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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Die Handspinnerei.
die Bevölkerung mancher ländlichen Distrikte wuchs rasch
unter dem Sporn der steigenden Garnpreise. Der
Unterhalt, den diese Beschäftigung gab, mochte leidlich
sein, so lange die Nachfrage entfernt durch die steigende
Produktion nicht befriedigt wurde; aber immer war es
schon damals eine elende Thätigkeit. Sie erforderte
weder Kunst, noch Kraft, noch Kenntnisse; der schwäch-
lichste Theil des Arbeiterstandes floß ihr zu. Eine
ganze Bevölkerung, die sich ihr durch Generationen hin-
durch ergab, mußte geistig und körperlich herunter-
kommen. "Es war immer" -- wie Hoffmann sagt1 --
"eine Vergeudung menschlicher Kraft, weder hinreichend
fruchtbar in wirthschaftlicher Beziehung, noch würdig
genug in sittlicher."

Auch in England hatte der Aufschwung besonders
der Baumwollenweberei eine immer größere Nachfrage
nach Garnen, nach Handspinnern erzeugt. John Wyatt2
hatte schon 1730 -- 38 Versuche gemacht, eine Spinn-
maschine mit einer Reihe von Spindeln zu konstruiren.
Im Jahre 1738 hatte John Kay die wichtigste Ver-
besserung des Webstuhls, die Schnellschütze, erfunden.
Wo sie angewandt wurde, war die doppelte und mehr-

1 J. G. Hoffmann, Nachlaß kleiner Schriften S. 55 in der
klassischen "Uebersicht der Wirkungen der Spinnmaschinen."
2 Vergl. über die Geschichte dieser Erfindungen den amt-
lichen Bericht der Zollvereinsregierungen über die Industrie-
ausstellung von 1851, Berlin, Decker 1852, Bd. II, S. 1 ff.
Ellison, Handbuch der Baumwollkultur, deutsch, Bremen 1860;
Grothe, Geschichte der Baumwolle und Baumwollenmanufaktur
in der deutschen Vierteljahrsschrift 1864, Heft 2, S. 77 -- 121.
29 *

Die Handſpinnerei.
die Bevölkerung mancher ländlichen Diſtrikte wuchs raſch
unter dem Sporn der ſteigenden Garnpreiſe. Der
Unterhalt, den dieſe Beſchäftigung gab, mochte leidlich
ſein, ſo lange die Nachfrage entfernt durch die ſteigende
Produktion nicht befriedigt wurde; aber immer war es
ſchon damals eine elende Thätigkeit. Sie erforderte
weder Kunſt, noch Kraft, noch Kenntniſſe; der ſchwäch-
lichſte Theil des Arbeiterſtandes floß ihr zu. Eine
ganze Bevölkerung, die ſich ihr durch Generationen hin-
durch ergab, mußte geiſtig und körperlich herunter-
kommen. „Es war immer“ — wie Hoffmann ſagt1
„eine Vergeudung menſchlicher Kraft, weder hinreichend
fruchtbar in wirthſchaftlicher Beziehung, noch würdig
genug in ſittlicher.“

Auch in England hatte der Aufſchwung beſonders
der Baumwollenweberei eine immer größere Nachfrage
nach Garnen, nach Handſpinnern erzeugt. John Wyatt2
hatte ſchon 1730 — 38 Verſuche gemacht, eine Spinn-
maſchine mit einer Reihe von Spindeln zu konſtruiren.
Im Jahre 1738 hatte John Kay die wichtigſte Ver-
beſſerung des Webſtuhls, die Schnellſchütze, erfunden.
Wo ſie angewandt wurde, war die doppelte und mehr-

1 J. G. Hoffmann, Nachlaß kleiner Schriften S. 55 in der
klaſſiſchen „Ueberſicht der Wirkungen der Spinnmaſchinen.“
2 Vergl. über die Geſchichte dieſer Erfindungen den amt-
lichen Bericht der Zollvereinsregierungen über die Induſtrie-
ausſtellung von 1851, Berlin, Decker 1852, Bd. II, S. 1 ff.
Elliſon, Handbuch der Baumwollkultur, deutſch, Bremen 1860;
Grothe, Geſchichte der Baumwolle und Baumwollenmanufaktur
in der deutſchen Vierteljahrsſchrift 1864, Heft 2, S. 77 — 121.
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[451/0473] Die Handſpinnerei. die Bevölkerung mancher ländlichen Diſtrikte wuchs raſch unter dem Sporn der ſteigenden Garnpreiſe. Der Unterhalt, den dieſe Beſchäftigung gab, mochte leidlich ſein, ſo lange die Nachfrage entfernt durch die ſteigende Produktion nicht befriedigt wurde; aber immer war es ſchon damals eine elende Thätigkeit. Sie erforderte weder Kunſt, noch Kraft, noch Kenntniſſe; der ſchwäch- lichſte Theil des Arbeiterſtandes floß ihr zu. Eine ganze Bevölkerung, die ſich ihr durch Generationen hin- durch ergab, mußte geiſtig und körperlich herunter- kommen. „Es war immer“ — wie Hoffmann ſagt 1 — „eine Vergeudung menſchlicher Kraft, weder hinreichend fruchtbar in wirthſchaftlicher Beziehung, noch würdig genug in ſittlicher.“ Auch in England hatte der Aufſchwung beſonders der Baumwollenweberei eine immer größere Nachfrage nach Garnen, nach Handſpinnern erzeugt. John Wyatt 2 hatte ſchon 1730 — 38 Verſuche gemacht, eine Spinn- maſchine mit einer Reihe von Spindeln zu konſtruiren. Im Jahre 1738 hatte John Kay die wichtigſte Ver- beſſerung des Webſtuhls, die Schnellſchütze, erfunden. Wo ſie angewandt wurde, war die doppelte und mehr- 1 J. G. Hoffmann, Nachlaß kleiner Schriften S. 55 in der klaſſiſchen „Ueberſicht der Wirkungen der Spinnmaſchinen.“ 2 Vergl. über die Geſchichte dieſer Erfindungen den amt- lichen Bericht der Zollvereinsregierungen über die Induſtrie- ausſtellung von 1851, Berlin, Decker 1852, Bd. II, S. 1 ff. Elliſon, Handbuch der Baumwollkultur, deutſch, Bremen 1860; Grothe, Geſchichte der Baumwolle und Baumwollenmanufaktur in der deutſchen Vierteljahrsſchrift 1864, Heft 2, S. 77 — 121. 29 *

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 451. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/473>, abgerufen am 23.11.2024.