ganze Reihe der verschiedenartigsten und komplizirtesten Kulturbedingungen nothwendig: staatliche und soziale Zu- stände, Bevölkerungsdichtigkeit, Kapitalansammlung, per- sönliche Kräfte, Kenntnisse, moralische Eigenschaften, Handelsverbindungen und manches Andere. Viele dieser Vorbedingungen sind von beiden Prinzipien gleich unab- hängig. Auf andere Vorbedingungen aber wirken sie, und das Urtheil über sie richtet sich eben danach, ob und wie sie auf eine Anzahl dieser Vorbedingungen fördernd wirken. Jedes der beiden Prinzipien wird bei der Man- nigfaltigkeit der realen Verhältnisse da und dort hem- men, da und dort fördern. Jedes ist dann am Platze, wenn es nach den zeitlichen Gesammtverhältnissen von Land und Volk im Ganzen mehr fördert, als hemmt. Je nach den psychologischen, moralischen und sozialen Ver- hältnissen wird das eine so sehr am Platze sein, wie das andere. Ein zartes Pflänzchen ist ein ander Ding als eine mehrhundertjährige Eiche, ein Kind bedarf anderer Pflege als der Mann. Niemals aber wird man Fana- tiker des Prinzips sein dürfen, weil man es immer auch zu einer bestimmten Zeit und in einem bestimmten Staate mit den verschiedenartigsten Menschen, Kräften und Zu- ständen zu thun hat. Es wird auch in Zeiten allge- meinster Staatseinmischung Verhältnisse geben, wo freie Bewegung, freie Konkurrenz am Platze ist; umgekehrt auch in Zeiten allgemeiner Gewerbefreiheit wird es Punkte geben, wo staatliche Aufsicht, polizeiliche Vor- schriften am Platze sind, weil sie im konkreten Falle die Vorbedingungen gewerblichen Lebens, technische Ge- schicklichkeit, angestrengte Arbeitsenergie, reelle Ehrlichkeit,
Würdigung der preuß. Gewerbepolizei.
ganze Reihe der verſchiedenartigſten und komplizirteſten Kulturbedingungen nothwendig: ſtaatliche und ſoziale Zu- ſtände, Bevölkerungsdichtigkeit, Kapitalanſammlung, per- ſönliche Kräfte, Kenntniſſe, moraliſche Eigenſchaften, Handelsverbindungen und manches Andere. Viele dieſer Vorbedingungen ſind von beiden Prinzipien gleich unab- hängig. Auf andere Vorbedingungen aber wirken ſie, und das Urtheil über ſie richtet ſich eben danach, ob und wie ſie auf eine Anzahl dieſer Vorbedingungen fördernd wirken. Jedes der beiden Prinzipien wird bei der Man- nigfaltigkeit der realen Verhältniſſe da und dort hem- men, da und dort fördern. Jedes iſt dann am Platze, wenn es nach den zeitlichen Geſammtverhältniſſen von Land und Volk im Ganzen mehr fördert, als hemmt. Je nach den pſychologiſchen, moraliſchen und ſozialen Ver- hältniſſen wird das eine ſo ſehr am Platze ſein, wie das andere. Ein zartes Pflänzchen iſt ein ander Ding als eine mehrhundertjährige Eiche, ein Kind bedarf anderer Pflege als der Mann. Niemals aber wird man Fana- tiker des Prinzips ſein dürfen, weil man es immer auch zu einer beſtimmten Zeit und in einem beſtimmten Staate mit den verſchiedenartigſten Menſchen, Kräften und Zu- ſtänden zu thun hat. Es wird auch in Zeiten allge- meinſter Staatseinmiſchung Verhältniſſe geben, wo freie Bewegung, freie Konkurrenz am Platze iſt; umgekehrt auch in Zeiten allgemeiner Gewerbefreiheit wird es Punkte geben, wo ſtaatliche Aufſicht, polizeiliche Vor- ſchriften am Platze ſind, weil ſie im konkreten Falle die Vorbedingungen gewerblichen Lebens, techniſche Ge- ſchicklichkeit, angeſtrengte Arbeitsenergie, reelle Ehrlichkeit,
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[41/0063]
Würdigung der preuß. Gewerbepolizei.
ganze Reihe der verſchiedenartigſten und komplizirteſten
Kulturbedingungen nothwendig: ſtaatliche und ſoziale Zu-
ſtände, Bevölkerungsdichtigkeit, Kapitalanſammlung, per-
ſönliche Kräfte, Kenntniſſe, moraliſche Eigenſchaften,
Handelsverbindungen und manches Andere. Viele dieſer
Vorbedingungen ſind von beiden Prinzipien gleich unab-
hängig. Auf andere Vorbedingungen aber wirken ſie,
und das Urtheil über ſie richtet ſich eben danach, ob und
wie ſie auf eine Anzahl dieſer Vorbedingungen fördernd
wirken. Jedes der beiden Prinzipien wird bei der Man-
nigfaltigkeit der realen Verhältniſſe da und dort hem-
men, da und dort fördern. Jedes iſt dann am Platze,
wenn es nach den zeitlichen Geſammtverhältniſſen von
Land und Volk im Ganzen mehr fördert, als hemmt.
Je nach den pſychologiſchen, moraliſchen und ſozialen Ver-
hältniſſen wird das eine ſo ſehr am Platze ſein, wie das
andere. Ein zartes Pflänzchen iſt ein ander Ding als
eine mehrhundertjährige Eiche, ein Kind bedarf anderer
Pflege als der Mann. Niemals aber wird man Fana-
tiker des Prinzips ſein dürfen, weil man es immer auch
zu einer beſtimmten Zeit und in einem beſtimmten Staate
mit den verſchiedenartigſten Menſchen, Kräften und Zu-
ſtänden zu thun hat. Es wird auch in Zeiten allge-
meinſter Staatseinmiſchung Verhältniſſe geben, wo freie
Bewegung, freie Konkurrenz am Platze iſt; umgekehrt
auch in Zeiten allgemeiner Gewerbefreiheit wird es
Punkte geben, wo ſtaatliche Aufſicht, polizeiliche Vor-
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ſchicklichkeit, angeſtrengte Arbeitsenergie, reelle Ehrlichkeit,
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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/63>, abgerufen am 16.02.2025.
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