Zweites Buch. Die gesellschaftliche Verfassung der Volkswirtschaft.
Mieter wechseln in den deutschen Städten, von denen wir statistische Nachrichten haben, jährlich ihre Wohnung.
Auch auf dem Lande wohnen viele Arbeiter zur Miete, sind teilweise heute mehrere Familien in einem Hause. Vor allem aber das städtische Grundstücks- und Hauseigentum ist nicht mehr die Basis der freien, auf sich selbst gestellten Familien- wirtschaft, sondern ist ein nutzbringender Kapitalbesitz, ein Geschäft wie andere. Von einem Einfluß des Bewohners auf seine Wohnung ist nicht die Rede; die Mehrzahl der Menschen wohnt heute in Räumen, die vor Jahren und Jahrzehnten von anderen, oftmals auch für ganz andere Zwecke und die, wenn neu, von der Spekulation nach der Schablone hergestellt sind. Das Baugewerbe ist ein großer komplizierter Organismus geworden: vornehme Bautechniker mit einem Stab von Hülfsbeamten, Baubanken und anderen Kreditgebern, spekulierende Grundstücksbesitzer sowie Bauunternehmer und Hand- werksmeister aller Arten mit Hunderten und Tausenden von Arbeitern wirken mit den Baupolizeibehörden und den die Straßen- und Baupläne im ganzen beeinflussenden Kommunen zusammen, um das Wohnungsbedürfnis des Publikums zu befriedigen. Gewiß liegt in dieser selbständigen Organisation der für den Bau Thätigen einerseits ein großer Fortschritt; die vollendete Bautechnik der heutigen Zeit wäre nicht möglich gewesen in den Händen der einzelnen Familien. Aber andererseits haben sich hiemit große Mißstände entwickelt: das Grundeigentum hat nirgends einen so monopolartigen Wert erhalten als im Centrum der größeren Städte; nirgends sind so sichtbar maßlose Konjunkturgewinne ohne Arbeit des Eigentümers gemacht worden; die Spekulation auf ein Steigen der Renten hat vielfach so falsch in die Straßenbaupläne und den Häuserbau eingegriffen, die steigende Wohnungsnot der ärmeren Klassen hängt mit diesen Verhältnissen so zusammen, die Vermietung wird teilweise durch wucherische Mittelspersonen so unanständig betrieben, daß es natürlich erscheint, wenn gerade das städtische private Grundeigentum den heftigsten Angriffen und Bedenken ausgesetzt war, wenn Vorschläge auftauchten, Staat und Gemeinde müßten hier sehr viel stärker eingreifen, mindestens für ihre Beamten Wohnungen herstellen, durch das Expropriationsrecht und eine Bauordnung und Baupolizei ganz anderer Art die ungesunden Zustände in den übervölkerten Häusern beseitigen, ja wenn verlangt wurde, das private Eigentum müsse hier ganz fallen.
Der Weg einer Verstaatlichung oder Kommunalisierung des Grund- und Haus- besitzes einzelner Städte gegen Entschädigung der Eigentümer würde aber sicher nicht zum Ziele führen; er würde gar zu leicht das Beamtentum und die Kommunal- verwaltung korrumpieren. Eher ließe sich denken, daß da, wo die Mißstände zu grell werden, mit Hülfe eines Specialgesetzes der Grund- und Hausbesitz einer Stadt oder wenigstens dieser oder jener Vorstadt einer selbständigen halb öffentlichen, halb erwerbs- thätigen Korporation übergeben würde, deren Aktionäre aus den bisherigen Grund- und Hausbesitzern, deren Gläubiger aus den bisherigen privaten Hypothekenbesitzern bestünden. Die Korporation erhielte eine gemischte Leitung, in welcher Staat, Kommune, Aktionäre, Gläubiger und Mieter vertreten wären; ebenso müßte der Gewinn zwischen diesen Elementen geteilt werden. Leicht herstellbar wäre freilich auch ein solcher Apparat nicht; aber er erlaubte die schlimmste der heutigen Wohnungsmißstände zu beseitigen, ohne Staat und Gemeinde mit allzu schwierigen Aufgaben und mit zu viel Versuchung zu Nepotismus und Bevorzugung zu belasten. So lange Derartiges unmöglich erscheint, ist es Aufgabe von Genossenschaften, gemeinnützigen Gesellschaften, Stiftungen, human und billig geleiteten Aktiengesellschaften, nach und nach möglichst viel Haus- und Grund- besitz an sich zu ziehen, das private Haus- und Grundeigentum, soweit es zu schlechter Verwaltung, korrupten Mietsverträgen, Bauschwindel und Ähnlichem führt, in ein gut verwaltetes Eigentum von solch' höher stehenden Gesellschaftsorganen überzuführen. In kleinen Städten und auf dem Lande liegt zu all' dem kein Bedürfnis vor.
