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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Die Abnahme der Schankwirthschaften 1843--61.
durch die Revolution stärker war, als sie ohnedem gewesen
wäre, daß die besseren Zeiten nach 1856 nicht mehr so
viele Leute nöthigten, zu diesem Nothbehelf zu greifen.
Nach den Provinzen stellt sich der Unterschied der
Schankstätten 1849 und 61 folgendermaßen; es gab in:
[Tabelle]

Am meisten haben sie also in der Rheinprovinz
abgenommen, und das ist großentheils sicher auf die bessere
wirthschaftliche Lage zurückzuführen, die nicht zu einem
geringern Konsum an Speisen und Getränken, wohl
aber zu einem etwas geringeren Kneipenbesuch und einem
geringeren Angebot von Personen führt, die sich als
Schankwirthe zu nähren suchen.

Dennoch, glaube ich, wäre es im Allgemeinen
falsch, anzunehmen, daß die Abnahme der Schankstätten
ganz von selbst erfolgt wäre. Der Andrang zu diesem
mühelosen Gewerbe ist in den untern Klassen immer
sehr groß; es übt einen besondern Reiz durch die Unter-
haltung, den Verkehr, den es gewährt, durch unsittliche
und verwerfliche Genüsse, die sich leicht damit verbinden.
Wo keine Konzessionspflicht mehr existirt, wie bis jetzt
allein in Bremen, erfolgt leicht eine rapide, verwerfliche

Die Abnahme der Schankwirthſchaften 1843—61.
durch die Revolution ſtärker war, als ſie ohnedem geweſen
wäre, daß die beſſeren Zeiten nach 1856 nicht mehr ſo
viele Leute nöthigten, zu dieſem Nothbehelf zu greifen.
Nach den Provinzen ſtellt ſich der Unterſchied der
Schankſtätten 1849 und 61 folgendermaßen; es gab in:
[Tabelle]

Am meiſten haben ſie alſo in der Rheinprovinz
abgenommen, und das iſt großentheils ſicher auf die beſſere
wirthſchaftliche Lage zurückzuführen, die nicht zu einem
geringern Konſum an Speiſen und Getränken, wohl
aber zu einem etwas geringeren Kneipenbeſuch und einem
geringeren Angebot von Perſonen führt, die ſich als
Schankwirthe zu nähren ſuchen.

Dennoch, glaube ich, wäre es im Allgemeinen
falſch, anzunehmen, daß die Abnahme der Schankſtätten
ganz von ſelbſt erfolgt wäre. Der Andrang zu dieſem
müheloſen Gewerbe iſt in den untern Klaſſen immer
ſehr groß; es übt einen beſondern Reiz durch die Unter-
haltung, den Verkehr, den es gewährt, durch unſittliche
und verwerfliche Genüſſe, die ſich leicht damit verbinden.
Wo keine Konzeſſionspflicht mehr exiſtirt, wie bis jetzt
allein in Bremen, erfolgt leicht eine rapide, verwerfliche

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[437/0459] Die Abnahme der Schankwirthſchaften 1843—61. durch die Revolution ſtärker war, als ſie ohnedem geweſen wäre, daß die beſſeren Zeiten nach 1856 nicht mehr ſo viele Leute nöthigten, zu dieſem Nothbehelf zu greifen. Nach den Provinzen ſtellt ſich der Unterſchied der Schankſtätten 1849 und 61 folgendermaßen; es gab in: Am meiſten haben ſie alſo in der Rheinprovinz abgenommen, und das iſt großentheils ſicher auf die beſſere wirthſchaftliche Lage zurückzuführen, die nicht zu einem geringern Konſum an Speiſen und Getränken, wohl aber zu einem etwas geringeren Kneipenbeſuch und einem geringeren Angebot von Perſonen führt, die ſich als Schankwirthe zu nähren ſuchen. Dennoch, glaube ich, wäre es im Allgemeinen falſch, anzunehmen, daß die Abnahme der Schankſtätten ganz von ſelbſt erfolgt wäre. Der Andrang zu dieſem müheloſen Gewerbe iſt in den untern Klaſſen immer ſehr groß; es übt einen beſondern Reiz durch die Unter- haltung, den Verkehr, den es gewährt, durch unſittliche und verwerfliche Genüſſe, die ſich leicht damit verbinden. Wo keine Konzeſſionspflicht mehr exiſtirt, wie bis jetzt allein in Bremen, erfolgt leicht eine rapide, verwerfliche

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 437. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/459>, abgerufen am 16.07.2024.