Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900.Beschreibung; vergleichende Methode; Begriffsbildung. und Beloch, haben Methode und Zusammenhang in diese Untersuchungen gebracht, einevergleichende historische Bevölkerungsstatistik geschaffen. So wirken eben die aneinander grenzenden Wissenschaften immer gegenseitig befruchtend aufeinander. Eine einzige Methode nationalökonomischer Beobachtung kann es entsprechend der Die Thatsachen kennen, sagt Lotze, ist nicht alles, aber ein Großes; dies gering 44. Die Begriffsbildung. Richtig beschreiben, von einem Gegenstande Eine Wissenschaft, die schon ein relativ feststehendes Begriffssystem hat, definiert In der Regel muß sie definieren, indem sie den Begriff in seine Merkmale zerlegt, Beſchreibung; vergleichende Methode; Begriffsbildung. und Beloch, haben Methode und Zuſammenhang in dieſe Unterſuchungen gebracht, einevergleichende hiſtoriſche Bevölkerungsſtatiſtik geſchaffen. So wirken eben die aneinander grenzenden Wiſſenſchaften immer gegenſeitig befruchtend aufeinander. Eine einzige Methode nationalökonomiſcher Beobachtung kann es entſprechend der Die Thatſachen kennen, ſagt Lotze, iſt nicht alles, aber ein Großes; dies gering 44. Die Begriffsbildung. Richtig beſchreiben, von einem Gegenſtande Eine Wiſſenſchaft, die ſchon ein relativ feſtſtehendes Begriffsſyſtem hat, definiert In der Regel muß ſie definieren, indem ſie den Begriff in ſeine Merkmale zerlegt, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0119" n="103"/><fw place="top" type="header">Beſchreibung; vergleichende Methode; Begriffsbildung.</fw><lb/> und Beloch, haben Methode und Zuſammenhang in dieſe Unterſuchungen gebracht, eine<lb/> vergleichende hiſtoriſche Bevölkerungsſtatiſtik geſchaffen. So wirken eben die aneinander<lb/> grenzenden Wiſſenſchaften immer gegenſeitig befruchtend aufeinander.</p><lb/> <p>Eine einzige Methode nationalökonomiſcher Beobachtung kann es entſprechend der<lb/> Kompliziertheit des Stoffes natürlich nicht geben. Auf jeden Teil des Stoffes ſind die<lb/> Mittel zu verwenden, die uns am weiteſten führen, die uns das zutreffendſte, wahrſte,<lb/> vollſtändigſte Bild der Wirklichkeit, der volkswirtſchaftlichen Thatſachen geben.</p><lb/> <p>Die Thatſachen kennen, ſagt Lotze, iſt nicht alles, aber ein Großes; dies gering<lb/> zu ſchätzen, weil man mehr verlangt, geziemt nur jenen heſiodiſchen Thoren, die nie<lb/> verſtehen, daß halb oft beſſer iſt als ganz. Und Laſſalle meint in ähnlichem Zuſammen-<lb/> hange: Der Stoff hat ohne den Gedanken immer noch einen relativen Wert, der Gedanke<lb/> ohne den Stoff aber nur die Bedeutung einer Chimäre.</p><lb/> <p>44. <hi rendition="#g">Die Begriffsbildung</hi>. Richtig beſchreiben, von einem Gegenſtande<lb/> Merkmale ausſagen, die Urſachen aufdecken, die Folgen feſtſtellen kann nur, wer die<lb/> Erſcheinungen, ihre Merkmale, ihre Konſequenzen mit Worten feſten Inhalts bezeichnet.<lb/> Die Begriffsbildung hat die Aufgabe, die in der gewöhnlichen Sprache vorhandenen,<lb/> von der Wiſſenſchaft benutzten, weiter gebildeten, oft umgedeuteten Worte zu dieſem<lb/> Zwecke einer Erörterung, Deutung und Fixierung zu unterwerfen. Dieſe Begriffsbildung,<lb/> für jede Wiſſenſchaft eine ihrer weſentlichen Aufgaben, iſt zunächſt eine Fortſetzung oder<lb/> Potenzierung der natürlichen Sprachbildung. Jeder Sprachgebrauch geht vom anſchau-<lb/> lichen, ſinnlichen Bilde einer Erſcheinung aus, in dem eine Summe von Vorſtellungen<lb/> um eine herrſchende gruppiert iſt; das Wort iſt dieſer herrſchenden Vorſtellung entnommen,<lb/> bezeichnet das Bild mit allen ſeinen Vorſtellungen; das Wort wird zu einem abſtrakten,<lb/> konventionellen Zeichen, das bei allen Gebrauchenden die gleichen