129. Das bewegliche Eigentum der Kulturvölker. An der fahrenden Habe bestand, wie wir oben sahen, Eigentum der Familien und der einzelnen seit undenklichen Zeiten. Und seit den Tagen des wachsenden Viehbesitzes knüpfte sich an
Zweites Buch. Die geſellſchaftliche Verfaſſung der Volkswirtſchaft.
Mieter wechſeln in den deutſchen Städten, von denen wir ſtatiſtiſche Nachrichten haben, jährlich ihre Wohnung.
Auch auf dem Lande wohnen viele Arbeiter zur Miete, ſind teilweiſe heute mehrere Familien in einem Hauſe. Vor allem aber das ſtädtiſche Grundſtücks- und Hauseigentum iſt nicht mehr die Baſis der freien, auf ſich ſelbſt geſtellten Familien- wirtſchaft, ſondern iſt ein nutzbringender Kapitalbeſitz, ein Geſchäft wie andere. Von einem Einfluß des Bewohners auf ſeine Wohnung iſt nicht die Rede; die Mehrzahl der Menſchen wohnt heute in Räumen, die vor Jahren und Jahrzehnten von anderen, oftmals auch für ganz andere Zwecke und die, wenn neu, von der Spekulation nach der Schablone hergeſtellt ſind. Das Baugewerbe iſt ein großer komplizierter Organismus geworden: vornehme Bautechniker mit einem Stab von Hülfsbeamten, Baubanken und anderen Kreditgebern, ſpekulierende Grundſtücksbeſitzer ſowie Bauunternehmer und Hand- werksmeiſter aller Arten mit Hunderten und Tauſenden von Arbeitern wirken mit den Baupolizeibehörden und den die Straßen- und Baupläne im ganzen beeinfluſſenden Kommunen zuſammen, um das Wohnungsbedürfnis des Publikums zu befriedigen. Gewiß liegt in dieſer ſelbſtändigen Organiſation der für den Bau Thätigen einerſeits ein großer Fortſchritt; die vollendete Bautechnik der heutigen Zeit wäre nicht möglich geweſen in den Händen der einzelnen Familien. Aber andererſeits haben ſich hiemit große Mißſtände entwickelt: das Grundeigentum hat nirgends einen ſo monopolartigen Wert erhalten als im Centrum der größeren Städte; nirgends ſind ſo ſichtbar maßloſe Konjunkturgewinne ohne Arbeit des Eigentümers gemacht worden; die Spekulation auf ein Steigen der Renten hat vielfach ſo falſch in die Straßenbaupläne und den Häuſerbau eingegriffen, die ſteigende Wohnungsnot der ärmeren Klaſſen hängt mit dieſen Verhältniſſen ſo zuſammen, die Vermietung wird teilweiſe durch wucheriſche Mittelsperſonen ſo unanſtändig betrieben, daß es natürlich erſcheint, wenn gerade das ſtädtiſche private Grundeigentum den heftigſten Angriffen und Bedenken ausgeſetzt war, wenn Vorſchläge auftauchten, Staat und Gemeinde müßten hier ſehr viel ſtärker eingreifen, mindeſtens für ihre Beamten Wohnungen herſtellen, durch das Expropriationsrecht und eine Bauordnung und Baupolizei ganz anderer Art die ungeſunden Zuſtände in den übervölkerten Häuſern beſeitigen, ja wenn verlangt wurde, das private Eigentum müſſe hier ganz fallen.
