Schmid, Hermann: Mohrenfranzl. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 88–178. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.voraus im Allgemeinen festgestellt, die Ausführung aber und der Dialog dem Witz und Geschick der Spielenden überlassen war. Mit diesen Gedanken beschäftigt traf ich unter dem Bogenthor des Hauses einen alten Mann in der kurzen Jacke lehnen, welche den Schiffer bezeichnet, und in welchem ich augenblicklich einen der Mitspielenden erkannte. Es war einer von Kaiser Wenzel's Leibtrabanten und in der Posse der glücklich entkommene Pantoffel-Ritter gewesen; schien also eine der ersten komischen Kräfte der Gesellschaft zu sein. Mein Wunsch, von den Verhältnissen der Schiffer und Schauspieler mehr zu erfahren, mich über ihr Leben, über Art und Weise ihres Spiels näher zu unterrichten, brachte mich zu dem Entschluß, die Bekanntschaft des Alten zu suchen, was auch ohne Schwierigkeit gelang. Der Mann war gesprächig und launig, und es schien ihm nicht zu mißfallen, daß man sich um diese Dinge bekümmerte, und so saßen wir bald in der summenden Zechstube nebeneinander, aber weit genug von den übrigen Gästen entfernt, um in unserer Unterredung nicht gestört zu werden. Ja, das Komödie-Spielen, sagte mein Schiffer und komischer Alter mit stolzem Selbstgefühl, das ist ein Recht, das wir Scharler -- so heißen die Schiffer im Munde des Volks -- seit mehr als tausend Jahren haben und das uns kein Mensch nehmen kann. Vor etwa vierzig Jahren hat's ein Landrichter einmal probirt und hat es uns verbieten wollen, aber da sind voraus im Allgemeinen festgestellt, die Ausführung aber und der Dialog dem Witz und Geschick der Spielenden überlassen war. Mit diesen Gedanken beschäftigt traf ich unter dem Bogenthor des Hauses einen alten Mann in der kurzen Jacke lehnen, welche den Schiffer bezeichnet, und in welchem ich augenblicklich einen der Mitspielenden erkannte. Es war einer von Kaiser Wenzel's Leibtrabanten und in der Posse der glücklich entkommene Pantoffel-Ritter gewesen; schien also eine der ersten komischen Kräfte der Gesellschaft zu sein. Mein Wunsch, von den Verhältnissen der Schiffer und Schauspieler mehr zu erfahren, mich über ihr Leben, über Art und Weise ihres Spiels näher zu unterrichten, brachte mich zu dem Entschluß, die Bekanntschaft des Alten zu suchen, was auch ohne Schwierigkeit gelang. Der Mann war gesprächig und launig, und es schien ihm nicht zu mißfallen, daß man sich um diese Dinge bekümmerte, und so saßen wir bald in der summenden Zechstube nebeneinander, aber weit genug von den übrigen Gästen entfernt, um in unserer Unterredung nicht gestört zu werden. Ja, das Komödie-Spielen, sagte mein Schiffer und komischer Alter mit stolzem Selbstgefühl, das ist ein Recht, das wir Scharler — so heißen die Schiffer im Munde des Volks — seit mehr als tausend Jahren haben und das uns kein Mensch nehmen kann. Vor etwa vierzig Jahren hat's ein Landrichter einmal probirt und hat es uns verbieten wollen, aber da sind <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="1"> <p><pb facs="#f0013"/> voraus im Allgemeinen festgestellt, die Ausführung aber und der Dialog dem Witz und Geschick der Spielenden überlassen war. Mit diesen Gedanken beschäftigt traf ich unter dem Bogenthor des Hauses einen alten Mann in der kurzen Jacke lehnen, welche den Schiffer bezeichnet, und in welchem ich augenblicklich einen der Mitspielenden erkannte. Es war einer von Kaiser Wenzel's Leibtrabanten und in der Posse der glücklich entkommene Pantoffel-Ritter gewesen; schien also eine der ersten komischen Kräfte der Gesellschaft zu sein. Mein Wunsch, von den Verhältnissen der Schiffer und Schauspieler mehr zu erfahren, mich über ihr Leben, über Art und Weise ihres Spiels näher zu unterrichten, brachte mich zu dem Entschluß, die Bekanntschaft des Alten zu suchen, was auch ohne Schwierigkeit gelang. Der Mann war gesprächig und launig, und es schien ihm nicht zu mißfallen, daß man sich um diese Dinge bekümmerte, und so saßen wir bald in der summenden Zechstube nebeneinander, aber weit genug von den übrigen Gästen entfernt, um in unserer Unterredung nicht gestört zu werden.</p><lb/> <p>Ja, das Komödie-Spielen, sagte mein Schiffer und komischer Alter mit stolzem Selbstgefühl, das ist ein Recht, das wir Scharler — so heißen die Schiffer im Munde des Volks — seit mehr als tausend Jahren haben und das uns kein Mensch nehmen kann. Vor etwa vierzig Jahren hat's ein Landrichter einmal probirt und hat es uns verbieten wollen, aber da sind<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0013]
voraus im Allgemeinen festgestellt, die Ausführung aber und der Dialog dem Witz und Geschick der Spielenden überlassen war. Mit diesen Gedanken beschäftigt traf ich unter dem Bogenthor des Hauses einen alten Mann in der kurzen Jacke lehnen, welche den Schiffer bezeichnet, und in welchem ich augenblicklich einen der Mitspielenden erkannte. Es war einer von Kaiser Wenzel's Leibtrabanten und in der Posse der glücklich entkommene Pantoffel-Ritter gewesen; schien also eine der ersten komischen Kräfte der Gesellschaft zu sein. Mein Wunsch, von den Verhältnissen der Schiffer und Schauspieler mehr zu erfahren, mich über ihr Leben, über Art und Weise ihres Spiels näher zu unterrichten, brachte mich zu dem Entschluß, die Bekanntschaft des Alten zu suchen, was auch ohne Schwierigkeit gelang. Der Mann war gesprächig und launig, und es schien ihm nicht zu mißfallen, daß man sich um diese Dinge bekümmerte, und so saßen wir bald in der summenden Zechstube nebeneinander, aber weit genug von den übrigen Gästen entfernt, um in unserer Unterredung nicht gestört zu werden.
Ja, das Komödie-Spielen, sagte mein Schiffer und komischer Alter mit stolzem Selbstgefühl, das ist ein Recht, das wir Scharler — so heißen die Schiffer im Munde des Volks — seit mehr als tausend Jahren haben und das uns kein Mensch nehmen kann. Vor etwa vierzig Jahren hat's ein Landrichter einmal probirt und hat es uns verbieten wollen, aber da sind
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Zitationshilfe: | Schmid, Hermann: Mohrenfranzl. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 88–178. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_mohrenfranzl_1910/13>, abgerufen am 27.07.2024. |