genossenschaften anführt; es sind Baumwoll- und Leine- weber, Tuchmacher und Shawlweber darunter. Ein wesentlicher Fortschritt findet nicht statt; schon in dem Bericht von 1863 zählt er 10 Weberassoziationen für gemeinsamen Einkauf oder gemeinsame Produktion auf. Außerdem sind mir nur noch eine Anzahl sächsischer Genossenschaften bekannt, welche den einzigen Zweck ver- folgen, den Faktor und dessen drückendes Zwischengeschäft entbehrlich zu machen.1 Aber was will das heißen gegen die Hunderte und Tausende von kleinen Meistern, die im Laufe der letzten 30 Jahre zu Grunde gegangen sind, die heute noch im Dienste der Großindustrie, wie für eigene Rechnung arbeitend existiren?
Gewisse Arten der Gewebeindustrie freilich entziehen sich dem genossenschaftlichen Betrieb von selbst, theils wegen der persönlichen Eigenschaften außerordentlicher Art, welche vom Dirigenten, von den Technikern des Geschäfts gefordert werden, theils wegen der zu großen Kapitalien, die das gut betriebene Geschäft bedarf. Die Maschinenweberei gehört, wie wir sahen, nicht nothwen- dig hieher, wohl aber die Kattundruckerei, die Anfer- tigung von Modeartikeln und Aehnliches. In Bezug auf die Personen ist der genossenschaftliche Betrieb da unmöglich, wo eine seit Jahrzehnten verarmte halb ver- hungerte Weberbevölkerung, an Geist und Körper ver- kommen, alle Kraft zu selbständigen Fortschritten ver- loren hat.
1 Vgl. die genauere Beschreibung dieser Geschäfte, Leip- ziger Handelskammerbericht für 1863, S. 42, Chemnitzer für 1863, S. 99.
Die Umbildung einzelner Gewerbszweige.
genoſſenſchaften anführt; es ſind Baumwoll- und Leine- weber, Tuchmacher und Shawlweber darunter. Ein weſentlicher Fortſchritt findet nicht ſtatt; ſchon in dem Bericht von 1863 zählt er 10 Weberaſſoziationen für gemeinſamen Einkauf oder gemeinſame Produktion auf. Außerdem ſind mir nur noch eine Anzahl ſächſiſcher Genoſſenſchaften bekannt, welche den einzigen Zweck ver- folgen, den Faktor und deſſen drückendes Zwiſchengeſchäft entbehrlich zu machen.1 Aber was will das heißen gegen die Hunderte und Tauſende von kleinen Meiſtern, die im Laufe der letzten 30 Jahre zu Grunde gegangen ſind, die heute noch im Dienſte der Großinduſtrie, wie für eigene Rechnung arbeitend exiſtiren?
Gewiſſe Arten der Gewebeinduſtrie freilich entziehen ſich dem genoſſenſchaftlichen Betrieb von ſelbſt, theils wegen der perſönlichen Eigenſchaften außerordentlicher Art, welche vom Dirigenten, von den Technikern des Geſchäfts gefordert werden, theils wegen der zu großen Kapitalien, die das gut betriebene Geſchäft bedarf. Die Maſchinenweberei gehört, wie wir ſahen, nicht nothwen- dig hieher, wohl aber die Kattundruckerei, die Anfer- tigung von Modeartikeln und Aehnliches. In Bezug auf die Perſonen iſt der genoſſenſchaftliche Betrieb da unmöglich, wo eine ſeit Jahrzehnten verarmte halb ver- hungerte Weberbevölkerung, an Geiſt und Körper ver- kommen, alle Kraft zu ſelbſtändigen Fortſchritten ver- loren hat.
1 Vgl. die genauere Beſchreibung dieſer Geſchäfte, Leip- ziger Handelskammerbericht für 1863, S. 42, Chemnitzer für 1863, S. 99.
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Die Umbildung einzelner Gewerbszweige.
genoſſenſchaften anführt; es ſind Baumwoll- und Leine-
weber, Tuchmacher und Shawlweber darunter. Ein
weſentlicher Fortſchritt findet nicht ſtatt; ſchon in dem
Bericht von 1863 zählt er 10 Weberaſſoziationen für
gemeinſamen Einkauf oder gemeinſame Produktion auf.
Außerdem ſind mir nur noch eine Anzahl ſächſiſcher
Genoſſenſchaften bekannt, welche den einzigen Zweck ver-
folgen, den Faktor und deſſen drückendes Zwiſchengeſchäft
entbehrlich zu machen. 1 Aber was will das heißen
gegen die Hunderte und Tauſende von kleinen Meiſtern,
die im Laufe der letzten 30 Jahre zu Grunde gegangen
ſind, die heute noch im Dienſte der Großinduſtrie, wie
für eigene Rechnung arbeitend exiſtiren?
Gewiſſe Arten der Gewebeinduſtrie freilich entziehen
ſich dem genoſſenſchaftlichen Betrieb von ſelbſt, theils
wegen der perſönlichen Eigenſchaften außerordentlicher
Art, welche vom Dirigenten, von den Technikern des
Geſchäfts gefordert werden, theils wegen der zu großen
Kapitalien, die das gut betriebene Geſchäft bedarf. Die
Maſchinenweberei gehört, wie wir ſahen, nicht nothwen-
dig hieher, wohl aber die Kattundruckerei, die Anfer-
tigung von Modeartikeln und Aehnliches. In Bezug
auf die Perſonen iſt der genoſſenſchaftliche Betrieb da
unmöglich, wo eine ſeit Jahrzehnten verarmte halb ver-
hungerte Weberbevölkerung, an Geiſt und Körper ver-
kommen, alle Kraft zu ſelbſtändigen Fortſchritten ver-
loren hat.
1 Vgl. die genauere Beſchreibung dieſer Geſchäfte, Leip-
ziger Handelskammerbericht für 1863, S. 42, Chemnitzer für
1863, S. 99.
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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 588. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/610>, abgerufen am 22.11.2024.
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