Schmid, Hermann: Mohrenfranzl. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 88–178. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.des Sommers war er Einer der Ersten. Hanney war überall voran, wo es Ernst und Gefahr galt; Keiner war ein so guter Schwimmer, Keiner wußte so gut zu steuern, Keiner so gut den Zug zu führen und das mächtige Seil, woran das Schiff befestigt ist und welches scherzweise der "Faden" genannt wird, zu leiten und über die hundert verschiedenen Hindernisse wegzubringen. Sag, was du willst, rief er einem neben ihm stehenden Burschen zu, wenn ich den Hiesel nicht spielen soll, so könnt ihr auch für die übrigen Rollen um einen andern Spieler umschauen. Ich will eher Schiffbub werden und meiner Lebtag den letzten Stangenreiter machen, als daß ich mich von meinem Platz verdrucken lass'. Der Melcher spielt nicht halb so gut, wie ich -- warum soll ich ihm nachgesetzt werden? Wie du daher red'st, war die Antwort, vom Nachsetzen ist ja gar keine Red'! Der Melcher ist ein Schiffmeisterssohn, und du bist ein gemeiner Scharler, wie wir auch. Das weiß doch alle Welt, daß er der Schwiegersohn von unserm Zunftmeister werden und seine Tochter, die Wolfsind, heirathen will. Da möcht' er halt auch einmal in der Komödie den Liebhaber mit ihr spielen, und weil der bayrische Hiesel just wieder neu gelernt wird, hat sie's durchgesetzt, daß er den Hiesel spielen soll . . . Das weiß ich lang, entgegnete Hanney, indem ihm das Blut ins Gesicht stieg, aber er soll mit der Wolf- des Sommers war er Einer der Ersten. Hanney war überall voran, wo es Ernst und Gefahr galt; Keiner war ein so guter Schwimmer, Keiner wußte so gut zu steuern, Keiner so gut den Zug zu führen und das mächtige Seil, woran das Schiff befestigt ist und welches scherzweise der „Faden“ genannt wird, zu leiten und über die hundert verschiedenen Hindernisse wegzubringen. Sag, was du willst, rief er einem neben ihm stehenden Burschen zu, wenn ich den Hiesel nicht spielen soll, so könnt ihr auch für die übrigen Rollen um einen andern Spieler umschauen. Ich will eher Schiffbub werden und meiner Lebtag den letzten Stangenreiter machen, als daß ich mich von meinem Platz verdrucken lass'. Der Melcher spielt nicht halb so gut, wie ich — warum soll ich ihm nachgesetzt werden? Wie du daher red'st, war die Antwort, vom Nachsetzen ist ja gar keine Red'! Der Melcher ist ein Schiffmeisterssohn, und du bist ein gemeiner Scharler, wie wir auch. Das weiß doch alle Welt, daß er der Schwiegersohn von unserm Zunftmeister werden und seine Tochter, die Wolfsind, heirathen will. Da möcht' er halt auch einmal in der Komödie den Liebhaber mit ihr spielen, und weil der bayrische Hiesel just wieder neu gelernt wird, hat sie's durchgesetzt, daß er den Hiesel spielen soll . . . Das weiß ich lang, entgegnete Hanney, indem ihm das Blut ins Gesicht stieg, aber er soll mit der Wolf- <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="1"> <p><pb facs="#f0018"/> des Sommers war er Einer der Ersten. Hanney war überall voran, wo es Ernst und Gefahr galt; Keiner war ein so guter Schwimmer, Keiner wußte so gut zu steuern, Keiner so gut den Zug zu führen und das mächtige Seil, woran das Schiff befestigt ist und welches scherzweise der „Faden“ genannt wird, zu leiten und über die hundert verschiedenen Hindernisse wegzubringen.</p><lb/> <p>Sag, was du willst, rief er einem neben ihm stehenden Burschen zu, wenn ich den Hiesel nicht spielen soll, so könnt ihr auch für die übrigen Rollen um einen andern Spieler umschauen. Ich will eher Schiffbub werden und meiner Lebtag den letzten Stangenreiter machen, als daß ich mich von meinem Platz verdrucken lass'. Der Melcher spielt nicht halb so gut, wie ich — warum soll ich ihm nachgesetzt werden?</p><lb/> <p>Wie du daher red'st, war die Antwort, vom Nachsetzen ist ja gar keine Red'! Der Melcher ist ein Schiffmeisterssohn, und du bist ein gemeiner Scharler, wie wir auch. Das weiß doch alle Welt, daß er der Schwiegersohn von unserm Zunftmeister werden und seine Tochter, die Wolfsind, heirathen will. Da möcht' er halt auch einmal in der Komödie den Liebhaber mit ihr spielen, und weil der bayrische Hiesel just wieder neu gelernt wird, hat sie's durchgesetzt, daß er den Hiesel spielen soll . . .</p><lb/> <p>Das weiß ich lang, entgegnete Hanney, indem ihm das Blut ins Gesicht stieg, aber er soll mit der Wolf-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0018]
des Sommers war er Einer der Ersten. Hanney war überall voran, wo es Ernst und Gefahr galt; Keiner war ein so guter Schwimmer, Keiner wußte so gut zu steuern, Keiner so gut den Zug zu führen und das mächtige Seil, woran das Schiff befestigt ist und welches scherzweise der „Faden“ genannt wird, zu leiten und über die hundert verschiedenen Hindernisse wegzubringen.
Sag, was du willst, rief er einem neben ihm stehenden Burschen zu, wenn ich den Hiesel nicht spielen soll, so könnt ihr auch für die übrigen Rollen um einen andern Spieler umschauen. Ich will eher Schiffbub werden und meiner Lebtag den letzten Stangenreiter machen, als daß ich mich von meinem Platz verdrucken lass'. Der Melcher spielt nicht halb so gut, wie ich — warum soll ich ihm nachgesetzt werden?
Wie du daher red'st, war die Antwort, vom Nachsetzen ist ja gar keine Red'! Der Melcher ist ein Schiffmeisterssohn, und du bist ein gemeiner Scharler, wie wir auch. Das weiß doch alle Welt, daß er der Schwiegersohn von unserm Zunftmeister werden und seine Tochter, die Wolfsind, heirathen will. Da möcht' er halt auch einmal in der Komödie den Liebhaber mit ihr spielen, und weil der bayrische Hiesel just wieder neu gelernt wird, hat sie's durchgesetzt, daß er den Hiesel spielen soll . . .
Das weiß ich lang, entgegnete Hanney, indem ihm das Blut ins Gesicht stieg, aber er soll mit der Wolf-
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Zitationshilfe: | Schmid, Hermann: Mohrenfranzl. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 88–178. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_mohrenfranzl_1910/18>, abgerufen am 16.07.2024. |