Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Nürnberger Hausindustrie.
spritzen, physikalische Apparate, Rechenpfennige, Spiel-
marken, Blattgold, Draht aller Art, Reißzeuge, Zirkel,
Ahlen und Feilen, Ringe, Brochen, Haken, dann Kämme,
Brillengläser, Brillengestelle, optische Instrumente,
Drechslerwaaren, Pfeifen, Zigarrenspitzen, Papparbeiten,
Buntpapier, Bilderbogen. Ein Lager Nürnberger Waaren
zählt über 14000 Nummern, wobei die Größenver-
schiedenheiten noch ungerechnet sind. In dem Packlokal
des Nürnberger Kaufmanns stehen Kisten, welche nach
Madras und Hongkong bestimmt sind, neben solchen,
die nach Newyork, Mexiko oder Südamerika gehen
werden. Der Kundige erkennt an dem Waarenmuster,
an der Verpackung den Bestimmungsort: der Horn-
kamm mit diesen Verzierungen gehört nach Texas;
diese schlanken Haken und Oesen aus dünnem Draht
finden nur in Südamerika Käufer.

Die Produktion, sagt Beeg, geschieht in der Regel
fabrikartig, aber doch zugleich handwerksmäßig, indem sich
das Handwerk ebensowohl für die einzelnen Artikel, als
sogar für manche Manipulationen in vielfacher Weise
zergliedert hat. Die Werkstätten sind daher seltener
in großen Fabrikpalästen, sondern meistens in den
kleinen Wohnungen der arbeitsamen Gewerbtreibenden.
Eine Hauptstütze der kleinen Geschäfte sind die verschie-
denen Mühlen, besonders die vom Magistrat 1854 ange-
kaufte, umgebaute und hiefür eingerichtete Schwaben-
mühle; es werden dort Lokale und Kraftbenutzung an
Gewerbtreibende vermiethet. In der Schwabenmühle
sind 48 solcher Werkstätten; man zahlt für 1 # Boden-
raum des Lokals 9 Kr., für die Benutzung einer ganzen

Schmoller, Gesch. d. Kleingewerbe. 14

Die Nürnberger Hausinduſtrie.
ſpritzen, phyſikaliſche Apparate, Rechenpfennige, Spiel-
marken, Blattgold, Draht aller Art, Reißzeuge, Zirkel,
Ahlen und Feilen, Ringe, Brochen, Haken, dann Kämme,
Brillengläſer, Brillengeſtelle, optiſche Inſtrumente,
Drechslerwaaren, Pfeifen, Zigarrenſpitzen, Papparbeiten,
Buntpapier, Bilderbogen. Ein Lager Nürnberger Waaren
zählt über 14000 Nummern, wobei die Größenver-
ſchiedenheiten noch ungerechnet ſind. In dem Packlokal
des Nürnberger Kaufmanns ſtehen Kiſten, welche nach
Madras und Hongkong beſtimmt ſind, neben ſolchen,
die nach Newyork, Mexiko oder Südamerika gehen
werden. Der Kundige erkennt an dem Waarenmuſter,
an der Verpackung den Beſtimmungsort: der Horn-
kamm mit dieſen Verzierungen gehört nach Texas;
dieſe ſchlanken Haken und Oeſen aus dünnem Draht
finden nur in Südamerika Käufer.

Die Produktion, ſagt Beeg, geſchieht in der Regel
fabrikartig, aber doch zugleich handwerksmäßig, indem ſich
das Handwerk ebenſowohl für die einzelnen Artikel, als
ſogar für manche Manipulationen in vielfacher Weiſe
zergliedert hat. Die Werkſtätten ſind daher ſeltener
in großen Fabrikpaläſten, ſondern meiſtens in den
kleinen Wohnungen der arbeitſamen Gewerbtreibenden.
Eine Hauptſtütze der kleinen Geſchäfte ſind die verſchie-
denen Mühlen, beſonders die vom Magiſtrat 1854 ange-
kaufte, umgebaute und hiefür eingerichtete Schwaben-
mühle; es werden dort Lokale und Kraftbenutzung an
Gewerbtreibende vermiethet. In der Schwabenmühle
ſind 48 ſolcher Werkſtätten; man zahlt für 1 □΄ Boden-
raum des Lokals 9 Kr., für die Benutzung einer ganzen