Der Weg einer Verſtaatlichung oder Kommunaliſierung des Grund- und Haus- beſitzes einzelner Städte gegen Entſchädigung der Eigentümer würde aber ſicher nicht zum Ziele führen; er würde gar zu leicht das Beamtentum und die Kommunal- verwaltung korrumpieren. Eher ließe ſich denken, daß da, wo die Mißſtände zu grell werden, mit Hülfe eines Specialgeſetzes der Grund- und Hausbeſitz einer Stadt oder wenigſtens dieſer oder jener Vorſtadt einer ſelbſtändigen halb öffentlichen, halb erwerbs- thätigen Korporation übergeben würde, deren Aktionäre aus den bisherigen Grund- und Hausbeſitzern, deren Gläubiger aus den bisherigen privaten Hypothekenbeſitzern beſtünden. Die Korporation erhielte eine gemiſchte Leitung, in welcher Staat, Kommune, Aktionäre, Gläubiger und Mieter vertreten wären; ebenſo müßte der Gewinn zwiſchen dieſen Elementen geteilt werden. Leicht herſtellbar wäre freilich auch ein ſolcher Apparat nicht; aber er erlaubte die ſchlimmſte der heutigen Wohnungsmißſtände zu beſeitigen, ohne Staat und Gemeinde mit allzu ſchwierigen Aufgaben und mit zu viel Verſuchung zu Nepotismus und Bevorzugung zu belaſten. So lange Derartiges unmöglich erſcheint, iſt es Aufgabe von Genoſſenſchaften, gemeinnützigen Geſellſchaften, Stiftungen, human und billig geleiteten Aktiengeſellſchaften, nach und nach möglichſt viel Haus- und Grund- beſitz an ſich zu ziehen, das private Haus- und Grundeigentum, ſoweit es zu ſchlechter Verwaltung, korrupten Mietsverträgen, Bauſchwindel und Ähnlichem führt, in ein gut verwaltetes Eigentum von ſolch’ höher ſtehenden Geſellſchaftsorganen überzuführen. In kleinen Städten und auf dem Lande liegt zu all’ dem kein Bedürfnis vor.
129. Das bewegliche Eigentum der Kulturvölker. An der fahrenden Habe beſtand, wie wir oben ſahen, Eigentum der Familien und der einzelnen ſeit undenklichen Zeiten. Und ſeit den Tagen des wachſenden Viehbeſitzes knüpfte ſich an
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Zweites Buch. Die geſellſchaftliche Verfaſſung der Volkswirtſchaft.
Mieter wechſeln in den deutſchen Städten, von denen wir ſtatiſtiſche Nachrichten haben,
jährlich ihre Wohnung.
Auch auf dem Lande wohnen viele Arbeiter zur Miete, ſind teilweiſe heute
mehrere Familien in einem Hauſe. Vor allem aber das ſtädtiſche Grundſtücks- und
Hauseigentum iſt nicht mehr die Baſis der freien, auf ſich ſelbſt geſtellten Familien-
wirtſchaft, ſondern iſt ein nutzbringender Kapitalbeſitz, ein Geſchäft wie andere. Von
einem Einfluß des Bewohners auf ſeine Wohnung iſt nicht die Rede; die Mehrzahl
der Menſchen wohnt heute in Räumen, die vor Jahren und Jahrzehnten von anderen,
oftmals auch für ganz andere Zwecke und die, wenn neu, von der Spekulation nach
der Schablone hergeſtellt ſind. Das Baugewerbe iſt ein großer komplizierter Organismus
geworden: vornehme Bautechniker mit einem Stab von Hülfsbeamten, Baubanken und
anderen Kreditgebern, ſpekulierende Grundſtücksbeſitzer ſowie Bauunternehmer und Hand-
werksmeiſter aller Arten mit Hunderten und Tauſenden von Arbeitern wirken mit den
Baupolizeibehörden und den die Straßen- und Baupläne im ganzen beeinfluſſenden
Kommunen zuſammen, um das Wohnungsbedürfnis des Publikums zu befriedigen.
