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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Die Umgestaltung von Produktion und Verkehr.
ständige Motive und wirthschaftliche Bedürfnisse den
Hausirhandel dort zunehmen lassen als betrügerische und
unlautere Absichten.

Es kommt auf Land und Leute, auf Volkscharakter
und sittliche Bildung im konkreten Falle an. Jedenfalls
aber sind diese Faktoren auch in Preußen und im ganzen
norddeutschen Bunde solche, daß eine Erleichterung
gegenüber der früheren Verwaltungspraxis nothwendig
und angezeigt ist, wie sie in der neuen Gewerbeordnung
des norddeutschen Bundes angestrebt wird. Es gehört
eine Betrachtung dieser neuen Gesetzgebung eigentlich
nicht hierher; doch mögen einige Worte gestattet sein.

Der Entwurf1 schon geht von der Absicht aus,
die stehenden Gewerbe als solche nicht mehr zu bevor-
zugen, den Gewerbebetrieb im Umherziehen als gleich-
berechtigt anzuerkennen, nur da Beschränkungen eintreten
zu lassen, wo es sich um ungesunde und gefährliche Ele-
mente handelt, um Geschäftszweige, welche in ungleich
höherem Grade unlautern Zwecken als dem redlichen Er-
werbe zu dienen pflegen. Die im Allgemeinen beibehaltene
Legitimationspflicht soll, abgesehen von ihrer sicherheits-
polizeilichen Unentbehrlichkeit, dem Publikum wenigstens
einigermaßen die Garantie, wie sie der stehende Betrieb
von selbst bietet, ersetzen. Zum Viktualienhandel im
Umherziehen soll kein Gewerbeschein mehr nothwendig

1 Drucksachen des Reichstags Nro. 13. § 53 -- 64. Die
Motive sind enthalten S. 13 -- 29. Die Anlage C. S. 113 ff.
gibt eine Uebersicht über die bestehende Gesetzgebung der Bundes-
staaten in Betreff des Gewerbebetriebs im Umherziehen.

Die Umgeſtaltung von Produktion und Verkehr.
ſtändige Motive und wirthſchaftliche Bedürfniſſe den
Hauſirhandel dort zunehmen laſſen als betrügeriſche und
unlautere Abſichten.

Es kommt auf Land und Leute, auf Volkscharakter
und ſittliche Bildung im konkreten Falle an. Jedenfalls
aber ſind dieſe Faktoren auch in Preußen und im ganzen
norddeutſchen Bunde ſolche, daß eine Erleichterung
gegenüber der früheren Verwaltungspraxis nothwendig
und angezeigt iſt, wie ſie in der neuen Gewerbeordnung
des norddeutſchen Bundes angeſtrebt wird. Es gehört
eine Betrachtung dieſer neuen Geſetzgebung eigentlich
nicht hierher; doch mögen einige Worte geſtattet ſein.

Der Entwurf1 ſchon geht von der Abſicht aus,
die ſtehenden Gewerbe als ſolche nicht mehr zu bevor-
zugen, den Gewerbebetrieb im Umherziehen als gleich-
berechtigt anzuerkennen, nur da Beſchränkungen eintreten
zu laſſen, wo es ſich um ungeſunde und gefährliche Ele-
mente handelt, um Geſchäftszweige, welche in ungleich
höherem Grade unlautern Zwecken als dem redlichen Er-
werbe zu dienen pflegen. Die im Allgemeinen beibehaltene
Legitimationspflicht ſoll, abgeſehen von ihrer ſicherheits-
polizeilichen Unentbehrlichkeit, dem Publikum wenigſtens
einigermaßen die Garantie, wie ſie der ſtehende Betrieb
von ſelbſt bietet, erſetzen. Zum Viktualienhandel im
Umherziehen ſoll kein Gewerbeſchein mehr nothwendig

1 Druckſachen des Reichstags Nro. 13. § 53 — 64. Die
Motive ſind enthalten S. 13 — 29. Die Anlage C. S. 113 ff.
gibt eine Ueberſicht über die beſtehende Geſetzgebung der Bundes-
ſtaaten in Betreff des Gewerbebetriebs im Umherziehen.
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[250/0272] Die Umgeſtaltung von Produktion und Verkehr. ſtändige Motive und wirthſchaftliche Bedürfniſſe den Hauſirhandel dort zunehmen laſſen als betrügeriſche und unlautere Abſichten. Es kommt auf Land und Leute, auf Volkscharakter und ſittliche Bildung im konkreten Falle an. Jedenfalls aber ſind dieſe Faktoren auch in Preußen und im ganzen norddeutſchen Bunde ſolche, daß eine Erleichterung gegenüber der früheren Verwaltungspraxis nothwendig und angezeigt iſt, wie ſie in der neuen Gewerbeordnung des norddeutſchen Bundes angeſtrebt wird. Es gehört eine Betrachtung dieſer neuen Geſetzgebung eigentlich nicht hierher; doch mögen einige Worte geſtattet ſein. Der Entwurf 1 ſchon geht von der Abſicht aus, die ſtehenden Gewerbe als ſolche nicht mehr zu bevor- zugen, den Gewerbebetrieb im Umherziehen als gleich- berechtigt anzuerkennen, nur da Beſchränkungen eintreten zu laſſen, wo es ſich um ungeſunde und gefährliche Ele- mente handelt, um Geſchäftszweige, welche in ungleich höherem Grade unlautern Zwecken als dem redlichen Er- werbe zu dienen pflegen. Die im Allgemeinen beibehaltene Legitimationspflicht ſoll, abgeſehen von ihrer ſicherheits- polizeilichen Unentbehrlichkeit, dem Publikum wenigſtens einigermaßen die Garantie, wie ſie der ſtehende Betrieb von ſelbſt bietet, erſetzen. Zum Viktualienhandel im Umherziehen ſoll kein Gewerbeſchein mehr nothwendig 1 Druckſachen des Reichstags Nro. 13. § 53 — 64. Die Motive ſind enthalten S. 13 — 29. Die Anlage C. S. 113 ff. gibt eine Ueberſicht über die beſtehende Geſetzgebung der Bundes- ſtaaten in Betreff des Gewerbebetriebs im Umherziehen.

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/272>, abgerufen am 24.11.2024.