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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Die Umbildung einzelner Gewerbszweige.
Da ich jedoch keinen Anhalt dafür habe, die Aufnahmen
für falsch zu halten, so muß ich sie bis zum Gegen-
beweis als richtig annehmen. Nur das will ich noch
bemerken, daß nicht bloß die Gasthöfe und Speisewirth-
schaften zugleich geistige Getränke ausschenken, sondern
daß auch sehr viele Spezereiläden Branntwein stehend
verabreichen. Und diese sind, wie ich annehme, nicht
unter den Schankwirthschaften der amtlichen preußischen
Statistik mitgezählt. Selbst wenn aber die Branntwein
verkaufenden Materialläden ebenso zugenommen hätten,
als die eigentlichen Schankstätten abnahmen, wäre es
ohne Zweifel eine Besserung. Die Trunksucht wird
durch diese mehr gefördert, als durch den Verkauf in
dem Spezereiladen, wo der Arbeiter stehend, ohne
langen Aufenthalt, ohne Gesellschaft sein Gläschen
Schnaps trinkt. So wie so bleibt die Abnahme der
eigentlichen Schankwirthschaften als eine bemerkenswerthe
Thatsache stehen, und es wirft sich die Frage auf, ob
sie eine von selbst erfolgende war, oder nur durch die
Handhabung des polizeilichen Konzessionswesen eintrat.

Eine Abnahme von selbst ließe sich immerhin
denken; die Schankwirthschaft ist bei Vielen nicht die
ursprüngliche Thätigkeit; sie werfen sich darauf, wenn
nichts anderes mehr geht. In den Weinländern ist der
Ausschank noch mehr bloßes Nebengewerbe des kleinen
Weinproduzenten. In Zeiten der Noth schwillt die
Zahl der Schankstätten, dann auch in Zeiten politischer
Aufregung. Es wäre hiernach wohl denkbar, daß die
Zahl der Schankstätten zu Anfang der 40 er Jahre
durch die Krisis der meisten Handwerke, 1848 -- 50

Die Umbildung einzelner Gewerbszweige.
Da ich jedoch keinen Anhalt dafür habe, die Aufnahmen
für falſch zu halten, ſo muß ich ſie bis zum Gegen-
beweis als richtig annehmen. Nur das will ich noch
bemerken, daß nicht bloß die Gaſthöfe und Speiſewirth-
ſchaften zugleich geiſtige Getränke ausſchenken, ſondern
daß auch ſehr viele Spezereiläden Branntwein ſtehend
verabreichen. Und dieſe ſind, wie ich annehme, nicht
unter den Schankwirthſchaften der amtlichen preußiſchen
Statiſtik mitgezählt. Selbſt wenn aber die Branntwein
verkaufenden Materialläden ebenſo zugenommen hätten,
als die eigentlichen Schankſtätten abnahmen, wäre es
ohne Zweifel eine Beſſerung. Die Trunkſucht wird
durch dieſe mehr gefördert, als durch den Verkauf in
dem Spezereiladen, wo der Arbeiter ſtehend, ohne
langen Aufenthalt, ohne Geſellſchaft ſein Gläschen
Schnaps trinkt. So wie ſo bleibt die Abnahme der
eigentlichen Schankwirthſchaften als eine bemerkenswerthe
Thatſache ſtehen, und es wirft ſich die Frage auf, ob
ſie eine von ſelbſt erfolgende war, oder nur durch die
Handhabung des polizeilichen Konzeſſionsweſen eintrat.

Eine Abnahme von ſelbſt ließe ſich immerhin
denken; die Schankwirthſchaft iſt bei Vielen nicht die
urſprüngliche Thätigkeit; ſie werfen ſich darauf, wenn
nichts anderes mehr geht. In den Weinländern iſt der
Ausſchank noch mehr bloßes Nebengewerbe des kleinen
Weinproduzenten. In Zeiten der Noth ſchwillt die
Zahl der Schankſtätten, dann auch in Zeiten politiſcher
Aufregung. Es wäre hiernach wohl denkbar, daß die
Zahl der Schankſtätten zu Anfang der 40 er Jahre
durch die Kriſis der meiſten Handwerke, 1848 — 50

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[436/0458] Die Umbildung einzelner Gewerbszweige. Da ich jedoch keinen Anhalt dafür habe, die Aufnahmen für falſch zu halten, ſo muß ich ſie bis zum Gegen- beweis als richtig annehmen. Nur das will ich noch bemerken, daß nicht bloß die Gaſthöfe und Speiſewirth- ſchaften zugleich geiſtige Getränke ausſchenken, ſondern daß auch ſehr viele Spezereiläden Branntwein ſtehend verabreichen. Und dieſe ſind, wie ich annehme, nicht unter den Schankwirthſchaften der amtlichen preußiſchen Statiſtik mitgezählt. Selbſt wenn aber die Branntwein verkaufenden Materialläden ebenſo zugenommen hätten, als die eigentlichen Schankſtätten abnahmen, wäre es ohne Zweifel eine Beſſerung. Die Trunkſucht wird durch dieſe mehr gefördert, als durch den Verkauf in dem Spezereiladen, wo der Arbeiter ſtehend, ohne langen Aufenthalt, ohne Geſellſchaft ſein Gläschen Schnaps trinkt. So wie ſo bleibt die Abnahme der eigentlichen Schankwirthſchaften als eine bemerkenswerthe Thatſache ſtehen, und es wirft ſich die Frage auf, ob ſie eine von ſelbſt erfolgende war, oder nur durch die Handhabung des polizeilichen Konzeſſionsweſen eintrat. Eine Abnahme von ſelbſt ließe ſich immerhin denken; die Schankwirthſchaft iſt bei Vielen nicht die urſprüngliche Thätigkeit; ſie werfen ſich darauf, wenn nichts anderes mehr geht. In den Weinländern iſt der Ausſchank noch mehr bloßes Nebengewerbe des kleinen Weinproduzenten. In Zeiten der Noth ſchwillt die Zahl der Schankſtätten, dann auch in Zeiten politiſcher Aufregung. Es wäre hiernach wohl denkbar, daß die Zahl der Schankſtätten zu Anfang der 40 er Jahre durch die Kriſis der meiſten Handwerke, 1848 — 50

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 436. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/458>, abgerufen am 22.11.2024.