oder ähnlichen Vor-<lb/> ſtellungen hervorruft. Dieſe Vorſtellungen ſind aber nicht fixiert, es ſchieben ſich in<lb/> die Wortbedeutung jeder lebendigen Sprache neue, wechſelnde Vorſtellungen ein; die<lb/> herrſchende Vorſtellung wird von einer anderen verdrängt. Und je allgemeinere Vor-<lb/> ſtellungskreiſe ein Wort einheitlich zuſammenfaßt, deſto zweifelhafter iſt in der gewöhn-<lb/> lichen Sprache der damit verbundene Sinn. Die Wiſſenſchaft hat nun das Bedürfnis,<lb/> dieſe fließenden und ſchwankenden Vorſtellungskreiſe immer wieder für ihre Zwecke zu<lb/> fixieren; ſie verlangt möglichſte Konſtanz, durchgängige, feſte Beſtimmtheit, Sicherheit<lb/> und Allgemeingültigkeit der Wortbezeichnung. Die Definition iſt das wiſſenſchaftlich<lb/> begründete Urteil über die Bedeutung eines Wortes. Indem wir definieren, wollen<lb/> wir für alle an der Gedankenarbeit Teilnehmenden eine gleichmäßige Ordnung des Vor-<lb/> ſtellungsinhaltes und damit zugleich eine einheitliche Klaſſifikation der Erſcheinungen<lb/> eintreten laſſen. Das iſt aber immer nur bis zu einem gewiſſen Grade möglich. Die<lb/> Dinge ſelbſt und alle unſere Vorſtellungen über ſie ſind ſtets im Fluſſe begriffen; die<lb/> vollendete Klaſſifikation der Erſcheinungen iſt niemals ganz vorhanden; die Worte, mit<lb/> denen wir einen Begriff definieren, ſind ſelbſt nicht abſolut feſtſtehend; ſie wären es<lb/> nur, wenn es bereits ein vollendetes Begriffsſyſtem gäbe, was nicht der Fall iſt. Wir<lb/> müſſen uns alſo in allen Wiſſenſchaften mit vorläufigen Definitionen begnügen, dem<lb/> weiteren Fortſchritte der Wiſſenſchaft und des Lebens ihre weitere Richtigſtellung über-<lb/> laſſend.</p><lb/> <p>Eine Wiſſenſchaft, die ſchon ein relativ feſtſtehendes Begriffsſyſtem hat, definiert<lb/> durch Angabe der nächſt höheren Gattung des Begriffes und durch den artbildenden<lb/> Unterſchied; die Nationalökonomie und das ganze Gebiet der Staatswiſſenſchaft iſt nur<lb/> an einzelnen Stellen ſo weit, in dieſer Weiſe definieren zu können: z. B. die Haus-<lb/> induſtrie iſt eine Unternehmungsform, bei welcher der kleine Produzent nicht direkt ans<lb/> Publikum verkauft, ſondern den Abſatz ſeiner Produkte nur durch anderweite kauf-<lb/> männiſche Vermittelung erreicht.</p><lb/> <p>In der Regel muß ſie definieren, indem ſie den Begriff in ſeine Merkmale zerlegt,<lb/> die wichtigſten zur Charakteriſierung benutzt. Artet die Definition dadurch zu einer breiten<lb/> analytiſchen Beſchreibung aus, ſo hört ſie auf Definition zu ſein, und riskiert, nicht ein-<lb/> mal die herrſchende Vorſtellung in den Mittelpunkt zu ſtellen. Betont ſie in der Definition<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [103/0119]
Beſchreibung; vergleichende Methode; Begriffsbildung.
und Beloch, haben Methode und Zuſammenhang in dieſe Unterſuchungen gebracht, eine
vergleichende hiſtoriſche Bevölkerungsſtatiſtik geſchaffen. So wirken eben die aneinander
grenzenden Wiſſenſchaften immer gegenſeitig befruchtend aufeinander.
Eine einzige Methode nationalökonomiſcher Beobachtung kann es entſprechend der
Kompliziertheit des Stoffes natürlich nicht geben. Auf jeden Teil des Stoffes ſind die
Mittel zu verwenden, die uns am weiteſten führen, die uns das zutreffendſte, wahrſte,
vollſtändigſte Bild der Wirklichkeit, der volkswirtſchaftlichen Thatſachen geben.
Die Thatſachen kennen, ſagt Lotze, iſt nicht alles, aber ein Großes; dies gering
zu ſchätzen, weil man mehr verlangt, geziemt nur jenen heſiodiſchen Thoren, die nie
verſtehen, daß halb oft beſſer iſt als ganz. Und Laſſalle meint in ähnlichem Zuſammen-
hange: Der Stoff hat ohne den Gedanken immer noch einen relativen Wert, der Gedanke
ohne den Stoff aber nur die Bedeutung einer Chimäre.