Gewiß liegt in dieſer ſelbſtändigen Organiſation der für den Bau Thätigen einerſeits
ein großer Fortſchritt; die vollendete Bautechnik der heutigen Zeit wäre nicht möglich
geweſen in den Händen der einzelnen Familien. Aber andererſeits haben ſich hiemit
große Mißſtände entwickelt: das Grundeigentum hat nirgends einen ſo monopolartigen
Wert erhalten als im Centrum der größeren Städte; nirgends ſind ſo ſichtbar maßloſe
Konjunkturgewinne ohne Arbeit des Eigentümers gemacht worden; die Spekulation
auf ein Steigen der Renten hat vielfach ſo falſch in die Straßenbaupläne und den
Häuſerbau eingegriffen, die ſteigende Wohnungsnot der ärmeren Klaſſen hängt mit
dieſen Verhältniſſen ſo zuſammen, die Vermietung wird teilweiſe durch wucheriſche
Mittelsperſonen ſo unanſtändig betrieben, daß es natürlich erſcheint, wenn gerade das
ſtädtiſche private Grundeigentum den heftigſten Angriffen und Bedenken ausgeſetzt war,
wenn Vorſchläge auftauchten, Staat und Gemeinde müßten hier ſehr viel ſtärker eingreifen,
mindeſtens für ihre Beamten Wohnungen herſtellen, durch das Expropriationsrecht und
eine Bauordnung und Baupolizei ganz anderer Art die ungeſunden Zuſtände in den
übervölkerten Häuſern beſeitigen, ja wenn verlangt wurde, das private Eigentum müſſe
hier ganz fallen.
Der Weg einer Verſtaatlichung oder Kommunaliſierung des Grund- und Haus-
beſitzes einzelner Städte gegen Entſchädigung der Eigentümer würde aber ſicher nicht
zum Ziele führen; er würde gar zu leicht das Beamtentum und die Kommunal-
verwaltung korrumpieren. Eher ließe ſich denken, daß da, wo die Mißſtände zu grell
werden, mit Hülfe eines Specialgeſetzes der Grund- und Hausbeſitz einer Stadt oder
wenigſtens dieſer oder jener Vorſtadt einer ſelbſtändigen halb öffentlichen, halb erwerbs-
thätigen Korporation übergeben würde, deren Aktionäre aus den bisherigen Grund-
und Hausbeſitzern, deren Gläubiger aus den bisherigen privaten Hypothekenbeſitzern
beſtünden. Die Korporation erhielte eine gemiſchte Leitung, in welcher Staat, Kommune,
Aktionäre, Gläubiger und Mieter vertreten wären; ebenſo müßte der Gewinn zwiſchen
dieſen Elementen geteilt werden. Leicht herſtellbar wäre freilich auch ein ſolcher Apparat
nicht; aber er erlaubte die ſchlimmſte der heutigen Wohnungsmißſtände zu beſeitigen,
ohne Staat und Gemeinde mit allzu ſchwierigen Aufgaben und mit zu viel Verſuchung
zu Nepotismus und Bevorzugung zu belaſten. So lange Derartiges unmöglich erſcheint,
iſt es Aufgabe von Genoſſenſchaften, gemeinnützigen Geſellſchaften, Stiftungen, human
und billig geleiteten Aktiengeſellſchaften, nach und nach möglichſt viel Haus- und Grund-
beſitz an ſich zu ziehen, das private Haus- und Grundeigentum, ſoweit es zu ſchlechter
Verwaltung, korrupten Mietsverträgen, Bauſchwindel und Ähnlichem führt, in ein gut
verwaltetes Eigentum von ſolch’ höher ſtehenden Geſellſchaftsorganen überzuführen. In
kleinen Städten und auf dem Lande liegt zu all’ dem kein Bedürfnis vor.
129. Das bewegliche Eigentum der Kulturvölker. An der fahrenden
Habe beſtand, wie wir oben ſahen, Eigentum der Familien und der einzelnen ſeit
undenklichen Zeiten. Und ſeit den Tagen des wachſenden Viehbeſitzes knüpfte ſich an
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Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900, S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_grundriss01_1900/396>, abgerufen am 22.11.2024.
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