Schmoller, Geſch. d. Kleingewerbe. 14
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0231" n="209"/><fw place="top" type="header">Die Nürnberger Hausindu&#x017F;trie.</fw><lb/>
&#x017F;pritzen, phy&#x017F;ikali&#x017F;che Apparate, Rechenpfennige, Spiel-<lb/>
marken, Blattgold, Draht aller Art, Reißzeuge, Zirkel,<lb/>
Ahlen und Feilen, Ringe, Brochen, Haken, dann Kämme,<lb/>
Brillenglä&#x017F;er, Brillenge&#x017F;telle, opti&#x017F;che In&#x017F;trumente,<lb/>
Drechslerwaaren, Pfeifen, Zigarren&#x017F;pitzen, Papparbeiten,<lb/>
Buntpapier, Bilderbogen. Ein Lager Nürnberger Waaren<lb/>
zählt über 14000 Nummern, wobei die Größenver-<lb/>
&#x017F;chiedenheiten noch ungerechnet &#x017F;ind. In dem Packlokal<lb/>
des Nürnberger Kaufmanns &#x017F;tehen Ki&#x017F;ten, welche nach<lb/>
Madras und Hongkong be&#x017F;timmt &#x017F;ind, neben &#x017F;olchen,<lb/>
die nach Newyork, Mexiko oder Südamerika gehen<lb/>
werden. Der Kundige erkennt an dem Waarenmu&#x017F;ter,<lb/>
an der Verpackung den Be&#x017F;timmungsort: der Horn-<lb/>
kamm mit die&#x017F;en Verzierungen gehört nach Texas;<lb/>
die&#x017F;e &#x017F;chlanken Haken und Oe&#x017F;en aus dünnem Draht<lb/>
finden nur in Südamerika Käufer.</p><lb/>
          <p>Die Produktion, &#x017F;agt Beeg, ge&#x017F;chieht in der Regel<lb/>
fabrikartig, aber doch zugleich handwerksmäßig, indem &#x017F;ich<lb/>
das Handwerk eben&#x017F;owohl für die einzelnen Artikel, als<lb/>
&#x017F;ogar für manche Manipulationen in vielfacher Wei&#x017F;e<lb/>
zergliedert hat. Die Werk&#x017F;tätten &#x017F;ind daher &#x017F;eltener<lb/>
in großen Fabrikpalä&#x017F;ten, &#x017F;ondern mei&#x017F;tens in den<lb/>
kleinen Wohnungen der arbeit&#x017F;amen Gewerbtreibenden.<lb/>
Eine Haupt&#x017F;tütze der kleinen Ge&#x017F;chäfte &#x017F;ind die ver&#x017F;chie-<lb/>
denen Mühlen, be&#x017F;onders die vom Magi&#x017F;trat 1854 ange-<lb/>
kaufte, umgebaute und hiefür eingerichtete Schwaben-<lb/>
mühle; es werden dort Lokale und Kraftbenutzung an<lb/>
Gewerbtreibende vermiethet. In der Schwabenmühle<lb/>
&#x017F;ind 48 &#x017F;olcher Werk&#x017F;tätten; man zahlt für 1 &#x25A1;&#x0384; Boden-<lb/>
raum des Lokals 9 Kr., für die Benutzung einer ganzen<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Schmoller</hi>, Ge&#x017F;ch. d. Kleingewerbe. 14</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[209/0231] Die Nürnberger Hausinduſtrie. ſpritzen, phyſikaliſche Apparate, Rechenpfennige, Spiel- marken, Blattgold, Draht aller Art, Reißzeuge, Zirkel, Ahlen und Feilen, Ringe, Brochen, Haken, dann Kämme, Brillengläſer, Brillengeſtelle, optiſche Inſtrumente, Drechslerwaaren, Pfeifen, Zigarrenſpitzen, Papparbeiten, Buntpapier, Bilderbogen. Ein Lager Nürnberger Waaren zählt über 14000 Nummern, wobei die Größenver- ſchiedenheiten noch ungerechnet ſind. In dem Packlokal des Nürnberger Kaufmanns ſtehen Kiſten, welche nach Madras und Hongkong beſtimmt ſind, neben ſolchen, die nach Newyork, Mexiko oder Südamerika gehen werden. Der Kundige erkennt an dem Waarenmuſter, an der Verpackung den Beſtimmungsort: der Horn- kamm mit dieſen Verzierungen gehört nach Texas; dieſe ſchlanken Haken und Oeſen aus dünnem Draht finden nur in Südamerika Käufer. Die Produktion, ſagt Beeg, geſchieht in der Regel fabrikartig, aber doch zugleich handwerksmäßig, indem ſich das Handwerk ebenſowohl für die einzelnen Artikel, als ſogar für manche Manipulationen in vielfacher Weiſe zergliedert hat. Die Werkſtätten ſind daher ſeltener in großen Fabrikpaläſten, ſondern meiſtens in den kleinen Wohnungen der arbeitſamen Gewerbtreibenden. Eine Hauptſtütze der kleinen Geſchäfte ſind die verſchie- denen Mühlen, beſonders die vom Magiſtrat 1854 ange- kaufte, umgebaute und hiefür eingerichtete Schwaben- mühle; es werden dort Lokale und Kraftbenutzung an Gewerbtreibende vermiethet. In der Schwabenmühle ſind 48 ſolcher Werkſtätten; man zahlt für 1 □΄ Boden- raum des Lokals 9 Kr., für die Benutzung einer ganzen Schmoller, Geſch. d. Kleingewerbe. 14

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/231
Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/231>, abgerufen am 06.05.2024.