigentliche Ausbildung des Geſchäfts, vor Allem die Ausdehnung des Exports, fand erſt in letzter Zeit ſtatt. Den lokalen Markt verſorgen überall die lokalen Lein- wandhandlungen, die faſt durchaus jetzt auch fertige Wäſche verkaufen; das Hauptgeſchäft aber konzentrirt ſich in den Gegenden der Gewebeinduſtrie, ſowie in den Hauptſtädten, in Berlin, Dresden, Wien ꝛc. Von Sachſen erzählte ich ſchon oben, daß mit der Nähmaſchine die Geſchäfte dieſer Art einen neuen Impuls bekommen, daß dadurch die Hausinduſtrie wieder eine Kräftigung erhalten habe. Anderwärts freilich ſiegt der Fabrik- betrieb. Von Bielefeld wird 1867 in Bezug auf die Fabrikation fertiger Wäſche geſchrieben: 1 „Eine weitere 1 Preuß. Handelskammerbericht pro 1867, S. 964. Sehr groß iſt dieſes Geſchäft in Frankreich; der öſtr. Ausſtellungs- bericht IV, 193 ſchätzt den Werth der jährlichen Produktion auf- 100 Mill. Frcs. Der Hauptſitz des Geſchäfts iſt in Paris; die großen Lingerie-geſchäfte laſſen aber nicht ſelbſt arbeiten, ſon-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/671
Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 649. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/671>, abgerufen am 18.05.2024.