44. Die Begriffsbildung. Richtig beſchreiben, von einem Gegenſtande
Merkmale ausſagen, die Urſachen aufdecken, die Folgen feſtſtellen kann nur, wer die
Erſcheinungen, ihre Merkmale, ihre Konſequenzen mit Worten feſten Inhalts bezeichnet.
Die Begriffsbildung hat die Aufgabe, die in der gewöhnlichen Sprache vorhandenen,
von der Wiſſenſchaft benutzten, weiter gebildeten, oft umgedeuteten Worte zu dieſem
Zwecke einer Erörterung, Deutung und Fixierung zu unterwerfen. Dieſe Begriffsbildung,
für jede Wiſſenſchaft eine ihrer weſentlichen Aufgaben, iſt zunächſt eine Fortſetzung oder
Potenzierung der natürlichen Sprachbildung. Jeder Sprachgebrauch geht vom anſchau-
lichen, ſinnlichen Bilde einer Erſcheinung aus, in dem eine Summe von Vorſtellungen
um eine herrſchende gruppiert iſt; das Wort iſt dieſer herrſchenden Vorſtellung entnommen,
bezeichnet das Bild mit allen ſeinen Vorſtellungen; das Wort wird zu einem abſtrakten,
konventionellen Zeichen, das bei allen Gebrauchenden die gleichen oder ähnlichen Vor-
ſtellungen hervorruft. Dieſe Vorſtellungen ſind aber nicht fixiert, es ſchieben ſich in
die Wortbedeutung jeder lebendigen Sprache neue, wechſelnde Vorſtellungen ein; die
herrſchende Vorſtellung wird von einer anderen verdrängt. Und je allgemeinere Vor-
ſtellungskreiſe ein Wort einheitlich zuſammenfaßt, deſto zweifelhafter iſt in der gewöhn-
lichen Sprache der damit verbundene Sinn. Die Wiſſenſchaft hat nun das Bedürfnis,
dieſe fließenden und ſchwankenden Vorſtellungskreiſe immer wieder für ihre Zwecke zu
fixieren; ſie verlangt möglichſte Konſtanz, durchgängige, feſte Beſtimmtheit, Sicherheit
und Allgemeingültigkeit der Wortbezeichnung. Die Definition iſt das wiſſenſchaftlich
begründete Urteil über die Bedeutung eines Wortes. Indem wir definieren, wollen
wir für alle an der Gedankenarbeit Teilnehmenden eine gleichmäßige Ordnung des Vor-
ſtellungsinhaltes und damit zugleich eine einheitliche Klaſſifikation der Erſcheinungen
eintreten laſſen. Das iſt aber immer nur bis zu einem gewiſſen Grade möglich. Die
Dinge ſelbſt und alle unſere Vorſtellungen über ſie ſind ſtets im Fluſſe begriffen; die
vollendete Klaſſifikation der Erſcheinungen iſt niemals ganz vorhanden; die Worte, mit
denen wir einen Begriff definieren, ſind ſelbſt nicht abſolut feſtſtehend; ſie wären es
nur, wenn es bereits ein vollendetes Begriffsſyſtem gäbe, was nicht der Fall iſt. Wir
müſſen uns alſo in allen Wiſſenſchaften mit vorläufigen Definitionen begnügen, dem
weiteren Fortſchritte der Wiſſenſchaft und des Lebens ihre weitere Richtigſtellung über-
laſſend.
Eine Wiſſenſchaft, die ſchon ein relativ feſtſtehendes Begriffsſyſtem hat, definiert
durch Angabe der nächſt höheren Gattung des Begriffes und durch den artbildenden
Unterſchied; die Nationalökonomie und das ganze Gebiet der Staatswiſſenſchaft iſt nur
an einzelnen Stellen ſo weit, in dieſer Weiſe definieren zu können: z. B. die Haus-
induſtrie iſt eine Unternehmungsform, bei welcher der kleine Produzent nicht direkt ans
Publikum verkauft, ſondern den Abſatz ſeiner Produkte nur durch anderweite kauf-
männiſche Vermittelung erreicht.
In der Regel muß ſie definieren, indem ſie den Begriff in ſeine Merkmale zerlegt,
die wichtigſten zur Charakteriſierung benutzt. Artet die Definition dadurch zu einer breiten
analytiſchen Beſchreibung aus, ſo hört ſie auf Definition zu ſein, und riskiert, nicht ein-
mal die herrſchende Vorſtellung in den Mittelpunkt zu ſtellen. Betont ſie in der Definition
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